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sm England. London, 16. August. Vor 3 Tagen entdeckte ein Kü- stenwächter auf einem Vorsprunge der Kreideklippe, Shakespeare'- Cliff genannt, die unweit Dover ihr trotziges Profil in daS Meer hinausstreckt, dem einzigen, der die abschüssige, mehre 100 Fuß hohe Fläche unterbricht, etwa dreißig Fuß unterhalb der Spitze eine Frauengestalt auSgcstrcckt. Der Vorsprung ist so schmal und die Wand über ihm so steil, daß der Mann eS nicht wagte hinab zu steigen, sondern Leute mit Stricken und Winden herbciholte. Einer ließ sich hinab und fand ein Schauspiel, dessen Beschreibung ich für unglaublich halten würde, wenn ich nicht die Ocrt- lichkcit kennte. Der Vorsprung ist nicht einen vollen Fuß breit. Aus ihm lag eine junge Frau oder vielmehr der Oberkörper einer jungen Frau, denn die Arme und Beine hingen über den Raud hinab. Sie schlief. Der Mann, selbst an den Stricke hängend, faßte sie zuvörderst fest mit den Armen und suchte sie dann zu erwecken, was ihm mit großer Mühe gelang. Anstatt des Dankes sür die Rettung erhielt er aber die heftig sten Vorwürfe, die Frau hatte Opium genommen und sich dann auf die Lagerstätte begeben, in der Hoffnung, durch eine unwillkührliche Bewe gung während des Schlafes in das Meer hinabzustürzen, das den Fuß des Felsen wäscht. Der Mann hielt fest und wurde glücklich mit ihr hin aufgewunden. London, 19. August. Der so eben veröffentlichte StaatshauShaltS- Etat für das Jahr 1835 zeigt in den Einnahmen ein Deficit von 21 Mill. Durch den Krieg haben sich die Staatsschuld nm 18, die Steuern um 20 Mill, vermehrt. London, 20. August. Wie die heutige „Morning Post" meldet, ist die amerikanische Werbungsfrage geschlichtet und die wegen der Wer bungen angeklagten Personen sind begnadigt worden. Die centralamcri- kanische Frage dagegen ist noch ungelöst. Der „Newyork-Herald" schlägt vor, auf dem Isthmus eine amerikanische Besatzung zum Schutze derjRei- sendcn aufzustellen, während die „Morning Post" eine cnglisch-französisch- amerikanische Besatzung anempfiehlt. Dänemark. Kopenhagen, 19. August. Nach „Fädrelandct" hat der hiesige englische Minister, Herr Buchanan, welcher Sonnabend von London hierher zurückkehrte, die für Dänemark freudige Nachricht gebracht, daß die englische Regierung nüllig sich erklärt habe, dem dänischen Vor schlag rücksichtlich der Sundzollcapitalisirung durch Ablösung beizutretcn: ferner theilt „Fädrclandet" mit, daß nun auch Preußen sich dahin aus gesprochen habe, dem englischen Beispiele beizutreten. Belgien. Brüssel, 15. August. Von einer Eisenbahn-Katastrophe meldet die Judependance: Ein gräßliches Unglück hat Misere Festesfreu den getrübt. Dieses Eisenbahn-Unglück hat am 17., Abends, mehren Personen daS Leben gekostet, andern schwerere oder leichtere Verwundungen gebracht. Der Zug von Gent, der um 8 Uhr abging, wurde von zwei Lokomotiven gezogen und war mindestens 600 Personen stark, als am Blokdyke zwischen Antwerpen und Zwyndrecht die beiden Lokomotiven, die eine auf der linken, die andere auf der rechten Seite, in Folge eines auf der Bahn befindlichen Hindernisses aus den Schienen kamen. Dieses Hindcrniß war eine Kuh. Die ersten Wagen stürzten auf die Locomoti- ven und wurden gänzlich zertrümmert. Durch das Feuer der Lokomotiven brach auch eine Feuersbrunst auS. Eine Person ward auf der Stelle gctödtet. Eine Dame gab bald darauf den Geist auf. Dem Baron de Potter-Goethals von Gent wurden beide Beine zerschmettert, und erstarb nach der Amputation. ES ist von mindestens 20 Verwundeten die Rede. Einer derselben ist dem Vernehmen nach ein flamändischcr Schriftsteller. Rußland. Petersburg, 7. August. Der brit. Gesandte hat sich durch eine ganz einfache Maßregel das Wohlwollen der russ. Geschäfts welt im Voraus gewonnen. Seine Wagen und Pferde sind zwar eng lisch, werden aber auf russisch angeschirrt erscheinen. All die Zuthat ist in Rußland bestellt worden und der Profit ist eben so annehmbar wie das Eomplinunt. Graf Morny ist schon sehr beliebt. Er weiß die rechte Seite im Herzen deS ruff. Volkes anzuschlagen. Ein kleines Beispiel wird zeigen, nach welchem Maßstab sein Haushalt eingerichtet ist. Regelmäßig jeden Morgen werden 100 Flaschen Medoc für seine Dienerschaft abge liefert. MannichfaltigeS. Ein kleine- Bild zur Schilderung der Aufstände Spaniens. (Schluß.) Da meine Schilderung zu lang würde und auch keine vollständige Beschreibung einer Belagerung sein sott, so will ich jetzt nur noch sagen, daß wir, daS active Militär, unser Möglichstes thaten, um die Stadt zu vertheidigen, ohne daß jedoch eine Hoffnung auf günstigen Erfolg vorhan den gewesen wäre. In den letzten Tagen der Belagerung wollte unser General noch den Feind täuschen, indem mit allen Glocken geläutet wurde, Freudenschüsse und Jubel erfolgten, Hunderte von Freiheitsfahnen lustig auf unseren Wällen und Thürmen flatterten und dem Feinde auch von unS die Nachricht überbracht wurde, daß die Entsatz-Armee für uns heran rücke. Doch vergebens! Derselbe ließ sich nicht irre leiten und verlangte unbedingte Uebergabe. Zu gleicher Zeit wurde von uns auch ein Ausfall im Großen veranstaltet, um wenigstens das Weite zu gewinnen, uns in die nächste halbbefreundete Provinz durchzuschlagcn und womöglich Frank reich zu erreichen. Beinahe sämmtliches Militär rückte aus — auch Zücht linge wurden bewaffnet in deren Reihen gestellt, doch Alles abermals ver gebens, wir wurden mit namhaftem Verluste zurückgeworfcn, und die meisten unserer TirailleurS, die sich im erbittertsten Handgemenge in den hohen Getreidefeldern vor der Stadt schlugen, fanden ihren Tod in diesen Fel dern. Sogar ein Paar Geschütze mußten im Stiche gelassen werden, um die Thore wieder zu gewinnen. Vor diesem Ausfälle sprach ich den Ge neral noch zum letzten Male. Ich war bereits schon in Reih und Glied zum Ausrücken bereit, als dieser mir ins Ohr flüsterte: Nein! Gehen Sie da hinauf über dies Thor und vertheidigen Sie dasselbe und den angren zenden Wall. Nochmals verlangte ich zum Ausfall zugelassen zu werden, doch wieder sprach der General : Sehen Sie denn nicht, daß uns diese Bürger, die uns zum Trcubruche verleiteten, nun sogar noch den Rückzug abschneiden wollen? Wir sind hier in der Stadt noch mehr, als außen, verrathen. Wirklich bestätigte sich auch diese Aussage. Kaum waren die Truppen ansgcrückt, so wollten auch schon Nationalgardisten das Thor und den Watt besetzen, und nur unsere, gegen sie gerichteten Kanonen und Gewehrläufe konnten sie von ihrem Vorhaben abbringen. Schon längst wollten die Bürger die Stadt übergeben und unS als Gefangene aus- liefern; wir hatten deßhalb Feinde innen und außen, und unsere Lage war gewiß höchst bedenklich. Um weiteres Blutvergießen zu hindern, schlugen sich endlich zwei Consuln der großen Nationen ins Mittel, uad so wurde eine Art Kapitulation zu Stande gebracht. Der General und die Schwerst und Höchstbctheiligten entkamen unter fremder Flagge nach Afrika. Auch viele Andere schifften sich noch ein und suchten daS Weite, und Manche kamen sogar zu Lände noch glücklich durch. Dies geschah in der letzten Nacht, und ein Paar Stunden darauf deS Morgens rückte die feindliche Armee im größten Glanze und Galla, den gefangen gehalten gewesenen Gouverneur unter den übrigen Generalen an dec Spitze, als Sieger durch das nämliche Thor ein, durch welches wir, in unsere Mäntel gehüllt und ohne Massen, nur noch eine kleine Schaar von kaum 1000 Mann aus gezogen. Der feindliche General verbat sich alle Ehrenbezeigungen von Seite der Einwohner, deßhalb waren die Straßen öde und Niemand auf Balkonen und an Fenstern zu sehen. Wir selbst wurden nunmehr als Gefangene bewacht und bald nach der äußersten Grenze des Königreichs eingeschifft, und so endete unsere Sache. Man sprach später in einer an dern Garnison gar nicht mehr davon oder machte Scherze darüber. Bekanntmachungen. Auktion. ES soll den 1. September d. Js., von Vormittags 9 Uhr an, mit der Versteigerung verschiedenen in Wäsche, Kleidungsstücken, Werkzeug, Haus- und Wirthschaflsgerath bestehenden Mobiliars, ingleichcn einer Partbie Makulatur, an hiesiger Königl. Gerichtsstelle gegen sofortige baare Bezahlung verfahren werden, was, unter Bezugnahme auf das im hiesigen Gerichts hause aushängende Verzeichniß der zu versteigernden Gegenstände, andurch bekannt gemacht wird. Markneukirchen, am 18. August 1856. Königliches Gericht. Gröbel.