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71. Jahrgang. drill Donnerstag, II. September 1171 Gegründet 1888 Dmdtenlchr«! »achetchl«, D»«»«u Vemlprecher - Sammelnummer : 2S2ck1. Var ,ür «acktaNvrach,: 20 011. Bezugs - Gebühr Nt»»,.»,»»»»» >» V>»»»ta Di» 1>n»„«n wir»«, nach <b»l»mar» »»»»chn»»! »t» »anoaMa» M « Anzeigenpreise: ut,»rdott> «»<PK> Vffrrl»nr,»dükr w Vto Au,w Auttraa» »q«n Vvr< vorauid»,-^! Schnio»nun<, «o L»>np>,»ichan«t>,a« m«rt«»n»» >» ^S/ck2. Druck u. D»«or> oon »It»»Ick » Stetckar»« m Drmben. PoMck-ck-Honw I0as 0r«d«. vockdru-i nm -nti »,u»tck»r vu»ll»n'nnal>» ,Dr-»I»n»r Ilnckr mIM»- Unn-ri-n-I- ScknNNUcki wert»»» nick ,u>v,wndri. se«oxo»./Me Udto tzkTkWkr-f eken un«i ttercis traust man preioven im E»ot»g«»etz>»1 lillk. ksrms Ink.: VI. kollarelt 6k. bernsprvckvr i 18262 rwingvrslr k^»k« 1>0»lpI»A. 13 «0» aeo»«»»,e,»ck» - loi,«»»,- unck ^nstbssicslung 8iliosii6li8ts. 27 Ssmüicls Litsr d-islstsi- OstssiLtisoiis k^oi-^sliLns /<r»tIqui1Ltsr> seis Kgl. Säciis. Sssltr Zeutschnationale und BAlerbuud. Professor Koehsch über die Einstellung -er Aechlsopposilion zur neuen politischen Lage. Son-erverhan-lungen zwischen Slresemann und Brian-. - WeilereAusbreikung -erTyphusepi-emie. - Abschlutz -es lo.Grobhan-elstages. Möalichkeilen -er -rutschen AuhenvoliMi. Berlin, 18. September. Der dcutschnationale Reichstags- abgcordnete Pros. Dr. Hoetzsch, der bekanntlich nach dem Wunsch der NeichSrcgicrnna der parlamentarischen Begleitung »er deutschen VölkerbundSdelegaiion angeliören sollte, auf diese Mission aber verzichtete, besaht sich in einem Artikel mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und erklärt, dah er der Anfang einer Entwicklung sei, in der für Deutschland erheblich« Möglichkeiten, aber auch grobe Schwierig» keitcn und Gefahre» liegen. Deutschlands Vertretung im Völkerbund, schreibt Prof. Hoetzsch, hat eine gewaltige und schwierige Aufgabe vor sich. ES versieht sich ganz von selbst, das, sie nicht mit der Tür ins Haus fallen darf, das, sie das Terrain erst torgllch studieren muh, aus dem uns fast alle Erfahrungen fehlen und auf dem zunächst Kenntnis, Takt und Feingefühl notwendig sind. So ist cs weder notwendig noch möglich, heute schon etwas wie einen Plan der deut schen Arbeit im Völkerbund zu entwerfen, aber d i e Ge sa m t e t n st e l l u n g liegt fest und damit müssen die anderen vom ersten Tage an rechnen. Sie ist, um es noch einmal zu sagen, bezeichnet durch die Worte: Gleichberechtigung lalso zunächst Abbau der Militärkvntrolle und Besatzung, Abrüstung), RcvisionSmöglichkeit gegenüber dem Versailler Vertrag, als dessen Erben mit vollem Recht Dr. Strescmann den Völkerbund bezcichnete, und Minderheitenschutz und Minderheitenrecht. Der Rahmen darüber hinaus: Auch im Völkerbund und dann erst recht bleibt Deutschland der neutrale grobe Staat der europäischen Mitte. der eine Option für den Westen gegen den Osten grundsätzlich und unter allen Umständen ablchnt, der sich im Völkerbund nach wie vor seine besonderen und festen Beziehungen zu Ruhland keinesfalls stören läht, dem sich daraus seine be- sondere Zielrichtung ergibt. Wir haben zu Jubel und Dptimtsmus gar keinen Anlah. aber wir erkennen die grobe geschichtliche Bedeutung dieses Abschnittes nnd Einschnittes an. ,» dem die Entwicklung nun einmal getrieben worden ist. ES wäre zu viel gesagt, gerade für Deutschland erst recht zu viel gesagt, dah nunmehr aktive und erfolgreiche Außen- politik nur in und mit dem Völkerbund gemacht werden könnte. Ter Bund hat seine bestimmten und be sondere» Aufgaben, aber daneben gibt es lehr vieles, was die Mächte auch künftig direkt unter sich erledigen werden müssen. Nordamerika wie Ruhland stehen sa außerhalb des Bundes. Aber daran ist kein Zweifel, eine aktive und erfolgreiche Außenpolitik ist von nun an nur möglich von der Tatsache der Zugehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund aus, innerhalb dieses Snstems von Vertrügen und Pflichten, die eS nun einmal auf sich genommen hat. DaS Lebensintercsse unseres Vaterlandes erfordert cs daher, nicht abseits z« stehen, sondern in dickem nun einmal gegebenen Rahmen zu arbeiten, um unsere deutschnationale Aussasfung oon Deutschlands Lebensnotwcndigkcitc« in Gegenwart nnd Zukunft durchzusetzen. Son-erverhari-lungen zwischen Stresemann un- Brian-? Gens. 18. Sept. Gerüchte, dte hier auftauchen, besagen, das, zwischen der deutschen un- der französischen Delegation darüber verhandelt wird, ob die Besprechungen zwischen Dr. Strescmann und Briand ausführlich gestaltet werden sollen, unh wie die Möglichkeit geschaffen werden könne, dah beide Außenminister ohne Störung durch die Oesfcntlichkeit und die Genfer Verhandlungen die Probleme der Besatzung und der Militärkvntrolle erörtern könnten. Es hetht. dah solche Besprechungen nicht'in Genf stattfinden sollen, sondern dah Dr. Strescmann und Briand am Freitag nach der ersten Sitzuna des neugewäblten Rates Gens verlassen und a n einem anderen Orte zur Aussprache zusammentrefsen würden. Dr. Stresemann würde wahrscheinlich nach dieser Aussprache noch einmal zu einer Ratssitzung nach Genf zurück- kehren. Die Besprechungen zwischen Dr. Strescmann und Briand würden, wenn dieses Programm eingehalten würde mit der Veröffentlichung eines gemeinsamen Kom- muntau^s enden, das die Richtung der dann einsetzenden dinlomatischen Einzclverhandlungen andeuten würbe. Es erscheint zurzeit nicht ausgeschlossen, dah die weiteren Verhandlungen, die eine Entscheidung mit sich bringen, auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden. Zeitlicher Tag im Internationalen Arbeitsamt. Eine Re-e Slresemanns. Einweihung der von Deutschland gestiftete» Monumcntalsenster Gens, 18. Sept. Im Internationalen Arbeitsamt, dessen Hauptcingang mit der schwarz-rot-goldenen Fahne geschmückt war, fand heute nachmittag dte feierliche Einweihung der von Deutschland gestifteten farbigen Monumental, senster statt. In seiner Begrüßungsrede an Retchsminister Dr. Strescmann und die übrigen Mitglieder der deutschen Delegation führte der Direktor des Arbeitsamtes, Albert Thomas, u. a. aus. dah die Mitarbeit Deutschlands im Internationalen Arbeitsamt bereits seit stoben Jahren an- -auerc, nnd dah man sich zu der Art und Weise, in der Deutschland seine Mitarbeit gewährt habe, nur beglück wünschen könne. Sodann ersuchte er Stresemann, sich in das Goldene Buch des Arbeitsamtes eiuzutragcn und mit der Delegation einen Rnndgang durch die Räum« des neuen Gebäudes zu machen. Thomas führte u. a. noch aus, dah man schon zur Zeit des Versailler Vertrages das Uebcr- gehcn Deutschlands, des klassischen Landes der Organisation des sozialen Bersichcrnngslvcscns und der Sozialpolitik im höchsten Sinne des Wortes, von vornherein für unmöglich gehalten habe. Gegenüber den Pessimisten, die Besorgnisse über die Zukunft des Völkerbundes äuhcrten, verwies Thomas aus die Erfolge, die ans seinem Arbeitsgebiet durch dte deutsche Mimrbcit sichcrgestellt worden seien, unbeschadet aller polt- ttichcn Schwierigkeiten, die in der Zwischenzeit durch diese oder jene ViUkcrbnndscntschcidung i» den Beziehungen zwischen Genf und Berlin erwuchsen. Wir begrüßen, sagte Thomas, mit vollkommener Gewißheit und rückhaltloser Freude die Mitarbeit Deutschlands am Gesamtwerke deS Völkerbundes. Dr. Strescmann aniwortete auf die Ansprache von Albert Thomas, indem er voranSschtcktr, dah er dabet znaleich namens des leider ver hinderten RcichsarbcttSministerS Dr. Brauns spreche, den er gebeten Hütte, a»S diesem Anlah hcrznkommcn. Wenn wir hcnic, io sagte Minister Strescmann u. a.. von einer Ratio- naltsierung der Industrie spreche», so ist diese Rationalisie- rung gleichzeitig mit einer Entwicklung verknüpft, die nur nochMilltardenunternehmungen aus der einen Seite und ganz abhängige Existenzen auf der anderen Seite zuläht, wobei ich bei den abhängigen Existenzen gar nicht an die Arbeiter denke, sondern viel weiter hinaus, wo einst das, was uns technisch wetterbrachte, die persönliche Initiative des einzelnen, jenes Kämpfen für das eigene Werk, auch durch Ströme von Milliarden Kapital psychologisch niemals ersetzt werden kann. Deshalb haben dte Staaten in der Zeit dieser Entwicklung die Pflicht, darüber zu wachen, dah nicht eine Entwicklung dieser Art letzten Endes zu einem Fluch der Menschheit wird. In meinen Augen war eS ein Ehrentitel deS Deutschen Reiches, dah es in den Anfängen der industriellen Entwicklung den Gedanke» sozialer Fürsorge als eine der Hauptaufgaben deS Staates hinstellte. ES hat denjenigen Schichten, die versinken muhten, in ihrer persön- ltchen Freiheit und in ihrer Aufstiegsmöglichkeit die Hand dazu gereicht, dah sie nicht versänken. Es war eine der grüß- tcn Aufgaben der Menschheit. Wenn auf diesem Gebiete el« Wettbemerb der Rationen stattfindet, um hier zu sehen, wer das Beste leistet, so glaube ich, eS gäbe keinen edleren Wettbewerb in der Zeit, in der wir leben. Die Zusammenfassuna dieses Wettbewerbs ist ja hier gegeben in den Aufgaben des Internationalen Arbeits amtes. Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten dieser Auf gabe. Dte Autarkie des Staates, der sich selbst abschliehen wollte, ist »m so törichter, je größer die Zahl der Staaten in Europa ist. Auf der anderen Sette siebt der Gedanke der Uebcrwindnng aller LandcSgrenzen durch große Wirtschaft- lichc Gemeinschaften, und zwischen beiden die Frage der Ab- grenzung der naturgemäßen Interessen jedes Lande» an einer blühenden Wirtschaft mit dem sozialen Interesse und der Fttrsorgeaufgabe. In seinen Schlußworten kam bann der Minister auf dte Schwierigkeiten zu sprechen, die der sozialen Aufgabe aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb der Nationen erwachsen können. Es sei notwendig, eine gewisse soziale„Tieslagelinte" ln der Weltwirtschaft zu finden, die dafür sorgt, dah „die Schisse der Völker der Erde unter derselben Belastung fahren". Für das Arbeitsamt im besonderen sprach dann der Minister den Wunsch ans, dah die Intensität der deutschen Mitarbeit noch mehr gesteigert und im Geiste wohlverstande ner sozialer Kameradschaft das Werk vollbracht werbe» AebeMon in -er A.P.D. Die Spaltung der russischen Kommunistischen Partei in zwei feindliche Gruppen, die offizielle Richtung Stalinschcr Prägung und die radikale Richtung SinowtcwS, hat auch in der deutschen Kommunistischen Partei eine Parallelbewegung ausgelöst, dte setzt mit einer überraschenden Kraft an de« Tag getreten ist. Die alte Erfahrungstatsache, baß jeder Radikalismus den Hang zur Selbitzerfleischung in sich trägt» weil es immer Ultraradikale gibt, denen die Radikalsten in der Partei noch zu zahm sind, bestätigt sich wieder in einem typischen Beispiel. Gefördert wurde die deutsche Bewegung durch ihre starke internationale Verflechtung und ihre be sondere Abhängigkeit von der russischen Hauptpartei, die förmlich dazu zwang, die Moskauer Palastrevolution auch im deutschen Parteigebäudc zu wiederholen. Es war seit langem schon offenbar, daß eS auch in der K. P. D. Unzufriedene gab, die mit aller Kraft gegen dte neue, auf parlamentarisch-politische Methoden abgestimmte Revolutionstaktik der Parteileitung ankämpften. Es war das der Kreis um Maslow, Ruth Fischer und Urbahn, die nach wie vor bas Heil des Bolschewismus und dem Sie« der Wcltrcvolution in der bis ins Jahr 1028 unter ihrer Füh- rnng geübten Politik des Aufruhrs, der Putsche und der täg- ltchen Strahenkämpfe sehen. Seitdem auf Geheiß der Mos kauer Zentrale auch in Deutschland der Bruch mit dieser alten Taktik vollzogen worden war, standen diese Führer der alten Garde schmollend im Hintergründe und suchten dann allmählich wieder Einfluß für ihre Person und ihre Idee» zu gewinnen. Die Parteileitung machte mit ihnen kurzen Prozeß. MaSlow „flog" und die schreckliche Ruth wurde in die Verbannung Ins Sowietparadics geschickt. Es gelang so lange Zeit, den Anschein zu erwecken, als ob es sich tatsäch lich nur um einige Außenseiter und notorische Ouerköpfe handle, die durch strenge Maßregelungen unschädlich gemacht worden seien. Unter der Decke aber glomm das Feuer der Unzufriedenheit immer weiter und plötzlich schlagen setzt zur allgemeinen Ueberraschung die Flammen der Rebellion auS dem Dach der K. P. D. Eine linkskommunistische Opposition, vorläufig noch innerhalb der deutsche» Partei, ist an die Oesfcntlichkeit getreten und hat ihren Lebens, und Kampfwillen bezeugt durch ein Manifest gegen die Zentrale, das nicht weniger als 700 Unter schriften führender Persönlichkeiten der Partei trägt. Zu den Unterzeichnern gehören fünf Reichstags-, nenn Landtags- abgcordnete, ein Mitglied der Parteizentrale, zahlreiche Stadtverordnete, Provinziallandtagsabgeordnete und sonstige Funktionäre an ersten Partetstcllen. Es ist also eine offene Rebellion, die eine ganze Anzahl von Bezirken von Berlin bis zur Wasserkante und zum Ruhrgebiete erfaßt hat. Die Unterzeichner der Erklärung geben nach ihrem Namen daS Jahr ihres Eintritts in die revolutionäre Bewegung an, um zu beweisen, daß es nicht die Nächstbesten sind, die -er Partei leitung den Krieg erklären, sondern zum großen Teil alte Veteranen der Bewegung und Führer der Kerntruppen in der Partei, die seit Jahren Im Kampfe stehen. Wenn man annehmen darf, baß dte Mitglieder der von Ihnen vertretenen Organisationen ganz oder auch nur zum größten Teil hinter den Unterzeichneten Führern stehen, so wird die Tatsache un abweisbar, baß eS sich nicht um eine kleine Absplitterung handelt, sondern um den Aufruhr eines großen Bestandteiles der Partei, der die Zentrale zu einer offenen Auseinander setzung zwingt. Der Zusammenhang dieser deutschen Rebellion gegen dte Partetdtktatur mit den letzten Vorgängen tn Sowjetrußland» wo ebenfalls die unentwegte Opposition um Sinoivjew einen VerzwcislungSkampf gegen die Politik der regierenden Mehr heit führt, wird offenbar auS der politischen Plattform de» deutschen Manifestes, das sich eingehend mit der russische» Frage beschäftigt. ES wird darin Bezug genommen auf eine Resolution, dte die Opposition tn der Zentrale der K. P. D. vor kurzem eingcbracht hat. Diese grundlegende Entschließung der Opposition fordert von der Parteileitung dte Rückkehr zum Glauben an dte Wcltrcvolution. sie wendet sich gegen eine Lockerung der Diktatur in Rußland gegenüber der Stadt» und Dorfbourgoisie, sie wendet sich weiter gegen die kapital- freundlichen Konzessionen der neuen russischen Wirtschaft». Politik, weil man dadurch die Arbeiterklasse der ganzen Welt demoralisiere. Schließlich wird DiskussionSfretheit für dte