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Voigtländischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Vtrantw örtliche Redactton: vr. G. I U h N. Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, I Thlr 6 Ngr. — Die JnsertionSgebühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Nerhälmiß deS Raumes. — Di-nst-g. HK. 13 3uni 1851. Der jetzige Stand der orientalischen Frage Einer der wichtigsten Abschnitte der großen Frage des Tages geht jetzt seinem Ende entgegen. Die erste Periode seit dem Beginn des feindseligen Auftretens Rußlands wurde durch die Besetzung der Donaufürstenthümer gebildet; die zweite Periode wurde durch den Krieg jener Macht und der Pforte allein ausgefüllt; in der dritten Periode sah sich Rußland drei Kriegführenden Mächten gegenüber. In dem vierten Zeitraum, welcher binnen Kurzem beginnen soll, werden entweder noch mehr Feinde der nordischen Macht gegenüber stehen, oder derselbe wird durch den Rückzug der russischen Armee vom türkischen Gebiete gekennzeichnet wer. den. In dem Momente, daß Rußland gegen die Balkan. Unie zu ziehen beginnt, versetzt es sich in den Kriegszustand mit Oesterreich, Preußen und den anderen Mächten des deutschen Bundes. Aber selbst wenn es dieses unterließe, ist der Friede mit diesen Staaten noch nicht ermöglicht. So lange ein russischer Soldat diesseits des Pruth steht, dürfen sich die deutschen Mächte nicht beruhigen. Sie haben sich verpflichtet, die Integrität der Türkei aufrecht zu erhalten und haben sich mit den Westmächten vereiniget, um die Räumung der Donaufürstenthümer zu verlangen. Verweigert Rußland diese letztere Bedingung, so muß nach einiger Zeit erfolgen, was, falls es gegen den Balkan vorschrille, un, mittelbar sich ereignen würde. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, wie Rußland die Aufforderung der deutschen Großmächte zur Räumung des türkischen Gebiets aufnehmen wird, beschäftigt jetzt vornehm lich die Politiker. Es scheint uns, daß hierüber eine Mei nung festzustellen nicht zu den schwierigsten Aufgaben gehört. Rußland wird die Donaufürstenthümer gewiß nicht eher räumen, bis die hohe Pforte, vereint mit den Westmächten, einen Friedensschluß mit bestimmten Bedingungen an jene rückgängige Bewegung knüpfen wird. Wie die Lage der Dinge jetzt steht, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Rußland als Preis für den allgemeinen Frieden gern seine Truppen aus der Türkei zurückziehen wird, aber sie spricht nicht dafür, daß Rußland, um den Frieben bloß mit den deutschen Mächten zu erhalten, sich zu diesem Schritte ent schließen und nur auf eigenem Boden stehend, die ferneren Angriffe der Pforte und der Westmächte erwarten wird. Der Erfolg der Aufforderung an Rußland hängt somit haupt sächlich von den Entschlüssen der drei gegen diese Macht in Waffen stehenden Regierungen ab. Falls z. B. das Eabinet von St. Petersburg zur Antwort geben sollte, daß es auf die Grundlage des 8tatus ^uo »ntv bellum einen Friedens. schluß unterhandeln möchte, welche Antwort würden hierauf die ihm feindlichen Mächte geben? Das ist in diesem Augen blick der Eardinalpunkt der orientalischen Frage. Nur deuten alle Umstände darauf hin, daß den West. Mächten solche Friedenspräliminarien nicht genehm sein wür. den. Der Zeitpunct war, wo weniger genügte; es kam derjenige, wo nicht weniger wäre angenommen worden, und es ist ein anderer Moment eingetreten, wo der alte Zustand nicht mehr als ein genügender erscheint und wo die-West mächte auf dessen Abänderung zum Nachlheile Rußlands be stehen werden. Vielleicht, daß sie sich heute noch mit der Eröffnung des schwarzen Meeres für alle Kriegsflaggen und mit einer politisch veränderten Situation der Donaufürsten thümer als zufriedengestellt bekennen würden, es ist aber wahrscheinlich, daß diese genügsame Gesinnung — falls sie wirklich besteht — auch nicht von langer Dauer sich erweisen wird. Mit einem Worte, die Räumung der Donaufürstenthümer wird schwerlich eher erfolgen, als die Einigung der West mächte mit Rußland erzielt ist, und da es fast gewiß ist, daß ihre Forderungen und Rußlands Gewähren nicht mit einan der in Einklang können gebracht werden, so müssen wir an. nehmen, daß die Russen sich so lange an der Donau zu be haupten trachten werden, bis militärische Rücksichten sie zu einem Rückzüge zwingen. Mittlerweile dürfen wir annehmen, daß kein diplomatisches Mittel unversucht bleiben wird, um den Entschluß der deutschen Mächte zu verzög^m. Das Ca. binet von St. Petersburg wird unzweifelhaft Dne Friedens liebe plaidiren und die Unmöglichkeit gegenüber der Kriegs» lust der Westmächte seine militärischen Positionen aufzugeben. Mit welchem Erfolge dieses geschehen wird, darüber werden die nächsten Wochen uns den Aufschluß ertheilen. Fettungen Sachsen. Am 8. Juni Nachmittags ist Se. Majest. der König von Preußen, mittelst Extrazugs von Berlin kommend, im strengsten Jncognito in Dresden eingetroffen, wurde da selbst im sächs.-schlesischen Bahnhofe von Sr. Majest. dem Könige und dem Prinzen Johann K. H. empfangen und begab sich dann in Begleitung Sr. Majest. unseres Königs auf der sächs.. böhmischen Bahn nach Bodenbach, um in Letschen mit des Kaisers von Oesterreich Majestät zusammen zu treffen. Im Gefolge des Königs v. Preußen befand sich der Ministerpräsident Frhr. von Manteuffel. Wie aus Bo. denbach gemeldet wird, so waren Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich am 8. Juni Nachmittags