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Voigtländischer Anzeiger. Siebenundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Ehrlicher AbonnkmentSpreiS für diese- Platt, auch bet Beziehung durch die Post, 1 Thlr. S Ngr. — Die JnsertlonSgebühren werden mit t Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Derhältniß de- Raume-. — Donnerstag. IS 31. Januar 185S. Unsere Realschule n Wenn man einen gebildeten Kaufmann fragt, ob er, unter sonst gleichen Verhältnissen, lieber einen aus den beiden oberen blassen einet Gymnasiums abgehenden, als einen auf einer anderen, nicht gelehrten, Anstalt gebildeten Knaben als Lehrling aufnähmt — er wird sich für den ersteren entscheiden. Woher dies? Cura weil er Latein und Griechisch versteht, seinen Cicero oder Sophokles übersetzt? Dafür geht ihm die Kenntniß des Englischen ganz, und de- Französischen in höherem Grade ab als dem andern, zweier Sprachen, die heutzutage dem Kaufmann unentbehrlich sind? Der Hauptgrund dieser anfangs unerklärlichen Erscheinung liegt in der ganzen Art und Weise, wie der Knabe auf einem Gymnasium ge bildet wird. Da wird nicht Rücksicht darauf genommen, waS der Zögling später im Leben werden will — einerlei, er muß Latein und Griechisch und noch manches Andere lernen, von dem er nicht weiß, ob er es später unmittelbar gebrauchen kann. Weder Lehrer noch Schüler fragen: wozu kann dieser Gegenstand, der gelehrt und gelernt wird, gebraucht werden? Nein, darauf kommt's nicht an, das Ziel ist die fortwährende und gesteigerte Uebung der Geisteskräfte. DieS ist es, was so viele tüchtige Männer bildet, auf die wir stolz sein können, dies ist eS, waS den Ruhm der deutschen Schulen, denen der ganzen Welt gegenüber, auSmacht. Sollten wir das mit den Realschulen nicht auch erzielen kön nen? wird Mancher fragen. Dasselbe nicht, ist auch nicht durch aus erforderlich, AehnlicheS aber wohl. Unser Gymnasium hat seine Schüler 8—10 Jahre, die Realschule normalmäßig 6 Jahre. Wie viele sind eS aber, welche den ganzen Cursus durch machen? wie viele ziehen es nicht vor, gleich nach der Confirma- tion, also mit dem vierzehnten, höchstens fünfzehnten Lebensjahre die Anstalt zu verlassen? Wie ist eS da möglich, auch nur an nähernd das Ziel zu erreichen, das vorgesteckt ist, und welches wirklich mäßige Anforderungen nicht übersteigt? Wer in dem Falle lst, aus eigener Erfahrung über die Anforderungen urtheilen zu können, die eil. gründlicher Unterricht in den neueren Sprachen, tu Mathematik und Naturkunde, in Geschichte und Geographie, neben dem Betriebe der fürs Leben unentbehrlichen Fertigkeiten, an den Fleiß und daS UrtheilSvermögen des Lernenden macht, dem wird eS unzweifelhaft sein, daß zur Erreichung eines genügenden Erfolges die Unterrichtszeit kaum lang genug sein kann. Und nun gehen manche Schüler ab, nachdem sie 4 Jahre lang, in den Sprachen sogar nur 1 oder 2 Jahre hindurch den Unterricht ge soffen haben! zu einer Zeit also, wo durch mehrjährige Bemühun gen der Schule die Fähigkeit zu lernen im Schüler hervor- gerufen ist, eine Fähigkeit, die aber steter Uebung bedarf; zu einer Zeit also, wo eine gründliche Schulbildung, statt zum Abschluß gekommen zu sein, erst ihren wahren Erfolg zu erwarten hat. Der Lehrer bedauert den Knaben, welcher in dieser seiner eigentlichen Enuvicklungsperiode die Schule verläßt; er ist überzeugt, daß eine Fortsetzung der Schulzeit die in ihn gelegten Keime von jetzt an um so rascher zur Entwicklung bringen würde. Und der Schüler! In allen Fächern, ohne Ausnahme, hat er den Grund gelegt zu einem späteren Wissen; denn jetzt weiß er eigentlich nicht- Rechtes, sondern er weiß nur, wie er es zu machen hat, um etwa» Rechtes wissen zu können. Die Gelegenheit, diese Fähigkeit zu be nutzen, wirr ihm entzogen, er verlernt selbst das Wenige wieder, was er gewußt hat, wenn nicht glückliche Verhältnisse es ander» mit sich bringen. Nun meint man diesem Mangel dadurch abhelfen zu können, daß der als Lehrling eingetretene Jüngling die Schule noch al» Hospilant in einigen Stunden besucht. Abgesehen davon, daß die Erfahrung zeigt, wie selbst beim besten Willen von solchen Schülern kaum das Aeußerliche (die Schularbeiten) recht beobachtet werden kann, an Hausfleiß also nicht zu denken sein würde, so sollte man doch bedenken, daß riese paar französischen und englischen Stunden höchstens den Wörtervorrath vermehren können, einen bildenden Einfluß werden sie nimmermehr haben. Lieber sollte man solche Hospitanten ganz von der Schule sernhalten, als sie ein Mittelding zwischen Lehrling und Schüler sein lassen; sie selbst haben wenig oder keinen Vortheil davon. Aeitu«gen Sachsen. Dresden. Am 26. Jannar Abend in der 7. Stunde sprang ein wegen Eigenthumsvergehen angezeigter Haus knecht aus einem Gasthause in Neustadt von der Brücke in die Elbe und fand, bei dem hohen Wafferstande unv Eisgänge, sofort seinen Tod. — Nach einer kürzlich vorgenommenen Vermessung beträgt der Flächenraum der Festung Königstein 5747 Quadrat- ruthen oder 19 Acker und 47 Quadratruthen. Im „Frankenberger Wochenblatt," wird der Schulgemeinde Wiesa, bestehend aus den Gemeinden Ober- und Niederwiesa, eine Belobigung enheilt, weil sie ohne äußere Anregung dem Schullehrer in Vergeltung seiner zehnjährigen ersprießlichen Wirk samkeit nächst einer Gratifikation von 25 Thlrn. auf daS verflossene Jahr eine persönliche Zulage von 30 Thlrn. jährlich vom 1. Ja nuar 1856 an ausgesetzt hat. Gehet hin unv thut desgleichen? Eibenstock, 23. Jan. Gestern feierte die hiesige Schneider» innung ihr 300jährigeS Bestehen durch feierlichen Umzug und ein frohes Zweckefftn. Württemberg. Stuttgart, 25. Januar. In Herrenberg herrscht der krasse Aberglaube, die Bestattung eines Selbstmörder« auf dem Gottesacker führ, Hag,lschlag hsrbei. AlS nun vorgestern Abend der Leichnam eines nicht ortsangehörigen Manne», der sich im Gefängniß daselbst erhängt hatte, beerdigt werden sollte, gab es