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Voigtländischcr Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnemmtSpreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Mr. ü Ngr. — Die JnsernonSgebühren werden mit 1 Ngr für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhälmiß deS Raumes. — Sonnabend. AA 5 August 1854. Der Stand der Dinge Anfangs August. Die Zeitungsberichte sind seit einiger Zeit sehr mager, eS fallt auf den Kriegsschauplätzen nichts von Bedeutung vor. Desto fleißiger mag unterhandelt werden. Versuchen wir es demnach, eine Uebersickt der Sachlage zusammenzubringen. Die russische Antwort auf die österreichisch-preußische Auf, forderung, die Donausürstenthümer zu räumen, ist wörtlich noch nicht bekannt geworden. Ganz ablehnend kann ste aber nicht ausgefallen sein, eben so wenig, als daß das mäch- tige, immer noch sehr mächtige Rußland Ehren halber in Folge der Aufforderung seine Truppen auf der Stelle zurück, ziehen konnte. Es scheint, baß Rußland nur abhandeln, bieten und wiederbieten wolle, um, wie der eine Theil sagt, ohne zu großen Verlust von Ansehn aus der Verlegenheit zu kommen, ober, wie die andern meinen, durch Verzögerung Zeit zu gewinnen, bis der Winter herankömml und es in seinen Steppen und hinter eingefrornen Meeren sicher steckt. Ge nug, die deutschen Großmächte, denen der Ueberbringer der russischen Antwort, noch Wien, Fürst Gvrtschakcff, mündlich wahrscheinlich mehr mitgetheilt hat, als in der Antwort stand, gingen auf neue diplomatische Unterhandlungen ein, wodurch eben unsere Behauptung bewiesen wird, daß die russische Antwort nicht ganz ablehnend gewesen sein könne. Nachdem yun die deutschen Großmächte einig geworden über die Art, wie die russische Antwort zu verstehen oder auszufaffen sei, iheilten sie gedachte Antwort vertraulich den Westmächten mit, denen oller menschlichen Ansicht nach dieselbe nicht genügen kann und wird. Denn das liegt auf der Hand, Frankreich und England wollen als Lohn so ungeheuerer Anstrengungen an Geld und Menschen, die sie nicht für die Türkei, sondern für sich und gegen die Uebermacht Rußlands gemacht haben, ganz andere Entschädigungen und Garantieen, als diejeniHen sind, womit Deutschland sich begnügen könnte, oder in Rück sicht auf die unermeßlichen Nachtheile eines europäischen Krieges begnügen müßte. DaS Erfreulichste unter diesen bangen Sorgen ist die Einigkeit Deutschlands. Sämmt. liche deutsche Staaten sind dem preußisch-österreichischen Bunde vom 20. April l. I. beigetreten, selbst die militärischen An. gelegenheiten und Maßnahmen sind für alle eintretenden Fälle verabredet und getroffen. Za, es scheint, selbst dem vor kurzer Zeit gegen Deutschland noch so stolz auftretenken Dänemark'wird schlüßlich nichts anderes übrig bleiben, als sich, nicht blvs für Holstein und Lauenburg, sondern selbst jür den ganzen dänischen Gesammtstaat unter den Schutz des deutschen Bundes zu begeben, indem es dem Bündnisse vom 20. April 1. I. beitritt. Ob und unter welchen Bedingungen man eS aufnehmen würde, steht freilich dahin; aber es steckt zwischen westlichen und östlichen Zumuthungen arg in der Klemme. Wie die Sachen also jetzt zu liegen scheinen, werden die Engländer, Franzosen und Türken ihren Krieg mit den Russen fortführen, Ö sterreich und Preußen und das übrige Deutsch land aber dürften je nach ihren eigenen Interessen selbstständig verfahren, wie sie nun eben in dem gemeinsamen Schutz- und Trutzbündnisse es gegenseitig unter sich verabredet und aus. gemacht haben. Was sie aber verabredet haben und thun wollen, wissen wir natürlich nicht und wird dieß erst die Zukunft ausweisen. Den Westmächten, besonders Frankreich, dürften die spa nischen Wirren recht ungelegen kommen. Man braucht nickt, wie manche thun, anzunehmen, die gegenwärtige spanische Staatsumwälzung sei von Rußland angestiftet worden, um sich durch die Beschäftigung der Westmächte daselbst ctwas Lust zu schaffen, vielleicht auch beide zu entzweien. Es lag Zündstoff genug daselbst vor. Das unverhaltene Bestreben der Königin-Mutter Christine, die Verfassung abzuschaffen, deren unsaubere Mittel, Reichthümer aufzuhäufen und die Bereitwilligkeit des vorzugsweise aus Fremden bestehenden Ministeriums, zu allem diesen die Hand zu bieten, haben end lich den Ausbruch beschleunigt. Zu befürchten ist nur, daß die Nordamerikaner die Unruhen in Spanien benutzen, um ihre Raubgelüste auf Cuba befriedigen zu können. So hat sich, während im Osten der alte Brand fortwüthet, im Westen neuer Stoff zu neuen Wirren und Kämpfen gehäuft, und auch hier droht eine Gluth aufzusteigen, deren Löschung eben so schwierig werden dürfte, als jene im Osten. Hoffen wir, daß beide nicht in einander zusammenschlagen und daß es, sollte dieser jammervolle Fall eintreten, dem einigen Deutsch- land gelingen werde, nicht bloö unversehrt, sondern neu ge. stärkt und gekräftigt daraus hervorzugehen! — 8«itu«Aea. Sachsen. Dresden, 1. August. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute Abend nach München ab- gereist. Plauen, am 31. Jul». Heute Nachmittags verunglückte der 17iährige Schieferdeckerlehrling Sünderhauf mitten in der Stadt dadurch, daß er den mit Schiefer beladenen Hand-