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Voigtlän-ischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher Abonnementspreis für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die JnserttonSgebühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Dienstag. 113. 26. September 1854. Wie unsere hohe Staatsregiereng die un tern Behörden für Rechtspflege und Der waltung einzurichten beabsichtigt. Das geht Jedermann an, Viele haben wohl auch schon gehört, daß so etwas im Werke sei, das beabsichtigte Wie? aber kennt erst der Tausendste, darum wollen wir es unsern Lesern mitlheilen. Wohl zu merken, daß Nachstehendes noch nicht Gesetz, sondern erst Gesetzentwurf ist, den der nächstens zusammentretende außerordentliche Landtag annehmcn oder ablehnen oder ändern kann oder wird. Zuerst soll nach diesem Plane oder Entwürfe die Patri monialgerichtsbarkeit jeder Art aufhören und an den Staat übergehen. Als Untergerichte sollen künftig be stehen: 1) Gerichtsämter, (was gegenwärtig die Justiz- ämter und König!. Gerichte rc. sind) die aus einem Vorstande, den nvlhigen Actuarien und sonstigem Personal gebildet werden, mit bureaukratischer Einrichtung. 2) Bezirksgerichte, aus einem Vorstande und der erforderlichen Anzahl von Rich tern und Actuarien rc. Sie beschließen bei der Hauptver handlung, bei Einsprüchen gegen Erkenntnisse eines Gerichts amtes in Versammlungen von 5, außerdem, soweit nicht etwas anderes gesetzlich bestimmt ist, in Versammlungen von 3 Richtern. 3) Für die Verwaltung der Polizei, so weit nicht, wie in Dresden und Leipzig, besondere Polizeibe hörden bestehen, sind die Gerjchtsämler und Stadträthe bestimmt. Für die Verwaltung der Polizei in den andern Orten, kleinen Stätten, Marktflecken, Dörfern rc. wo die Städteordnung nicht eingeführl ist und für die das Gerichtsamt zugleich Verwallungsobrigkeit ist, werden Friedensbezirke abge- theilt und Friedensrichter bestellt, die als obrigkeitliche Personen dem Gerichtsamte für den ganzen Bereich seiner polizeilichen und gemeindeobrigkeitlichen Amtsthätigkeit zur Seite stehen sollen. Die Friedensrichter sollen demnach helfen Handlungen verhüten, welche die Sicherheit des Staates und den Frieden stören, die Gefährdung der Sicherheit der Personen und des Eigenthums abwehren, den Tag- und Nacht- wächterdienst beaufsichtigen, im Armenwesen und zur Versor gung und Unterbringung hilfsbedürftiger Personen, in der Aufsicht über Communikationswege und Brücken, Sonntags feier, öffentliche Vergnügungen, in der Handhabung des Gesetzes, den Gewerbb.trieb auf dem Lande betreffend, thätig sein rc. Die Friedensrichter sollen auch das Recht haben, gegen Ungebührnisse und Ordnungswidrigkeiten nöthigenfalls durch Festnahme des Widersetzlichen einzuschreiten, blö zu 5 Thlr. Strafe anzudrohen und einzufordern rc. Jeder solche Friedensbezirk muß wenigstens einen geschlossenen Gemein- debezirk umfassen, kann aber auch sich über mehrere benach» barte erstrecken. Den Kern oder Mittelpunkt eines Friedens- bezirkes soll, wo möglich, ein Rittergut oder anderes Gut bilden, mit dem früher die Patrimonialjustiz verbunden war, dafern es seiner Lage und sonst nach sich dazu eignet. Die Friedensrichter ernennt der König aus einer Liste der hierzu geeigneten Personen. In jedem amtshauplmannschaft- lichen Bezirke wird eine solche Liste durch eine Commission — bestehend aus Amtshauptmann, drei Ritterguts- und zwei Bauergutsbesitzern — aufgestellt. Der gutsherrliche Friedensrichter kann einen Stellvertreter ernennen. Das Amt ernes Friedensrichters ist ein Ehrenamt und wird unent- gelblich verwaltet. Es erlischt durch vorhergegangene drei monatliche Aufkündigung, königl. Widerruf und Kreisdirec- lionsverfügung, letzteres in besonder» Fällen. Dieß der Entwurf der sogenannten „Organisationsgesetze" im Auszuge und in feinen Hauptbestimmungen. Wenn demnach auf dem nächsten Landtage über diesen Entwurf berathen wird, so weiß man, um was es sich handelt. Zeitungen Sachsen. Plauen, 23. Septbr. Heute früh 10 Uhr fand in unserm mit Realschule verbundenen Gymnasium eine Doppelfeier Statt, zu deren allgemeiner Betheiligung vorher eine Einladung durch den Voigtl. Anz. erfolgt war. Sie vereinigte nämlich eine Gedächlnißfeier Sr. Maj. des höchst« seligen Königs Friedrich August mit der Entlassung der Abi turienten. Eröffnet wurde sie mit einem Chorgesange von Haydn. Zwei Oberprimaner, O. Freytag und B. Brückner, beide von hier, trugen darauf deutsche Gedichte vor, welche das jedem Sachsenherzen schmerzliche und unvergeßliche Er- eigniß vom 9. August behandelten. Zwischen eingelegt wa ren zwei Motetten von Gallus und Fischer, in sehr gelungener und ansprechender Weise vom Chore der Schule ausgeführt. Nächstdem sprachen zwei Abiturienten, E. Beutler aus Rei chenbach und E. Braun aus Greiz die Gefühle aus, welche das Scheiden von Lehrern und Mitschülern in ihren Herzen erweckte. Prof. vr. Palm wußte in seiner darauf folgenden Rede die Gebächtnißfeier und die mahnenden Worte der Ent lassung an die Abiturienten vielfach zu einem Ganzen unter sich zu verschlingen und schloß nach solenner Ueberreichung der Maturitätszeugnisse seinen Vortrag mit einem Gebete. Der gemeinsame Gesang des Chorales: ach bleib mit Deiner