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VoiglliindilHtr Anzeiger. Kiebemmdsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dicsc- Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag». Donnerstag- und Sonnabend-. Jährlicher Abonncment-prei-. auch bei Beziebung durch die Post. 1 Thlr. 16 Ngr. — Annoncen, die bi- Mittag- 17 Uhr eingehen. werden in die Tag- darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene (Lorpus-Zcile berechnet. Tonnahend. 8». r. 18». Die Naturwissenschaften und das Volksleben. Die Dienste, welche die Naturwissenschaften den Menschen leisten, sind dreierlei Art, sie sind geistig, sittlich und materiell, und weil sie zu geistiger Erhebung den Menschen wesentliche Grundlage bieten, so sind sie besonders geeignet, materielles Wohl zu fördern. Dieselben haben daher einen entschiedenen Einfluß auf den Charakter des einzelnen Menschen, sowie aus den Clzarakter der Jetztzeit. Das Bcdnrfniß ist die Triebfeder des menschlichen Schaffens, die Thätigkeit in den verschiedenen Geschäfts kreisen ist als Richtung zu bezeichnen. Die Naturwissenschaften zogen in früherer Zeit eine Richtung nach sich, entsprungen aus dem Bedürfnisse geistiger Erleuchtung, um wissenschaftliche Kenntnisse zu fördern und zu mehren ; gegenwärtig ist cs anders! — Von jeder neuen Entdeckung auf dem Gebiete naturwissenschaftlicher Forschung wird sofort die praktische Nutzanwendung zu machen versucht und sieht sich so der Mensch veranlaßt, bei so großer Vermehrung der Bedürfnisse seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten anfS höchste anzuspannen, um solche Bedürfnisse zu befriedigen. Dieses NützlichkeitSprincip unserer Zeit hat sich nicht auS einer auf Speculation gegründeten Theorie entwickelt, sondern cs ist durch den Trieb der Sclbsterhaltung auS den Lebensverhältnissen der civilisirten Nationen hervorgegangcn, bei welchen materielles Wohlergehen die Grundlage bildet, auf welcher die sittliche Veredlung, wie die geistige Erhebung dcS Men schen ruht. — DaS materielle Wohlergehen der Völker zu fördern ist die Aufgabe aller weisen Regierungen, und daß cS mit allen Kräften geför dert werden müsse, verkennen selbst diejenigen nicht, die überhaupt das NützlichkeitSprincip verabscheuen, da eS Selbstsucht, Jrreligiösität und Ma terialismus erzeuge. Materielles Wohlergehen kann nicht auf die Dauer durch Almosen hergestcllt werden, wenn die nöthigsten Bedürfnisse blos von der Mildthätigkeit Anderer abhängen, welche in heutiger Zeit, gestützt auf den Grund der oben angedeutetcn sittlichen und materiellen Wohlfahrt, den Armen mehr als jemals zur Seite steht. Die Naturwissenschaften in heutiger Bedeutung fördern und erzeugen materielles Wohlergehen dadurch, daß sie große und kleine Quellen eröff nen, auS denen die Mittel für Erhaltung der Menschheit fließen. Welche endlose Reihe von Erfindungen hat die Dampfkraft ins Leben gerufen; wie viele Entdeckungen auf dem Gebiete der Physik und Chemie haben unS eine scgenbringende Wirkung schon in der Gegenwart entwickelt und werden für die Zukunft weit größern Nutzen bringen. WaS hat die Astronomie der Menschheit, die Mineralogie und Geognosie dem Bergbau und der Landwirthschaft gebracht; und die neuen Bestrebungen der Zoolo gie und Botanik, Thiere und Pflanzen entfernter Weltthcile zum Nutzen der Europäer zu acclimatisiren, sowie die Zahl der Fische künstlich zu ver mehren, wird nicht ohne wohlthätige Folgen bleiben. Die industriellen Unternehmungen, welche durch vorgenannte Wissenschaften hervorgerufen worden find, haben den Verkehr erleichtert, den Handel erweitert, den Nationalwohlstand gehoben und es ist durch dieselben nur allein möglich geworden, eine dichtgedrängte Bevölkerung dort zu erhalten, wo der Bo den die erforderlichen Mittel zur Erhaltung nicht bietct, Die Theilnahme an diesen Wissenschaften und die bisher ihnen aewordne Aufmunterung läßt ohne Zweifel erwarten, daß alle diese Wissenschaften einer höher» Vollendung zuftrcben; sie werden der Industrie und dem Ackerbau neue Gebiete eröffnen, zur Erweiterung dcö Handels beitragen, und wenn die Ahsik, Chemie und Mineralogie als diejenigen naturwissenschaftlichen Tiöciplincn dastehcn, die allein die Industrie, den Ackerbau und Bergbau wesentlich und direkt unterstützt haben, so haben diese Wissenschaften als Unterbau für die Säulen, welche daS StaatSgebäude tragen, wesentlich genützt und cS ist selbstverständlich, daß Männer, in deren Händen die oberste Leitung des StaatS ruht, daS größte Interesse an ihrer Entwicke lung haben, da Rothwendigkeit gewisser naturwissenschaftlicher Kenntnisse sich von den verschiedenen Berufskrcisen bis in das tägliche Leben erstreckt, und besonders hier die Chemie eine thätige Rolle spielt. Man glaubte früher, chemische Wahrnehmungen nur im Laboratorium deS Chemikers machen zu können, weil man keine Idee davon hatte, daß daS Verwittern der Gesteine, wodurch dem Wachsthume der Pflanzen neue Qnellcn von Pflanzennahrung eröffnet werden, das Athmen der Mcnschen und Thiere alles chemische Vorgänge sind; daß ferner der mensch liche und thicrische Körper natürliche und bewunderungswürdige Werkstätten der Chemie find. An diese Beobachtungen lassen sich eine Menge von che mischen Operationen im wirthschaftlichen Leben anreihen, und eS hat in neuerer Zeit besonders die Gewinnung von Weingeist beim Backen deS Brodes Anerkennung gefunden, für welche die neuerlich gegründeten ui,d noch zu gründenden großen Bäckereien regcS Interesse nehmen, um diesen in Luft form verloren gehenden Stoff zu sammeln. Wenn nun die naturwissenschaftlichen Forschungen der Industrie und der Landwirthschaft zur Zeit die größte Unterstützung gewährt haben, so muß man sich aber auch fern halten von überspannten Erwartungen und Ansprüchen. Man muß nicht erwarten, daß jede neue Entdeckung, welche heute gemacht wird, sofort Gewinn bringe ; sie wird erst ost fruchtbar durch eine zweite und schließt sich an diese eine Kette von Wahrnehmungen und Folgerungen, die oft und besonders für Industrie und Landwirthschaft die größten Wirkungen haben. Die von mancher Seite her so viel gehaßten naturwissenschaftlichen Fortschritte sind daher wohl sicher eine der größten Segnungen für die fortschreitende Civilisation, für welche geistig sittliche Erhebung und materielles Wohlbefinden die festeste Grundlage bieten dürfte. Zeitungen. Sachsen. Plauen, 30. Juli. Bei den behufs Einrichtung eines TelegraphenbureauS im Innern unserer Stadt gepflogenen Verhandlungen hat sich der Stadtrath bereit erklärt, die dazu nöthigen Räumlichkeiten in dem Parterre eines in der Mitte der Stadt, am Kirchplatze, gelegenen Hauses zu beschaffen, und wird, da der Umbau deö betreffenden LocalS nach dem eingcgangenen Risse bereits in Angriff ist, jene dankenSwerthe Ein richtung wahrscheinlich schon im nächsten Monat zur Benutzung kommen. Plauen, 30. Juli. Heute sahen wir das erste Fuder Roggen ein ernten. Dresden, 28. Juli. Unsere seit 1834 in Wirksamkeit getretene Landrentenbank hat von Ostern deS gedachten Jahres bis Michaelis 1855 nach einer jetzt angefertigten Uebersicht ihres Geschäftsbetriebes 315,162 einzelne JahreSrenten in einem Gesammtbetrage von 868,057 Thlr. 19 Ngr. 1,4 Pf. übernommen. Der 25fache Betrag derselben ist als Capitalcntschädigung in 7969 Posten den Berechtigten mit 21,701,440 Thlr. 28 Ngr. 5 Pf. gewährt worden und zwar mit 21,347,175 Thaler rn Landrentenbriefen und mit 354,265 Thlr. 28 Ngr. 5 Pf. in baarem Gelde. Von ihrem KündigungSrcchte haben 3104 einzelne Rentenpflichtige Gebrauch gemacht und daher durch Capitalzahlungen von zusammen 408,808 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf. einen Rcntenbetrag von 16,352 Thlr. 9 Ngr. 9,4 Pf.