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Voigtländischer Anzeiger. Siebenundsechözigster Jahrgang. Verantwortliche Redaetion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht t« Plauen. Jährlicher Abonnement»prei» für diese» Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. k Ngr. — Die InserttonSgebührm werdrn mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß de» Raume». — Sonnabend. Ls. 1ö März 18S«. Rundschau Wir sind noch immer nicht im Stande, die immer wtederkeh- ' rende Frage unserer Leser, ob in Pari» der Friede zu Stande kom men werde, bestimmt zu beantworten. Für wahrscheinlich hält - man vielseitig den Frieden, ebenso für wünschenswerth, unter der ' Bedingung, daß e» kein fauler sei, wenn gleich so Mancher mit ' gutem Grunde die Fortsetzung de» Kriege» bis zu Rußlands ganz- < lichem Niekerwerfen gerne gesehen hätte, um für immer der poli- > tischen und sittlichen Einwirkung russischen Einflüsse» in Deutsch- schland lo» zu werden; aber für gewiß mochte ihn selber Kaiser Nap. 3. nicht halten, sonst hätte er in seiner Thronrede wenigsten» die Wahrscheinlichkeit desselben verkündet. So viel scheint sich zu bestätigen, daß die russ. Gesandten äußerst nachgiebig sind, ein Be weis, raß Rußlands Erschöpfung, welche Kaiser Aler. 2. auf seiner Krimreise mit eigenen Augen gesehen haben mag, in Petersburg die Annahme der 5 Gewähren kräftiger befürwortete, als alle Vor stellungen, Wünsche und Drohungen Oesterreichs, Preußens rc. im Stanke gewesen wären. Also, waS den Frieden anlangt, Geduld! Trotz FriedenShosfnungen und bevorstehendem KindtaufSfeste werden übrigens die Franzosen vielleicht in Kürze einen neuen Feld zug, in ein noch weiter, als die Krim, entferntes Land zu machen haben. Sie haben auf. der Insel Madagaskar, östlich von Süd afrika, etwa 1800 d. Meilen von Frankreich, Besitzungen, in welche die rohen und wilden Inselbewohner eingefallen sind und alles Fran zösische, Güter und Menschen, zerstört, geraubt und ermordet haben. Wir müßten uns sehr täuschen, wenn Kaiser Nap. 3. der Mann wäre, so etwas von der Königin dieser Barbaren ungestraft sich bieten zu lassen, sondern glauben vielmehr, der Friede, der über Europa kommen werde, dürfte Zeit und Kräfte verfügbar machen, um mit dem Strafgerichte über die Madagassen vielleicht eine er weiterte Besitznahme auf jener Insel, die so groß als Frankreich ist, zu verbinden. In Spanien sitzt nun der Landtag drei Vierteljahre, um eine neue Verfassung zu Stande zu bringen, eS geht aber damit nicht vorwärts, weil bald dieß bald jenes dazwischen kommt und ge mengt wird, waS dem Landtage überhaupt, einem verfassunggebenden insbesondere, nicht zusteht und nur aufhält. Darüber ist im spani schen Volke, welches gerne ein endgiltigeS Staatsgrundgesetz fertig sehen m-chte, Mißstimmung und Unzufriedenheit entstanden, so daß der Landtag dort endlich beschlossen hat, künftig nur seines verfas sunggebenden Amtes zu warten. Es ist diesem durch vieljährige Bürgerkriege heimgesuchten Lande und Volke dringend zu wünschen, daß eS endlich unter einer wohlgeordneten konstitutionellen Verfas sung Frieden, mit diesem Entwickelung seiner großen Hilfsquellen und dadurch den Wohlstand finde, zu welchem alle Bedingungen in so reichem Maße vorhanden sind. Die neuen Gesetze des Sultan», durch welche die Bekenner aller Religionen den Muhamedanern an Rechten gleichgestellt werden, machen unter allen böses Blut. Die Türken wollen nichts davon wissen, daß die Nichtmuhamedaner ihnen gleich sein sollen, jenen aber liegt nichts an dem Rechte, den Türken gleich, als Rekruten ausgehoben ru werken re., wovon sie zeither frei waren. Da wirds noch Zeit haben, ehe die so wundersam untereinander gewürfelten Völker von verschiedenen Glaubensbekenntnissen, Ansichten, Sitten rc. friedlich neben einander mit gleichen Rechten und Pflichten leben? Die Türkei wäre dann ja weiter vorgeschritten, gesitteter und gebil deter, als mancher abendländische, christliche Staat! Das giebl nun den guten Freunden und Bundesgenossen der Türkei hinlänglichen Grund, ihren Abzug auS den Ländern des Sultans nicht zu über eilen, selbst für den Fall des Friedens. Zur wirklichen Herstellung dieser Musterzustänve, welche gegenwärtig freilich nur auf dem Pa piere stehen, müssen die Oesterreicher noch, wer weiß wie lange, die Donausürstrnthümer besetz» halten, 40 tausend Franzosen in der Hauptstadt und in den größern Städten der Türkei zurückbleiben, die Engländer verschiedene wichtige Küstenplätze inne behalten. Der ,kranke Mann" muß Wächter und Pfleger haben! In Deutschland tagen gegenwärtig eine Menze Landtage. In Bayern, Wüctemberg, Baden, Hannover, Meiningen, Reuß jüng. Linie berathen die Volksvertreter das Wohl ihrer Staaten. Letzte rer, in Gera versammelt, ist dadurch überrascht worden, daß Fürst Heinrich 67., der seit 1854 regiert, erklärte, er könne das von seinem Vorgänger auf dem Landtage von 1852 vereinbarte Staats grundgesetz nicht in allen Theilen bindend anerkennen, die Grund rechte und das Wahlgesetz müßten geändert werden. Und so wird's, wir wollten darauf wetten, auch werden. Die ehemals freie Reichsstadt Augsburg hat am 4. d. M. ein Fest, wenn es eins war, nämlich das fünfzigjährige — goldene» läßt e» sich kaum nennen — Erinnernnzsfest ihrer an Bayern verlornen Selbstständigkeit gefeiert. Damals, vor 50 Jahren, im Jahre 1806, als das tausendjährige deutsche Reich zusammenbrach, schickten die Augsburger Gesandte nach Paris, um bei dem Allge waltigen, der die Geschicke Europas in seiner Hanv hielt, für ren Fortbestand der alten Reichsstadt in ihrer politischen Selbstständig- > keit zu flehen. Um dem Minister TaUeyrand zu gewinnen, st.eßen : diesem die Gesandten 100,000 Kronenthaler in die Rippen. Talley- , rand nahm das Geld und — kurze Zeit darauf rückten franz. - Truppen unter General Reuö in Augsburg ein und am 4. März » 1806 wuide die Stakt an Bayern übergeben. Napoleon 1. hatte