Volltext Seite (XML)
Voigtlän-ischer Anzeiger» Siebenundsechözigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. ü Ngr. — Die InsertionSgebühren »rerden mit 1 Ngr. für die gespaltene EorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Derhältniß deS Raumes — Sonnckbend. SL 3. Mai 1856. Rundschau In früheren Jahrhunderten glaubte man, die besten Schätze, welche man der alten Mutter Erde abgewinnen könne, seien die edlen Metalle, Gold und Silber, und ein Land, welches darin viel Ausbeute gab, wurde reich genannt und glücklich gepriesen. Allein Spanien ist, trotz seiner unermeßlichen amerikanischen Gold- und Silberbergwerke, verarmt, und England durch seine Steinkohlen reich geworden. Gewerbthätigkeit, Dampf und Steinkohlen sind in unserem Jahrhunderte die einander bedingenden und ergänzenden Factoren deS Volkswohlstandes. Und dem Himmel sei eS gedankt, unser Sachsen erfreut sich derselben in einem hohen Grade, und unsere Regierung fördert und hilft, wo nur thunlich und möglich. Die Staatsbahnen Chemnitz-Zwickau-Schwarzenberg sind noch nicht fertig, und schon ist unser, auch im Voigtlande wohlgekannter Hr. Geh. Finanzrath und Major Wilke beschäftigt, die Chemnitz. Würschnitzer Privat-Kohlenbahn mit der HauptstaatSbahn zu ver binden. So werden die Kohlenfiötzlager um Zwickau immer mehr daS Herz, au- welchem die Eisenschienen, wie Adern nach allen Richtungen hin auSlausen, den Gewerben überall Blut und Lebens säfte zusühren, auf diese Weise aber da- kräftige Gedeihen des ge- sammten StaatSkörpers fördern! In dem übrigen Deutschland fängt mau nachgerade an, über die vielen Banken, die bereit- sich etablirt haben und fernerhin sich aufthun wollen, kopfscheu zu werden. Die bairische Kammer hat ihre Genehmigung zur Errichtung einer solchen Anstalt rund abge schlagen, in Hannover herrscht ebenfalls keine Neigung dafür, in Baden will die Regierung darauf hinarbeiten, daß Banken, die Zettel oder Noten auSgeben, auch einen gehörigen BaarfondS be sitzen, in Preußen, wie wir unsern Lesern schon mittheilten, leitet man Verhandlungen mit den übrigen deutschen Regierungen ein, da- ganze Bankwesen in Deutschland zu regeln; ohne Zweifel daS WünschenSwertheste, wozu von Herzen Amen! In Preußen haben die Kammern Len Staatshaushalt borge- habt. Wie überall, steigen dort auch die Staatsbedürfnisse von einer Finanzperiode zur andern ; wie überall, müssen dort auch die Steuern erhöht werden, oder doch die erhöheten bleiben, wo thun- ltch, immer neue Besteuerungsgegenstände, immer neue Einnahme quellen für den Staat ausfindig gemacht werden. Da ist man nun zu der Ansicht gekommen, daß der Tabak im Ganzen dem Staate doch nur wenig eintrage und doch ein Gegenstand sei, der unter gar vielen eine tüchtige Steuer am Leichtesten vertrage. ES läßt sich wohl nicht leugnen, daß derjenige, welcher „ächt importirte Havannah-Cigarren", daS Tausend zu 80 Thlr. und noch höher zu rauchen im Stande ist, dem Staate auch recht wohl eine starke Steuer darauf bezahlen könnte, und wenn selbst die Stötteritzer in Folge einer darauf gelegten Steuer um hundert Prozent a ufschlü- gen, dürste dieß für Magen, Blut und Beutel vieler unreifer Bürsch chen, welche ihren Stolz darin suchen, die Wirkungen eines Glimm- stengelS siegreich zu bekämpfen, eine Wohlthal sem. Wir wünschen Niemandem seinen Rauchgenuß vertheuert; aber ehrlich gestehen müssen wir, daß gegen eine ziemlich hohe Besteuerung des Tabaks, zumal wenn damit entsprechende Herabsetzung der Personal-, Gewerbe- und Grundsteuer verbunden wäre, etwas nicht zu erinnern sein dürfte. In Oesterreich dauern neben den sehr erfreulichen Bemühungen der Regierung, die Grenzzölle herabzutetziN und eine Einigung mit dem Zollverein anzubahnen, die sehr unerfreulichen Bestrebungen der Bischöfe, daS Concordat zum Nachtheile des Staates und der Pro testanten auszunützen, fort, ohne daß bis jetzt die verheißene recht liche Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken erfolgt wäre. Die alte Unduldsamkeit gegen die Ketzer kommt wieder zum Vor schein. So sollen auf Befehl der Bischöfe die kath Geistlichen jeden Verkehr mit Protest. Geistlichen sorgfältig meiden, wahrschein lich damit erstere nicht angefteckt werden. Die Protest. Ungarn sollen nicht mehr, wie ihnen Ließ seit 70 Jahren ausdrücklich gestattet war, an kath. Festtagen arbeiten rc. Wie sich daS Concordat und die Auslegung desselben durch die Bischöfe mit den Rechten der Staatsgewalt, mit dem Aufschwünge des verjüngten Oesterreichs und der Bildung deS 19. Jahrhunderts vereinigen lasse, gestehen wir ehrlich, nicht zu wissen. In England scheint das Ministerium Palmerston, seitdem der Krieg zu Ende ist, auf wackeligen Füßen zu stehen, wenigstens wird es in der 2. Kammer einmal über das andere geschlagen. CS muß sich bald ausweisen, ob eine Auflösung erfolgen und diese eine willigere Kammer bringen, oder das Ministerium abgehen werde. In Frankreich freut Alles sich des Friedens, während der Kaiser Große- vor hat in Afrika, Algier mit Macht colonisiren und Ma dagaskar unterwerfen well, wie eS heißt. Vor der Hand wird er wohl erst große Kindtaufe halten. Zeitungen Sachsen. Dresden, 28. April. Wie wir au- guter Quelle hören, beabsichtigt unser Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterricht- in nächster Zeit eine Verordnung wegen Abhaltung von Kirchenvisitalioneu ergehen zu lassen. Dresden, 30. April. Nach einer Bekanntmachung Ler k. Oberpostdirection in Leipzig treten von morgen ab beim Postver- kehr wiederum mehrere Erleichterungen ein. So können namentlich von da an auch Briefe nach fremden, zum deutsch-österreichischen Postvereine nicht gehörigen Staaten (z. B. Frankreich, England rc) vollständig mit Marken frantirt werden. Ebenso können an allen