Volltext Seite (XML)
Allianzvertrog entgegen, und man ist wohl zu dem Glauben berechtigt, daß die Mittelstaaten wie auch die übrigen Bun, desglieder keine andere Absicht hegen, als dem Vertrage Preußens und Oesterreichs sich mit aller Aufrichtigkeit und Entschiedenheit anzuschließen. Sie werden dieß mit voller Bereitwilligkeit thun und im gemeinsamen Interesse alle die Opfer bringen, welche ihr Anschluß an dieses Bündniß ihnen in nothwendiger Consequenz auferlegen wirb. Sie glauben aber dabei beharren zu sollen, daß die bundesgesetzlichen Vor« schriften in correcler Weise beachtet werden, daß die den Bund in seiner Gesammtbeit verstellende Bundesversammlung das beständige verfassungsmäßige Organ seines W-llens und Han. deins bleibe, und baß nicht ein Weg eingeschlagen werde, der unter Umständen zu Folgerungen führen könnte, welche dos Wesen des Bundes wesentlich zu alteriren geneigt sein würden. Frankreich. Aus Paris kommt die Nachricht, daß 60 bewaffnete Flüchtlinge sich in Sarzona auSgeschifft haben, um nach Toskana zu marschiren. Sie behaupten, daß sie Vorläufer einer weit zahlreicheren Ansammlung seien. Ein Dampfschiff geht von Genua mit Truppen ab, um die Flüchtlinge in Empfang zu nehmen. Der Moniteur fügt hinzu, man versichert, daß diese Demonstration einer geheimen Agitation russischer Agenten nicht fremd ist. — Ueber Marseille sind Nachrichten aus Constantinopel vom 10. Mai eingetroffen. Nach Privatmittheilungen von dort, die noch der Bestätigung bedürfen, beschießen die Flotten der Westmächle die Außen werke von Sebastopol, um dieselben zu zerstören. Wiener Blätter melden aus Buckarest: Die Demonstra, tionen der Schiffe der vereinten Flotten konnten nicht die Verrammlung der Sulinamündung von Seite der Russen hindern. Dieselbe ist nun vollständig erfolgt, und selbst Schiffe kleinster Gattung können nicht mehr passiren; auch ist es den Kriegsschiffen nicht mehr möglich, so weit vorzu- dringen, um einen ernsten Angriff auf dle russischen Strand batterien machen zu können. — Die Zahl der in allen russischen Spitälern befindlichen Blessirten, Kranken und Maroden wird auf 20,000 Mann angegeben, darunter sehr viele Offiziere. In Buckarest allein sind sechs Spitäler, von denen zwei einen Belegeraum von je 3000 Mann haben. Die Nachricht von dem Uebergang über die Donau bei Silistria und Turtukai wird täglich und stündlich erwartet. Dann, aber auch erst dann, wird die Belagerung von Si- listria und Rustschuck ernstlich beginnen. Der Kampf um den Besitz der drei von Silistria nächst dem rechten Ufer situirten Donouinseln war mörderisch; die Türken mußten ihre Position räumen, weil ihnen die russische Flotille später den Rückzug abgeschnitten hätte. Man meldet fortgesetzt von der ausgedehnten Beschießung Silistrias seit dem 11. Mai, ohne jedoch Details anzugeben. Bei Giurgewo fanden weitere Uebrrfälle statt; begonnene Brückenarbeitrn wurden von den Lürken zerstört. Prinz Napoleon, der bekanntlich in Constantinopel be- rritß angekommen ist, hat sich bei der türkischen Bevölkerung durch seine Gegenwart bei der Feuersbrunst, die in der Nacht vom 4. auf den 5. in Constantinopel auSdrach, beliebt ge macht. Er und seine Umgebung verließ den Schauplatz des Unglücks nicht eher, bis eö gelang, durch die getroffenen Vorkehrungen sich deS Feuers zu bemeistern. — Beim Sul tan hat ein großes Diner zu Ehren des Prinzen stattgefun den; die Chefs aller Gesandtschaften, die türkischen Minister und alle Muschirs waren zu diesem Festmahle eingeladen. Aus der Ostsee immer noch nichts Neues. Nach Aus sage der Mannschaft eines Fischerfahrzeuges, welches von Degerby (auf Oland) nach Stockholm am 15. Mai gekom men war, hatte die englische Flotte bis zum 13. d. M. noch nichts gegen Oland ober die Festung Bomarsund unternommen, obgleich die englischen Kreuzer überall an der finnischen Küste und außerhalb Hangö sichtbar gewesen sind. Von Wisby (Gvthlanb), 14. Mai, schreibt man, daß am 12. und 13. b. M. von der östlichen Küste her starker Kanonendonner gehört worden sei. Derselbe begann zeitig am 12. Mai. Das Welter war still. Man berichtet, der Kanonendonner sei so stark gewesen, daß der Erdboden dröhnte. Man glaubt, daß diese Kanonade einen Angriff auf Reval bezeichnet habe. (?) — Die Ostseezeitung bemerkt hierzu ganz richtig, daß Reval von Wisby circa 60 geographische Meilen entfernt ist, also ein Bombardement der ersteren Stadt in der letzteren unmöglich zu hören ist. Nach Bericht.n aus Polen wird in diesem Lande ein russisches Armeecvrps von mind.stens 250,000 Mann zusam- mengezogen und die Festungen armirt. In den an der süb- lichen Grenze Polens gelegenen Ortschaften sind einzelne Truppenabtbeilungen bereits eingetroffen. Die Zahl der an- gesaglen Truppen ist überall bedeutend und werden zur Be setzung der Grenzorle die Gardedragoner verwendet. In Krakau war die Nachricht verbreitet, daß die Grenzen des Königreichs Polen und Rußlands für Reisende gänzlich verschlossen werden sollen. DaS Gelreideausfuhrverbot, mit Ausnahme des Weizens, wurde veröffentlicht; die Grenzämter von Polen sind angewiesen, auf der ganzen Strecke der pol nischen Grenzen kein Getreide aus dem Königreiche durchzu lassen. Die letzten Nachrichten aus Kronstadt reichen bis zum 12. Mai und waren bis zu diesem Tage bereits 11 Schiffe angekommen, worunter 2 preußische. Fast sammlliche Schiffe batten jedoch vorher in Häfen des finnischen Meerbusens das Aufgehen des Eises erwartet. Bei Odessa hat wieder eine Kanonade stallgefunden. Ein englischer Dampfer gerieth nämlich )ei Verfolgung eines russischen Kauffahrers im Angesichte deS Hafens von Odessa auf den Strand. Die Schiffe des Blokabegefchwaders eilten demselben zu Hilfe, wurden aber durch die russischen Kanonen in Ausführung ihrer Absicht gehindert, trotz energischer Er- widerung des Feuers. (Nach einer telegr. Nachricht aus Odessa vom 15. Mai in der A. Z. hat sich die Mann schaft deS gestrandeten englischen Schiffes, eines Schrauben, dampfers mit 32 Geschützen, ergeben; Odessa war ruhig). In Odessa ward übrigens rastlos an Wiederherstellung der durch das Bombardement zerstörten Batterien gearbeitet. Die Reste des in Brand geralhenen Arsenals wurden abge. traget, und ein neues Arsenal vorläufig nicht hergestellt. Die neuen Batterien werden mit Geschützen schwersten Kalibers armirt, da sich das frühere Kaliber als nicht ausreichend erwiesen hat. Es heißt, die russische Regierung werde alle jonischen, englischen und französischen Schiffe consisciren. Griechenland. In Griechenland scheint die Regierung nach den vielen Niederlagen, welche der Aufstand erlitten, zu begreifen, daß jede Hoffnung verloren ist, und daß sie die Bahn, die sie betreten, verlassen muß. Der „Beobachter"