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Voigtlän^ischer Anzeiger. FünfundsechSzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher Ab-nnemmtSprelS für diese- Blatt, auch bet Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die Znsertton-ge-ühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zelle berechnet, größere Schrift nach Verhältnis de- Raume-. — Sonnabend. 151, - 23. December 18S4. Friede oder nicht? Nirbt bloß von Berlin aus. woher wir seit langer Zeit fortwährend FrietenSftimmcn v.rnehmen, die sich zur Zeit stets als trügerisch erwiesen haben, sondern auch von vielen andern Seiten aus dem lieben deutschen Vaterlande tönen rn Folge des Bundes von 2. Dec., den Oesterreich mit dem Westen geschlost'N, nichts als liebliche Friedenshofsnungen. Namentlich sind es die Rufsenfreunde, oder wie man sie auch häufig nennen bürt, die „deutschen Ruffen," welche uns ver sichern, Rußland sei jederzeit zum Frieden geneigt gewesen, j-tzt aber, insonderheit aus Rücksicht auf das benachbarte Deutschland, daß es nicht in Uneinigkeit und in »inen lang- wierigen Kneg verwirke n wolle, erst recht geneigt zum Fiie. den, es werde die 4 Garantien annehmen, habe sie schon unverrlausulirt angenommen rc>, und der Beitritt Oesterreichs zu dem Westen s i die sicherste Gewähr, daß es zum Frie den komme rc. — Wir mit uns.rem einfachen Wochenblatlverstande wollen zwar nicht schwarz sehen und bange machen, können aber bei dem besten W Uen die auch in einen» s.hr großen Theile Unserer Leser herrschende S'bnsuchl nach Frieden, und in Folge keien die Friedenshofsnungen leider nicht »heilen. Die Ansicht, Rußland werde aus Rücksicht auf Deutschland die 4 Garanlieen unbedingt annehmen, ist zu naiv und würde zur Heiterkeit zu stimmen geeignet sein, wäre die Sache nicht zu furchtbar ernst. Schwerlich glaubt ein Kind, Rußlands Liebe zu Deutschland könne ersteres bestimmen, Rechte auszugtben, die es durch ein hundertjähriges Streben und Kämpfen alS Brücke zu weiterer Machlentwickelung im Morgrnlande errungen Hal. . . . Aber — meint man — wenn nun auch Oesterreich, nach Ablauf dieses Jahres, seine dunberttausenbe erprobter Krieger gegen Rußland marschiren läßt, wenn endlich auch Preußen und Deu'schland ihre waffenkundigen Sckaaren mit d»n Oester- reichern vereinigen — dann muß Rußland nachgeben, solcher Macht kann es nicht widerstehen. Es wird dann ganz Europa, wie einst gegen Napoleon den Ersten, gegen dasselbe in den Waffen stehen. Dann ist der Friebe vor der Tvüre. Wir Haden alle Achtung vor Oesterreichs Kriegern und Feldherren, wir leben auch brr U«berz»ugung, daß Rußland schon der vereinten Macht Deutschlands nicht we.de zu wi. derstrhrn verwögen, den Westen gar nicht gerechnet; aber wir möchten nicht, daß unser« L.ser von Rußlands furchtbar« Macht geringschätzig dächten. Dia ungeheure Kruft dieses Reichs von fast 70 MilliEnen Menschen ist in «ncm minm. schränkten, lhatkrnftigen Oberhaupt« vereinigt, welches Kaiser und Papst zugleich ist, folglich alle weltliche und alle geist liche Macht ausübt. Sollte wirklich ein solcher Staat und Herrscher zu Kreuze kriechen, ehe er durch mehrere siegreiche Feldzüge dazu gezwungen ist? Auf die bloße Aufforderung hin: „Nimm innerhalb 4 Wochen die Friedensdebinqungen an, oder —!" Das glaube, wer will. Wohl hat Rußland eine lange Grenze zu vertheidigen, denn, wenn es auch noch von Schweden in Finnland angegriffen werden sollte, so er reicht srine Vertheidigungslinie eine Strecke von 400 Mei len; allein gerade in der Vertbeidigung liegt seine un geheure Kraft. Mögen hch Hunderttausend« in seine uner meßlichen Flächen und Steppen versenken, die Bevölkerung ist dünn, d,e Wege sind bodenlos, die entfernt von einander gelegenen Ortschaften bald niedergebrannt; die f.sten Plätze wohl verwahrt, die Lebensmittel für den eindringenden Feind schwer nachzuschaff.n. Rechne man dazu, im Sommer die Hitze, im Wister die Stürme und die Kälte der russischtn Flächen, sowie daß die Bevölkerung leicht zu fanatisiren b. h. durch den Glauben zu erhitzen ist, daß mit jedem Rück zug« ki, Kräfte der V>rtheidiger verstärkt werden, daß Ruß land »ine im Linde äußerst werthvolle, zahlreiche, leichte Reiterei besitzt — warlich, es wird nicht lercht sein, solchen Widerstand zu bewältigen; und Hal der lLzaar wirklich ge sagt: „Im Frühjahre 1855 werden anderthalb Millionen Bajonnele bereu sein, die Feinde zu empfangen!" so dürfte d»e Wahrheit und Gewichtigkeit bies.s Wortes den Angreifern Rußlands handgreiflich werden. Erwägen wir Vorst» h«ndes und rechnen wir noch dazu die ungrheuern Rüstuoaen Ö sterreichs und des Westens, Mächte, die Rußlands Krast und Rüstungen jedenfalls noch beff.r, als wir, zu beurtbeilen wissen, so scheint uns et« Nachgeben Rußlands höchst unwahrscheinlich, ebenso unwahr- sch»inlich aber auch leider.! die Aussicht auf — Frieben! Möchten wir irren! — 8 e L t « n gett Sachsen. Dresden, 19. December. Landtag. Die Erste Kammer Hal noch gestern in «iner Abenksitzung die Dtd Ute über den allgemeinen Theil des O ganisationsgeftyes zu Ende geführt. In der heutigen Vormittagssitzung hat bnselbe zuvöiderst das königl. D»cret, die Verabschi-dung der Eivittlste betreffend, erledigt, indem sie den dessallsigrn D,schliffen der jenseitigen Kimmcr sofort ohne ave Debatte