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Voiglliindilcher Jnztiger. Siebenundsechszigfler Fahrgang. 13. Juli 18AI 81 Dienstag. Zeitungen. Sachsen. Dresden, 8. Juli. Heut zählt man hier zwei Selbst morde infolge von Geistesstörung, indem sich früh ein Schuhmachermeister Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese» Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag-, Donnerstag- un-'^-nnabend-. Jährlicher Abonnement-prei-, auch ^^ deziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Mittag- 12 Uhr eingehrn, werden in die Lag- darauf erscheinende Nummer ausgenommen, spater eingehende Anno finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet. Zur Photogen- und Paraffinfrage. Wir müssen eS als ein „gutes Zeichen der Zeit" begrüßen, wenn man für die Praxis die Erfahrungen der Wissenschaft zu benutzen und zumal solche Bedürfnisse, wie die jetzigen Leuchtstoffe, durch andere zu er setzen sucht. Dies ist nun in AuSncht gestellt durch die Einführung deS PhotogenS und Paraffins, welches erstere einen Theil deö RübölS, letzteres einen Theil deS TalgcS oder Stearins ersetzen soll. — Fragen wir uns nun aber, „sind diese Materialien nur annähernd in solcher Menge zu beschaffen, wie cS von einem allgemein cinzuführendcn Deleuchtungsmaterial vorauSzusetzen ist," so können wir dies recht gut bejahen, denn sie entstammen ja den Braunkohlen, Torf, Brandschiefer und ähnlichen unterirdischen Naturpro dukten, die oft ihrer Natur nach selbst keinen Werth als Brennmaterial haben, wie Brandschiefer, erdige Kohlen, deshalb auch bis jetzt oft keine Berücksichtigung sanden, selbst mit Unkosten gleichzeitig mit den verwerth- baren Kohlen gefördert werden und, weil nur Halden bildend, natürlich diese nur vertheuern mußten, und doch einen Werth bei ihrer Verwendung auf obige Stoffe haben, wie sie kaum für irgend eine andere Benutzung finden würden. Das Rohmaterial für die neuen BelcuchtungSstoffe ist somit in solcher Masse gegeben, daß eS, richtig auSgebeutet, sicher hinreicht, um einen großen Theil jener Bodenerzeugniffe zu ersetzen, und wenn wir in dieser Beziehung nur ein kleines Fleckchen Sachsens, nämlich die Fluren von Karcha mit ihrem Kohlenrcichthum abschätzen, und daraus bemessen woll ten, waö sie an diesen Stoffen zu liefern im Stande seien, wie aus dem seit einiger Zeit ausgegebenen Prospekt über das Karcha-Dresdner Braun kohlenunternehmen, gegründet auf sichere Untersuchungen, ersichtlich ist, wenn man ferner berücksichtigt, daß Rohmaterialien für diesen Zweck so überall verbreitet, wenn auch nicht immer unter so günstigen örtlichen Verhältnissen wie dort auSgebeutet sind und deshalb für diesen Zweck so billig zu stehen kommen, so leuchtet daraus eiu, daß auch sicher ein großer Theil jener Bodencrzeugnisse ersetzt werden könnte. Eine zweite Frage aber ist nun die, „wie verhält sich der Preis jener Beleuchtungsstoffe zu den jetzt gebräuchlichen und erwächst hieraus den Verbrauchern ein Vorthcil oder nicht?"—Darauf haben wir zu erwidern, daß die Preise dieser Materialien jetzt noch die unserer Leuchtstoffe über steigen und dies liegt sehr nahe, weil die Fabrikation derselben jetzt nur in den Händen einiger weniger Fabrikanten ist, die zugleich nicht genug von denselben beschaffen können und deshalb, weil sie eben keiner Concur- renz unterzogen sind, natürlich höhere Preise halten und gern bewilligt be kommen. — „Warum aber bekommen sie einen solchen bewilligt?" — Wie alle unentbehrlichen täglichen Lebensbedürfnisse, besonders die Nahrungs mittel und Bodenerzeugniffe, ein festes Nerhältniß im Preise zu einander beobachten, bedingt durch den damit erreichbaren Nutzef fekt, und sie nur durch außergewöhnliche Umstände auS diesem Verhältniß hcrauStretcn, so ist auch der höhere Preis von Photogen bedingt durch einen größeren Nutzeffekt. — ES ist eine bereits durch vielfache Erfah rung bestätigte Thatsache, daß daS Photogen in den dazu construirten Lampen nicht nur sparsamer verbrannt als Oel, sondern daß eS dabei zugleich ein ungleich klareres, helleres Licht giebt als dieses. ES mögen deshalb einige Vergleiche, der Praxis entnommen, gestattet sein. Eine große Leuchtgasflamme, sogenannter Straßen brenn er, kostet per Stunde bekanntlich circa 6 Pf. und sein Lichteffect ist bekannt; eine Photogenlampe mit rundem ^zölligen Docht, die mindestens fin gleiche- Licht, nach genauer Ueberzeugung aber ein noch größeres gewährt, rostet per Stunde 3, im höchsten Falle 4 Pf. bei dem jetzigen Preise drese- LeuchtstoffeS. Over eine Messingstativlampe von Wolligem Rundbrenner, der gewöhnlich gebrauchten Lampengattung, kostet per stunde 3 /- biS 4 Pf., eine Photogenlampe mit gleicher Leuchtkraft, bet Wolligem flachem Docht, kostet 1-/i bis 2'/4 Pf. per Stunde. Diese Thalsachen sind verbürgt, ebenso die größere Leuchtkraft, und so rechtfertigt sich aus dem größeren Nutzeffect auch schon der jetzige Preis dieses Leuchtstoffes. ES ist aber kein Zweifel, daß bei größerer Con- currenz und immer ausgedehnterer Fabrikation der Preis deS Photogen- herabsinkt, auch herabsinken muß und recht gut, ohne die Rentabilltät der Fabriken zu beeinträchtigen, herabsinken kann, und dann erst wird der Vortheil deS allgemeinen Verbrauchs um so mehr in die Augen springen und das Photogen wenigstens geeignet sein, der steten Konjunktur im Preise deS RübölS am kräftigsten entgegenzuwirken. Der jetzige Preis deS PhotogenS kann daher als der höchste betrachtet werden und so sind wir hierin in der ungleich besseren und umgekehrten Lage gegenüber den gewöhnlichen Leuchtstoffen, welche zumal bei diesjährigen Aussichten wohl auf dem niedrigsten Preise jetzt stehen. Aehnlich verhält es sich mit dem Paraffin. Dasselbe behauptet jetzt noch einen Preis, welcher nur dem Wachs eine Concurrenz bieten kann, und ist allerdings das alabasterähnliche Aussehen der daran- gefertigten Kerzen sehr bestechend, zudem kommt noch, daß sie ebenfalls in der Leucht kraft den besten Stearinlichtern nicht nachstehen, dieselben sogar nach Kar- marsch um ohngefähr */, in der Leuchtkraft übertreffen und dabei ebenfalls sehr sparsam brennen, wenn das richtige Verhältniß zwischen Docht und Licht stattfindet. — Bei ihnen wird der Preis bei eintretender Concurrenz sicher herabgehcn und wenn er einst den deS Stearins erreicht hat, dann wird Jeder sich gern zum Paraffin wenden; selbst wenn erst der Preis desselben auf 15 Ngr. per Pfund herabgegangen, sind dieselben bei Berück sichtigung ihrer Leuchtkraft und der Zeit ihres Brennens gerade den Stea rinlichtern gleichstehend. Es kann demnach der Consumcnt bei Einführung von diesen Leuchtstoffen nur pecuniär gewinnen, und wenn erst die Technik auch die für dieses Photogen eigen- construirten Lampen dem Zwecke genau anpaßt, dann werden auch die Klagen über schlechte- Licht mehr und mehr sich mindern und man allenthalben zufrieden gestellt werden, nur darf man jetzt nicht ein verdammende- Urtheil fällen wollen. Die jetzt in Handel kommenden Produkte sind unter sich so ungleich und gewähren so wenig Garantie für ein gute- Brennen in jeder Lampe, wie diese oft ihrer Con- struction nach kein gutes Licht geben können. ES bleibt daher auch bei einem so jungen Industriezweig noch viel zu wünschen übrig, um allen Anforderungen und Vortheilen, die man an Leuchtstoffe stellt, zu genügen, vorzüglich auch, um dem Publikum eine ge wisse Garantie gegen FeuerSgefahr oder anderweitige Nachtheile zu gewäh ren, worüber wir uns später weiter aussprechen wollen, dennoch aber musten wir den neuen Unternehmungen dieser Art „Glück auf" zurufen und können wir darin nur einen Gewinn erblicken. (D I)