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Voigtländischer Anzeiger Siebenundfechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag van Moritz Wieprecht in Plauen. jährlicher AbonnementSprei» für diese- Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die JnsertienSgebühren werden mit t Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältnis de- Räume-. — Sonnabend. S4. l» M«i 18S« Di< G»wi»»st< »o« «or»,»lä>>dische» Die am morgenländischen Kriege betheiligten Herrscher in Eu- ropa haben ihren Völkern nunmehr sammtlich den Frieden verkün digt; selbst in England hat die alte Komödie, nach welcher der Wappenkönig vor dem St. Jame--Palast die königl. FrievenSpro- klamation verkündigt und dann an der Spitze eine- Zugs von Garden, Polizeiern, Trompetern, Herolden, Stabträgern re.; vor das verschlossene Thor der City in London zieht, Einlaß begehrt, erhält und dann dort den Frieden verkündet, stattgefunven. CS sragt sich nun, waS mit der halben Million Menschen und den mindestens 2000 Mill. Thalern Geldaufwand, die der Krieg gekostet hat, gewonnen worden ist. Nach den Lüftchen zu urtheilen, in denen die FriedenSpille den betheiligten Völkern schmackha t gemacht und tingegeben wurde, er cheint der Gewinn gerade für die Gewinnenden mindestens sehr zweifelhaft. Die Türkei, für deren Integrität, d. h. selbstständigen Fortbe stand angeblich losgeschlagen wurde, wird die 150—200 Geviert meilen Land nebst dm 150,000 Köpfen, die wieder unter ihre sehr zweifelhafte molvau-wallachische Souverainität gekommen sind, wohl nicht hoch anschlagen, obgleich e- seit fast 1l)0 Jahren di« erste Rückeroberung verlorenen Gebiete- ist. Dafür ist sie in ihren Finanzen dreimal schlechter daran, al- vor dem Kriege, ihre Flotte ist hin und die türkische Bevölkerung durch den Krieg gehörig ge- zehntet. Aber die Christen der Türket sind durch dm „Hal" de» Sultan» mit dm Türken gleichberechtigt und werden von nun an sich äußerst glücklich befinden! ? Recht fchtn; wenn nur dir Christen silbst von dieser Gleichberechtigung etwa» wisse« wollten! Wenn nur der alte Türkeuhaß und Uebermuth gegen die unterchänigen Christen nicht an so vielen Ortm un» so heftig hervorbräche, daß in Folge dtS „HatS", wenn die Gleichberechtigung nicht blo» auf dem Papiere stehen, sondern eine Thatfache rverven soll, die An wesenheit abendländischer Truppen eine bleibende Rochwenvigkeit sein wird. Der einzige reelle Gewinn der Türket dürfte sein, daß sie auf einige Zeit Ruhe hat vor den russischen Anmaßungen und Anfällen, wie lange, steht dahin. Frankreich, das den Kampf „für die Civilisation gegen die Barbarei" ausgenommen und geführt hat, mag nch mit den Lor beeren begnügen, die seine Armeen abermals gepflückt, mit den Triumphen, die seine Diplomaten errungen haben, mit der tonan gebenden Stellung, die der „großen Nation" wiederg,wonnen ist. Das wird für „Ruhm und Ehre" Frankreichs genug sein. Sollte aber dennoch irgend ein Franzose fürwitzig genug sein, zu fragen, ob nicht der Krieg im Interesse deS Kaiser- LouiS Napoleons, aber nicht im Interesse Frankreich- unternommen worden und welches der thatsächliche Gewinn für Land und Volk sei, so möge er diese Frage ausserhalb Frankreichs stellen. In England ist- nun Jedem im Volke klar, da^ man Geld und Menschen zum Fenster hinauSgewörfen hat. Die russ. Pon- tuüflotte war England nie gefährlich, die Donauschifffahrt steht für dieses Land sehr in zweiter Linie, daS Uebrige zieht noch weniger, die AlandSinseln inbegriffen. Von allen den schönen Verheißungen, die englische Blätter und engl. Ministerium chrem verehrungswür- digen Publikum so reichlich auftischten, »st nichts erfüllt worden. Loch ja, England hat redlich beigetragen zur Erhebung Louis Napoleons! Am Besten stehtS mit Rußland, trotz der verlorenen Flotte, trotz den winzigen Abtretungen in Bessarabien, trotz der Verluste an Geld und Menschen, trotz der papiernen Beschränkungen, du ihm der Friede auserlegt. Es ist auS einem ungerecht begonnenen Kriege, der, noch ein Jahr gegen alte und neue in Aussicht stehende Feinde fortgeführt, eS unbezweifelt zur Verzweiflung, zum Verlust schöner Provinzen dringen mußte, mit heiler Haut, mit verhältnißmaßig gelinder Strafe davon gekommen, und waS noch mehr ist, es har eingesrhen, daß es besser thut, seine innere Entwickelung zu pflegen, Straßen und Eisenbahnen zu bauen, Ackerbau und Gewerbe zu pflegen, statt die StaatSkraft an ungeheuren stehenden Heeren zu erschöpfen unv neue Länder zu erobern. Wenigstens scheinen daraus dir neuesten Maßregeln Alerander 11., der die Staatsmänner des alten LystemS entläßt, und seine Reden an die Moskauer Kauf mannschaft hinzudeuten. Betritt das Czarenreich wirklich kiesen Weg, dann wird sich auch der Russenhaß im Abenvlanoe sicherer vrrlieren, al- wenn «S, wie eS heißt, westliche Zeitungen erkaufen und durch sie die öffentliche Meinung gewinnen will. Von dem Gewinnen Sardinien» schweigen wir billig, eS müßte denn daS große Wort, welche- e- nun als Bundesgenosse der West- Mächte in Italien zu führen sucht, das aber keinen Ort finden will, seinen Opfern an Geld und Blut entsprechen. Aeitungen Sachsen. Plauen, 8. Mai. Dresdener Nachrichten von gestern zufolge sind beim dortigen Vorstand des allg. saebs. Lehrer- Vereins bereits gegen 400 BilletS zu ermäßigten Fahrpreisen aus den sächs. Bahnen bestellt worden. ES dürsten mithin 600 biS 800 Lehrer am 13. und 14. d. M hier einlreffen. Dresden, 6. Mai. Seit einigen Monaten quälte hier ein nun entlarvter Schneidergeselle, Namens Weinhold, unter dem Titel eines Professor vr Walter auS Elstra bei Camenz, die durch große Beredtsamkeit und sein lügenhafte- Auftreten sich verschaffen Kran- ken, deren Zahl nicht unbedeutend sein mag, ahne alle Erfolge unv