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558 Die Zoll-Einnahmen deS Zollvereins in dem ersten Quartal diese» Jahre» ergeben, mit Ausnahme der neu hinzugetretenen VcreinSstaaten Hannover und Oldenburg, von den Eingangs-, AuSgangS- und Durch gangs-Abgaben gegen die Einnabmen des gleichen Zeitraums im ver gangenen Jabre ein Minus von 216,923 Thaler, welches durch eine Mindereinnahme bei'den Eingangsabgaben mit 176,976 Thaler, bei den Ausgangsabgaben mir 6166 Thaler und bei den DurchgangSabgaben mit 33,781 Thaler berbeigeführt ist. Durch die Einnahmen von Han nover und Oldenburg, welche zusammen 342,133 Thaler betragen, ist dieses Minus zwar in der Art ausgeglichen worden, daß im Ganzen noch eine Mehreinnahme von 125,21« Thaler für den Gesammtverein vorlicgt ; indessen steht diese Einnahme -'Vermehrung zu der durch den Hinzutritt der gedachten beiten neuen Vereinsmitglieker eingelretenen Erweiterung des Vereinsgebictes und Steigerung der Bevölkerung nicht im entsprechenden Vcrhällniß. Die Zahl der in England während des am 30. Juni 1854 abgc- laufenen Halbjahres vorgekommenen Eisenbahn - Unfälle wird auf 100 Todte und 110 Verwundete angegeben. Im entsprechenden Zeiträume des vorigen Jahres belief sie sich auf 148 Tobte und 101 Verwundete. In der Nähe von Breslau sind circa 60 Dörfer und Ortschaften mehr oder weniger stark überschwemmt und 29 Dammbrüchc aus der Provinz bereits amtlich gemeldet. Der Schaden an Gebäuden, Vieh, Heldfrüchten rc. läßt sich annähernd nicht angeben, sicher scheint jedoch, daß unsere Provinz einen Schaden von Millionen zu beklagen haben wirb. Beuthen in Oberschlesien, 27. August. Vorgestern in der Nacht ist in unserem bedeutendsten industriellen Etablissement, der bekannten Laurahülte, einer der zahlreichen Dampfkessel zersprungen. Er löblele, eine Mauer zermalmend, sofort drei Eisenarbeiter und verletzte einen vierten derart, daß er nach einer Stunde starb, und noch drx>i andere so bedeutend, daß das fünfte Opfer am gestrigen Lage verschieb und dem Tode des sechsten bald entgegengesehen werben muß. Der siebente, nur burch den ausströmcnben Dampf an den Extremitäten gräßlich ver brannt, giebt Hoffnung zu seiner Wiederherstellung. Der Courricr du Hävre führt als Beispiel einer schnellen Fahrt das wirklich außerordentliche Factum an, daß der von der englischen Negie rung zum Transport eines Regiments Dragoner gemiethele große Dampfer Stmla von der Peninsülar- und Oriental-Eompany den Weg von Eng land nach Konstantinopel in zehn Tagen zurückgelcgt hat. Der Großfürst Konstantin, Kommandant der russischen Lstseestotte. Der Großfürst Konstantin, zweiter Sohn deö Kaisers Nikolaus, ist den 9. September 1827 geboren, er zählt mithin beinahe 27 Jahre. Es ist ein junger Mann mit gebieterischer Physiognomie, trocken und barsch in seinem Wcsen, von mittlerem Wuchs, schlankem aber kräftigem Bau. In seinem Wesen ist der europäische und lanarische Typus aus geprägt, indeß ist letzterer entschieden überwiegend, und hierin unterscheidet er sich wesentlich von seinem Bruder Alexander, dem präsunuiven Thron folger. Der Kaiser Nikolaus bevorzugt augenscheinlich seinen Zweitge- bornen, und man erzählt sogar, bap ihm die Krone be>ummt s:i und daß bereits in den Archiven des Senats eine Abblkationsurkunde depo- nirt sei, kraft deren der Eäsarewitsch zu Gunsten seines Bruders auf den Thron verzichte. Wie Dem auch sein mag, gewiß ist, daß Konstantin sehr ehrgeizig und baß er ein entschiedener Gegner des ErstgcburtsrechtS ist. Er hat mehr als einmal geäußert, daß der Thron nicht dem Ael- testen, sondern dem Würdigsten gebühre, und eines Tage» überraschte ihn einer seiner Vertrauten, wie er auf einer Landkarte Linien und Zeichen machte. „Was machen Ew. Hoheit da?" fragte der Hinzukommende. „Ich zeichne die Grenzen meines künftigen Reichs ; Dieß ist für meinen Bruder," sagte er und deutete auf den Norden, „Das für mich," wobei er auf den Süden wies. Der Name, den er trägt, ist für ihn kein leeres Zeichen, er glaubt sich zum Erben Konstantinopel s berufen und widmet sich mit einem unglaublichen Fleiß dem Studium der Türkei und Allem, was damit verbunden. Als er 1850 eines Tages mit seiner Eskadre vor Helsingfors erschien, ließ er die Prosessorvn ter orientali schen Sprache an Vord kommen und unterhielt sich mit denselben lange in türkischer Sprache. Er ist in der linkischen Literatur unendlich be wandert, kennt die türkische Sprache vollkommen, ist vollkommen mit den politischen, materiellen, finanziellen und sozialen Verhältnissen dieses Landes vertraut und kennt die Geschichte desselben vortrefflich. Seit seiner Kindheit ließ er errathen, welcher Richtung er sich widmen würde. Er entwickelte in seinen Studien einen an s Unglaubliche grenzenden Eifer, und namentlich diejenigen seiner Lehrmeister, welche ihn in den russische Verhältniffe betreffenden Lehigcgcnsländen unterrichteten, wurden durch seine Lernbegierbe förmlich geplagt. Ausländische Literatur, aus genommen die auf orientalische Gegenwände bezügliche, intcressirte ihn wenig ober gar nicht. Der Groysurst Thronfolger Alexander dürfte unter so bewanbten Umständen, namentlich jetzt, wo der Fanatismus der Altrussen aufs Höchste gesteigert ist, nicht geringe Hindernisse zu über winden haben, wenn ein unvorhergeiehenes Ercigniß ihn plö^lich bertesc, den Thron leincr Väter einzuncbmen. Kaum geboren, wurde der Groß fürst Konstantin zum Großadmiral aller russischen Flotten ernannt. Er verfehlte nicht, seine Würde sich zu Herzen zu nehmen, denn noch ein Kind, so eizählen die russischen Hofhistorlker, pflegte er am Bord eines Schiffes zu schlafen und darauf den Herrn zu spielen. Ließ er koch eines Tages seinen älteren Bruder, der ohne seine Erlaubruß an Bord gekommen war, arrcliren. Sparer widmele ^r sich mit dem ihm cigcn- ihümlichen Eifer oer nautischen Kunst, er begleitete die Fivlte auf ihren Exkursionen >m b-ltischen M^er und finnischen Meerbusen und besuchte 1846 Algier und Toulon. Man erinnert sich wobt noch des ausgezeich neten Empfanges, den ihm bei dieser Gelegenheit die Söhne Louis Philipp s bereilclen, und des Ordensaastausches, der dieser berzlichen Begrüßung folgte. Bis zum Jahre 1852 widmete sich der Großfürst Konstantin feinem Berufe nur als -> ilcltant. Zu dieser Zeil erhielt er bei der Manneverwattung eine aktive Beschäftigung, indem er bei dun Fürsten Menschikoff, TitularMinister, als Äkjornl «vas so viel als Ge neralsekretär oder Uiuerslaalssetrelär ist; plaeirt wurde. Sein Erzieher und Lehrmeister war der Admiral Lütke, cm aufgeklärter und ernster Mann. Er war des Prinzen steter Begleiter, leitete seine Ltudlcn, bil- deie seinen Geist. Mehr ols einmal gericth er mit diesem ungestümen, zügellosen Charakter in ernste Differenzen, allein den Ezaren muß nach- gesagl werden, baß er in allen solchen Differenzen stets in energischer Weife die Partei deS Admirals ergriff. Hier ein interessanter Beleg dafür: Eines Tages, als der Grofffürst in der Umgebung Kronstadts mit einem Schiffe kreuzte, wurde er durch das Betragen eines Leichtma trosen so eingenommen, daß er denselben, allen Gegenvorstellungen zum Trotz, zum Ossizier ernannte. AIS Admiral Lütke die Sache erfuhr, tadelte er den Großfürsten scharf, ihm sagend, daß er seine Befugnisse überschritten. Der Prinz fühlte sich durch diesen Tadel so verletzt, daß er seinen Erzieher drohte, ibn beim Kaiser, seinem Vater, zu verklagen. Der Admiral kam dem Lrinzen zuvor. Nikolaus ließ sofort seinen Sohn rusen, und indem er den Tadel des Admirals wiederholte, fügte er bei, daß er denselben um so mehr verdiente, weil der beförderte Ma trose seiner Thcilnahme gänzlich unwürdig sei. Konstantin hörte die väterliche Strafpredigt Anfangs ruhig an, aber plötzlich verließ ihn seine Geduld und er rief: ,,Wlc, ich bin Großadmiral des Reichs, und cs soll mir nicht einmal das Recht zustehcn, einen Matrosen zum Unter offizier zu machen? Wenn dem so ist, bitte ich Ew. Majestät um meine Demission." — „Ich nehme dieselbe an," erwiderte gelassen der Kaiser, „und ich enthebe Sie eines Postens, den Sie übrigens bis jetzt nur nominell einnahmcn, und erkläre zugleich, daß ich Ihnen denselben erst wieder anvertraucn werde, wenn Sie die wcscntlichffe Eigenschaft eines Ehess erlangt haben, nämlich die, Ihre Untergebenen bemtbeilen und sie nach Verdienst belohnen zu können." Dieses Impromptu bildete lange Zeit in Petersburg den Gegenstand der Unterhaltung, man rühmte die Unparteilichkeit des Kaisers und versagte der Festigkeit und dem früh reifen Ehrgeiz des Prinzen seine Anerkennung nicht.