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Pla neu, t. Januar 1856. Wer doch am vorigen Sonna-end», den -9. Dec. v. )., tu Parts gewesen wärt? An ditstm Tage hielten die kaistrlichtn Garden und die Linien-Jnfanterit-Rtgimenler, die aus der Krim zurückkehr- ten, ihren feierlichen Einzug in die französische Hauptstadt. Triumph bögen, Fahnen und Flaggen, Festessen, Reden, Empfang der Truppen durch den Kaiser, die Prinzen, Minister rc., Defiliren vor Kaiser und Kaiserin rc. verstanden sich dabei natürlich eben so von selbst, wie ganz Paris auf den Beinen war. „Und überall, allüberall, aus Wegen und auf Stegen zog Jung und Alt mit Jubelschall den Kommenden entgegen. Gottlob! rief Kind und Gattin laut, Willkommen! manche frohe Braut," eö wird aber wohl auch, wie in Bürgers Ballade, manche Lenore darunter gewesen sein, für die „Gruß und Kuß verloren war," manche, Lie „frug den Zug wohl auf und ab und frug nach zwanzig Namen, doch Keiner war, der Kunde gab von Allen, die da kamen;" denn die heimkehrenden Krieger haben manchen braven Kameraden an den ungastlichen Gestaden des Pontus verloren. Namentlich hat die Garde zwar glänzenden, aber auch theuern Antheil an allen Kämpfen vor Se- bastvpol genommen. Sie hat am 2. Mat v. I. die mit Ueber- macht angegriffenen Laufgräben verlheidigen, am 22. Mai den Kirchhof einnehmen, am 7. Juni den grünen Hügel (Mamelon) erstürmen helfen; sie hat am 18. Juni den verunglückten, am 8. September den geglückten Sturm auf den Malachvff mitgemacht und in allen diesen Kämpfen über 5000 Mann, genau die Hälfte, darunter 180 Offiziere verloren. Jndeß, alle diese und noch weit größere Menschenverluste hat das rühm- und schaulustige franzö sische Volk vergessen, als es seine tapferen, lorbeergekrönten Söhne, denen die tüchtig abgenutzte Felduniform zu ihren sonnenverbrannten Gesichtern gar schön soldatisch gelassen haben wird, festlich empfing. L'soem el Oircenses, d. h. zu essen und zu gaffen schafft Kaiser LouiS Napoleon seinen Leuten nach Möglichkeit, und Ließ altbe währte Rezept thut seine Wirkung heute noch so gut, wie zur alt- römischen Kaiserzeit. Weit wichtiger sür unS und ganz Europa, als daS kürzlich in Paris aufgeführte kriegerische Schauspiel, ist der unterm 21. Nov. v. I. zuftandegekommene Vertrag der Westmächte mit Schweden. Den Tert haben wir in Nr. 1ä9 v. I. gegeben, die höchst wahr scheinlich vorhandenen geheimen Artikel desselben kennen wir natürlich nicht. Wir müssen mit Homer, dem altgriechischen Dichter, bekennen: Unser Wissen ist Nichts, wir horchen allein dem Gerücht. Tie Mächte, welche den Vertrag abschlcssen, werden schon wissen, was sie damit wollen, wir können uns nur an daS Wenige halten, waS der franz. Moniteur mitzutheslen für gut befunden hat. Und dieses Wenige ist inhaltsschwer genug. Man hatte so eine Art Tecembervertrag, wie ihn Oesterreich vor Jahresfrist mit dem Westen schloß, auch mit Schweden erwartet, eine Zustimmung Schweden- zu den 4 Gewähren, eine Verpflichtung, diese Gewähren, gegebenen Falls, mitdurchsetzen zu helfen. Keine Spur davon in diesem Ver trage! Nicht die geringste Bezugnahme auf tun ganzen morgen- ländischen Streit und Kampf! Ler Vertrag setzt dafür voraus, daß eines schönen TageS auch ein Menzikoff im Palletot nach Stockholm kommen und ähnliche Forderungen, wie seiner Zeit an die Türkei, an Schweden stellen könne, wozu russischer Seit- gegen wärtig nicht die geringste Neigung vorhanden sein dürfte, da Ruß land alle Hände voll zu thun hat, seiner Haut sich gegen die West mächte zu erwehren. Genug, Schweden fürchtet da- Schicksal der Türkei, fürchtet, der mächtige östliche Nachbar werde unter irgend welchem Vorwande, als da ist: für beide Theile vorthellhafte Ge- bietSauStausche, z. B. einer Kifcheretstation im nördlichen Norwegen, in Finnmarken, eine« tue Winter ftSsreG» Hafeut, vielleicht Ham merfest an der Nordsee, gegen Abtretung großer Weideplätze in Lappland re. — weiter und weiter greifen, bi- eS Schweden gänzlich umschlungen, seinen Zwecken dienstbar, vollkommen abhängig von sich gemacht habe. Schweden halt Lie ihm von Rußlanv drohenden Gefahren ur so groß, Laß eS, um vor allen Verführungen, An griffen rc. sicher zu sein, sogar auf einen wesentlichen Theil seiner Landrshoheitsrechte verzichtet und für jeden russischen Vorschlag, der auf Gebietsaustqusch oder Einräumung von Befugnissen an Rußland hinauslauft, sich seiner eigenen, selbstständigen Entscheidung begiebt und solchen Vorschlag sofort an die Westmächte übermittelt. Dieser Vertrag mit Schweden gilt demnach für alle Zukunft und nimmt Schweden und Norwegen in einen fortdauernden Schutz gegen etwaige russische Vergrößerung-geluste im Norden. Er ist vorbeugender Natur; die vorbeugenden Maßregeln, welche auf den vorjährigen Wiener Conferenzen nur daö schwarze Meer betrafen, werden durch diesen Vertrag auch auf die Ost- und Nordsee aus gedehnt. Schweden hat sich von dem russischen Einflüsse losgerisfen und ist neue Verbindungen, und zwar mit dem Westen, eingegangen. Frankreich, das an die Spitze Ler gegen LaS russische'Uebergewicht gerichteten Bestrebungen getreten ist, hat einen neuen, großen Erfolg errungen, hat die alte Freundschaft mit Schweden erneuert. Denn Frankreich und Schweden sind sehr alte Freunde. Im 17. Jahrhunderte war Frankreich mit dem großen Gustav Adolf gegen Oesterreich und später mit Karl XI. gegen Len großen Km- sürsten von Brandenburg verbünret. Nur Napoleon I. zerriß in leidenschaftlicher Uebereilung daS Band der alten schwedischen Freund schaft. König Gustav IV. von Schweden hatte aus Grimm über Leu cvrsischen Emporkömmling, der nicht legitim war, Napoleon I. gereizt, beleidigt. Im Decemher 1804 schloß er nämlich mit Eng land, im Januar 1805 mit Rußland Bund, um Europa vor den Uebergrissen Frankreichs zu sichern. Gleichzeitig trat Oesterreich diesem Bunde bei, und so entstand damals ganz dieselbe Verbindung der vier Mächte, wie jetzt, nur daß damals Rußland, jetzt Frank reich mit verbündet ist. Damals wie heute wurde Preußen zur Theilnahme dringend eingeladen, eS thgt nicht mit, und 1806 folgte dann LaS Unglück von Jena. Als Oesterreich und Rußland bei Austerlitz, Preußen bei Jena niedergeworfen, der Bund der vier Mächte auseinander gegangen war, kam Napoleon l auf den Gedanken, mit Lem im Ganzen noch unbesiegten Rußland sich in die Welt zu theil.n, und gab, im Aerger über Gustavs IV. Unbesonnenheit, die alte Freundschaft Frankreichs mit Schweden auf. Er ließ zu, daß Lie Russen in Finnland einfielen und diese- Land Schweden entrissen. Nun war Schweden, daS früher von Finnland au- auf Rußland gedrückt und Lessen Vordringen in der Ostsee einen Riegel vorgeschoben hatte, in beständige Abhängigkeit von Rußland gebracht; eS mußte, wollte eS nicht gar Null werden, auf andere Weise sich zu ent schädigen suchen. WaS geschah? Der neue, vom schwedischen Volke erwählte König, der französische Marschall Bernadotte, Nater deS jetzigen KönigS O-kar, lehnte sich mit Macht an Rußland an und erhielt zum Lohn für seine Theilnahme am Kampf gegen Napoleon I. Nor wegen. Aber durch diesen Erwerb wurde Schweden nicht wieder das alte Bollwerk der Ostsee gegen Rußlanv, gewann seine euro päische Bedeutung auch nicht wieder, und daS Ende vom Liede war Verlust und wieder Verlust für Deutschland. Dänemark wurde in Deutschland für Norwegen entschädigt, und die deutschen Herzog- thümer Schleswig und Holstein, die nach dem AuSsterben der gegen wärtigen dänischen König-samilie an deutsche Fürsten, an Deutsch-