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VoigtlälMscher Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpretS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Lhlr. 6 Ngr. — Die ZnsertionSgebühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Dienstag. AZ. 8. August 18S4. ... " - " Ueber Ausmiethen und Ausdingen Als der Voigtl. Anz. vor einigen Wochen seinen Lesern onzeigte, daß die Redaction in eine andere Hand übergegangen sei, wurde zugleich der Wunsch ausgesprochen, daß von den gebildeten Männern Voigllands im Allgemeinen und Plauens im Besonderen recht Viele am Blatte sich betheiliqen und so zur geistigen und sittlichen Bildung der Provinz ihr Scherf lein beitragen möchten. Ich nehme diese Einladung an und will für diesmal ein paar Worte über Ausmiethen und Aus dingen sprechen. Ausmiethen heißt eine Wohnung miethen, die von dem einen oder anderen Theile zur Zeit weder gekündigt worden -ist, noch gekündigt werden soll. Die Mittel, die der Aus- miether anwendel, um seinen Zweck zu erreichen, bestehen in Wort oder That; er sucht den Vermiether durch Bitten und Vorstellungen oder — was das gewöhnliche ist — durch Bie ten eines höheren Miethpreises für seinen Zweck zu gewinnen und'dies heimlich hinter dem Rücken desjenigen, dessen Woh, nung gemielhet werden soll. Was ist vom Ausmiethen zu halten? Ist es ein erlaubtes oder unerlaubtes, ein ehrenhaftes ober unehrenhaftes Geschäft? Viele werden lächeln bei dieser Frage; sie werden dieselbe für übrrfiüfsig halten. Allein so lange in dem, was erlaubt oder unerlaubt, ehrenhaft oder unehrenhaft ist, nur Viele, nicht Alle eines Sinnes sind oder zu sein scheinen, so lange ist es nicht überflüssig, die Frage aozuregen und zu beleuchten. Was kann der Ausmiether sich oder Anderen zu seiner Entschuldigung oder Rechtfertigung sagen? Ich glaube, nur zweierlei: Jeder ist sich selbst der Nächste und — meine Mittel erlauben mir daS. Darauf entgegne ich dem Aus- mielher: ich will dir gern zugrben, daß du wegen einer Wohnung in großer Verlegenheit warst. Dafür wirst du hoffentlich auch mir zugeben, daß dir Verlegenheit, in die du den Ausgemietheten gebracht hast, eine eben so große, ja eine größere ist, wenn sein Geldbeutel kleiner ist, als der deinige. Wenn du nun meinst, man dürfe das Sprüchwort: Jeder ist sich selbst der Nächste, so deuten und ausbeuten, daß nach demselben Jemandem erlaubt sei, von einer Noth und Ver legenheit sich dadurch zu befreien, daß man einem Anderen dieselbe Noth und Verlegenheit oder eine noch größere be reite, so giebst du uns jedenfalls eine ganz neue Moral zum Besten. Denn mag auch bas Wort deS Dichters: der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt, nicht zur Prosa des Werktaglebens passen, in welchem die Selbstsucht an der Tagesordnung ist, mag es auch als übertriebene Forderung erscheinen, zuerst an den Nutzen Anderer und dann erst an den seinigen zu denken: soviel Rücksicht wenigstens ist Einer dem Andern schuldig, daß man nie, um sich zu retten, einen Anderen preis gebe, nie, um sich einen Vortheil zu verschaffen, einem Anderen emen Nachtheil verursache. Ganz dasselbe gilt von dem Ausding enden, d. h. von demjenigen, der eine in Diensten stehende Person, welche ihr Dienstverhältniß zur Zeit weder aufgegeben hat, noch aufzu-, geben gesonnen ist, hinter dem Rücken der Dienstherrschaft dingt. Beide, der Ausmiether und der Ausdinger, treiben ein unerlaubtes, unehrenhaftes Geschäft, und ich gestehe, daß ich der Obrigkeit die Berechtigung zusprechen möchte, gegen Ausmiethende und Ausdingenbe strafend einzuschreiten, weil sie den Grundsatz: was du nicht willst, daß dir die Leute thun sollen, das sollst du ihnen auch nicht thun, einen Grund satz, auf den sich jede bürgerliche Gesellschaft stützt, in ihrer Selbstsucht schnöbe verleugnen. Was endlich die beim Ausmiethen und Ausdingen be- theiligten Personen anlangt, ich meine den Vermiether und den in Diensten Stehenden, so mag es ihnen allenfalls nicht verargt werden, wenn sie, ihren Vortheil berücksichtigend, auf die an sie gerichteten Anträge eingehen: aber ehrenwerth ist ihr Verhallen, wenn sie die Anträge zurückweisen oder we» nigstens nicht eher auf sie eingehen, als bis sie mit Mieth-» mann und beziehentlich Dienstherrschaft die nöthige Rück sprache genommen haben. Die Kartoffelsucht ist eine weit schlimmere Krankheit als die vielbesprochene und vielbeklagte Kartoffelkrankheit. Bei den vielen trefflichen Eigenschaften der Kartoffel konnte es nicht fehlen, daß man die neue Gottesgabe, welche den wirksamsten Schutz gegen die in früherer Zeit häufig wiederkehrende Hungersnoth ge währte, überschätzte und ihr einen Werth beilegte, den sie nicht hat und der Natur der Sache nach nicht haben kann. Man sah die Kartoffel für ein allgemeines Nahrungsmittel an, welches im Stande wäre, alle anderen Nahrungsmittel zu ersitzen, und ganze Völkerschaften gewöhnten sich, die Kartoffel fast als ausschließliches Nahrungsmittel zu ver wenden. Die traurigen Folgen eine- solchen Mißbrauchs konnten nicht ausbleiben, und wir sehen jetzt mit Schrecken, welches Unheil derselbe in Irland, im schlesischen Riesenge birge und im sächsischen Erzgebirge angerichlet hat und noch immer anrichtet. Lhatsache ist'ö, daß in den Kartoffelgegenden