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71. Jahrgang, 413 Dienstag, 8. September 1927 Gegründet 1858 DrabtanIldriO; Macdetck,«»» D»«»d«» Nernlveecker - Tammeinummer! 2S 2-K1 Nm lür Nachlaewräckei 20 Oll vom >. dis Id. Sepldr. i!«/ de, !aa»ck «weimalioe, RutteUun, ire> Sau» l.SllMK. Poftdeiuesvret, mi Monai Sevicmber l Mark okne -tzoitiuslellunasgebübr. Einselnummer 10 Pieania Pie Ameisen werden nach Goldmark berechne! die einwalttae KI mm dretie Pia., >ür auswäris M-Pia. jsamilienan,eisen und Stellenaeiuche odnr nickerdalb L Pia., di« M mm drei!« Reklamezelle -Äv -via. Offerienaedüdr DPIa. Ausw. Ruitr-ae aeaen Borausbeiadla. 4ne ein,eisen wer, Anzelgen-Pr-Iie: L.i'LV'.! ounerdald 2S0P>a. Echriitleiluna und .tzaiwtaelchSiissielle! Marienilrahe ^2 Drink u. Verlas von Vtevick» ck Retchardt in Dresden Postlcheck-Konio IOSL Dresden Nachdruck nur Mil deullicher Quelienanaade !.Dresdner Nachr ' luläliis ilnverlanaie Zckriiikiück» werden nick! autbewadri. ^I-8tKl388lg68 fr68t3Uk-3slt lügüeil 4 Isnr-Iss ^ ^ ^6Nö8 8^s: 038 l^3k-k6tt ctsk- /^ttk-3k1iQ^63 alles' Welt ^sagse StvslZs / f?sitbsf>lis1s2lZs rr rrer r'. .eeer ^r.r.....e k' sf IlklWUF Polens „Sicherhetts"-Manöver in Genf. Ein Verzicht -er Völkerbundmitglieöer aus Gewallanwen-ung als Grundlage für Ostpaklverlriige. Was Polen in Genf vorschlagen will. Genf, 6. Sept. Von maßgebender polnischer Seite wird heute zu den vielerörterten polnischen Vorschlägen zum 2lb- schluß eines Nichtangriffspaktes folgende Btiiicilung geniacht: »Die polnische Delegation wird in der Vollversammlung de» Völkerbundes den Antrag zu einer Entschließung ein- dringeu, nach der sämtliche Mitgliedsstaaten des Rundes die feierliche Verpflichtung aus sich nehmen, im Halle von Diffe renzen »ntereinauder nicht zu kriegerischen Maßnahmen zu schreit««.* In dieser Resolution soll jedoch keinerlei Bestimmung librr Sankttonsmafinahmeii oder obligatorische Schteds- gerichtSregelung ausgenommen werden. Die Absichten der polnischen Regierung gehen daraus hinaus, einen angreisenden Staat außerhalb des Gesetzes zu stellen. Diese Resolution soll bei ihrer Annahme als Basis ftir de« Abschluß weiterer internationaler Sicherheits- Verträge dienen. Zweifellos beabsichtigt die polnische Regierung hiermit et» künftiges Ostlocarno mit Deutschlands Einschluß vor- zuberetten. Von deutscher Seite muß nochmals nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß deutscherseits eine Garantie verpflichtung der gegenwärtigen Mestgrenze Polens unter keine« Umständen als DiSkussionsthcma anerkannt werden kan«. Bon offiziöser englischer Sette wirb zu den polnischen Vorschlägen von neuem erklärt, daß die englische Regierung Vorschlägen, ob sie einen neuen Stchcrheitspakt oder lediglich auch nur eine Entschließung darstellen, nicht z u st i m m e n könne, wenn in ihnen nicht in irgendeiner Horm die Gedankengänge des Londoner Protokolls ent« halten sind. Don baltischer Seite wird betont, daß die Randsiaaten keinerlei Verpflichtungen ciugehcn würden, die von der Low- ictregierung als eine Gefährdung der Beziehungen zwischen den Nandstaaten und der Sowjetunion ausgesaßt werden könnten. Das Bestreben der Nandstaaten gehe sogar dahin, mit der Sowjetunion Nentralitätsvcrträge abznschlicßcn. Dieser Weg sei bereits beschritten worden und die Rand- skaaten würben ihn auch weiter verfolgen. Verpflichtungen, die diese Politik Hindern würden, müßten von seiten der Nandstaaten von vornherein abgelehnt werden. * Polen gibt also die Absicht seiner Bemühungen, ans dem Umwege über den Völkerbund zu einem Ostlocarno zu kommen, endlich zu. In französischen Kreisen jedoch glaubt man die Demcnlterversuche zur Beschwichtigung der Oessent- lichkeit noch fortsehen zu sollen. Gens, 5. September. Der offizielle Mitarbeiter des „Petit Parisien" Marcel Rap schreibt heute in einem Genfer Blatt, der polnische Vorschlag eines Nichtangrissspaktes sei bereits auf dem letzten Pariser Kabinettsrat eingehend er- örtert worden. Es handle sich hierbei jedoch nicht um einen Bertragsentwurf ähnlich dem Locarnopakt, sondern vielmehr um eine offizielle Erklärung, nach der die an dieser Aktion teilnehmenden Negierungen sich verpflichten wollten, nicht zu den Waffen zu greifen. Die polnische Negierung werde alö erste diese Erklärung abgebcn, der sich bann die anderen Negierungen anschließen würden. Marcell Nay betonte jedoch, daß diese polnischen Vorschläge voranssichtlich aus der gegen wärtigen Session des Völkerbundes noch nicht zur Erörterung gelangen würden. Sie würden vielmehr auf dem Wege direkter internationaler Verhandlungen zwischen den Kabinetten weiter behandelt und vorbereitet werden. In diese Verhandlungen würde Deutschland cinbczogen werden. Ein Ostlocarnopakt er. fordere mindestens eine ebenso sorgsame und eingehende Vor bereitung, wie der Rhcinpakt. Ein umsrlsierkes Ost-Locarno? Die politische Situation in Gens hat plötzlich für unS ein recht ernstes Gesicht angenommen. Noch bei dem Eintreffen der Delegationen in Genf schien es, als ob diesmal die polt» tische Börse der Außenminister ohne leitendes Thema bleiben sollte. Die große Streitfrage der letzten Ratstagung, die Nheinlandbesetzung, war in geheimen Verhandlungen zwischen Parts und London in einer Horm „gelöst" worden, an der nicht mehr gerüttelt werden sollte, und so stand eigentlich kaum noch etwas Aufregendes zu erwarten. Das wurde mit einem Schlage anders, alö der „Petit Parisien" die sensationelle An. kündigung eines großen polnischen Vorstoßes zur Lösung der Sicherheitsfrage in besonderem Zuschnitt auf die osteuropäi schen Verhältnisse brachte. Damit zerrissen die Schleier, die di« Pariser Politik um die diesmal ganz besonders vorsichtig und sorgfältig getroffenen Vorbereitungen für die Genfer Be sprechungen zu breiten verstanden hatte. Zweifellos kam die als Versuchsballon gedachte Meldung des „Petit Parisien* nicht nur -er polnischen Politik, sondern auch dem Onat d'Orsay taktisch zu früh. Aber auch die eifrigsten Bemühungen der Polen und Franzosen in Gens, die Wirkung der Pariser Sensationsmeldung abzuschwächen, können nicht mehr darüber hinwegtäuschcn, daß Polen mit Wißen und mit Unterstützung der Pariser Politik die Genfer Tribüne zu einem Manöver zu benutzen gedenkt, durch das Deutschland auf Umwegen zu einem Ost-Locarno verpflichtet werden soll. DaS leitende Thema für Genf ist damit gegeben. Möglich, daß die taktische Durchführung der polnischen Initiative anders verläuft, als man es anfangs geplant und als eö der „Petit Parisien* dar. gestellt hatte. Dazu kann einmal die Erkrankung des polnischen Außenministers Zalcski, der in der Vollversammlung de» Völkerbundes am 7. oder 8. September sein fertiges Projekt vortragen wollte, den Anlaß geben, anderseits auch ein gegen einen solchen umfassenden Garantiepaktplan zu erwartender Widerstand Englands. Jedenfalls hört man jetzt von einer polnischen Absicht, lediglich eine feierliche freiwillige Jn.Acht. Erklärung des Krieges ohne Erwähnung von Garantie- und Sanktionsfragen anzuregcn, während anderseits in Genf ein weiterer polnischer Plan diskutiert wird, die Oststaaten mit Einschluß Rußlands zu einer Konferenz einzuladen, in der der Friede tm Osten festgelegt werden soll. Dabei werde es sich Herausstellen, wer der Störenfried tm Osten sei. Auf der. artige Pläne beutet auch eine Aeußerung des polnischen Ge- sandten in Moskau, Patek, hin, der, während sich Polen in Gens zu dementieren bemühte, die Frage eines Nichtangriffs. Vertrages mit Rußland und den Nandstaaten erörterte und dabei erklärte, daß der Nichtangriffspakt für Polen erst dann reellen Wert haben könne, „wenn Europa die ganze pol- Nische West grenze entlang durch derartige Pakte gesichert sein werde". Es muß zunächst dahingestellt bleiben, in welcher Gestalt ichltcßltch die polnisch-französischen Pläne das Licht der Oesfentlichkeit erblicken werden. Eins steht jedenfalls fest, und klar genug hat eS der Moskauer polnische Gesandte aus gesprochen: Ihr Ziel ist das seit langem erstrebte Ostlocarno, daS Frankreich trotz neuer nebelhafter NhcinräumungS- versprechen nicht erreichen konnte, das aber jetzt mit den üblichen Genfer Friedensphrascn erneut und verstärkt in Angriff genommen werden soll. Die unmöglichen deutschen Ostgrenzen sollen ebenso erstarren wie die Westgrenze. DaS einzig und allein den Frieden gefährdende politische Grenz system von Versailles, St. Germain und Trianon soll durch freiwillige deutsche Anerkennung sanktioniert werden in dem Augenblick, in dem sich mit dem Feldzug des englischen ZettungSköntgS Lord Rothermere gegen den Trianvnvertrag mit Ungarn die ersten Anzeichen einer Auswirkung zunehmender Erkenntnis der Unhaltbarkeit deS heutigen europäischen KartenbildeS offenbaren. Und der wortreiche Sachwalter dieser Pläne ist Briand. der WandlnngSfähige, dem man tm Pariser Ministerrat empfohlen hat, die polnischen Pläne gegenüber Dr. Strcscmann zu vertreten, da man ihm den meisten Einfluß aus den deutschen Außenminister zutraut. Briand hat zwar erst vor wenigen Tagen in seiner glänzenden Rede an die Interparlamentarische Union von der papicrnen Grenze gesprochen, die konventionell scstgclegt, geheiligt und unbcrührbar sei. Er hat damals auch betont, daß durch die Locarnoverträge bereits jede Gewaltanwendung an den West- wie an den Ostgrenzen Deutschlands ausgeschlossen fei. Aber die Folgerung aus dieser Erkenntnis, daS Unterlassen jede» weiteren Drängens nach einem Ostlocarno hat er nicht ge zogen. In seiner Unterredung mit Chambcrlain hat er viel mehr den Abschluß eines OstlocarnoS als „im Interesse de» Friedens wünschenswert und praktisch zweckmäßig" bezeichnet. Mrowahlen der Genfer Vollversammlung. Die Nachmillagssihurig des Völkerbundes. Ge«s, k. Sept. Die Nachmittagssihung deS Völkerbundes galt ausschließlich geschäftsordnungsmäßigen Fragen. Die Vollversammlung nahm mit Beifall den Vorschlag des Präsi denten an, den Schweizer Bundespräsidenten Motta zum Ehrenmitglied deS Büros der Vollversammlung wählen. Sodann schlug der Präsident der Versammlung die Bildung de» Bureaus, sowie die Einsetzung der Kommissionen vor. Gegen b Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, um den sechs Kommissionen Gelegenheit zu geben, ihre Präsidenten und ihre Büros zu wählen. Die einzelnen Kommissionen be handeln: 1. juristische Fragen, 2. OrgantsaitonSsragen, 3. Ab- rüstungöfragen, 4. Bndgctfragcn, ö. soziale Fragen und ö. politische Fragen. Zu Präsidenten der sechs Kommissionen wurden gewählt: 1. der japanische Botschafter Adacct, 2. Dandurand (Kanadas, 8. Außenminister Dr. Ncnesch, 4. Sysinga (Hollands, k. Hambro sNorwegcns, 6. N e ck (Luxemburgs. Anschließend erfolgte die Wahl der Bizepräfldentcn der Vollversammlung. Im ganzen wurden 47 Stlnnnzettel abgegeben, davon 2 leer. Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: Scialoja (Italiens mit 43 Stimmen, Briand (Frankreichs mit 41 Stimmen, Chambcrlain (Englands mit 4t Stimmen, Ktrescmann (Deutschland) mit 41 Stimmen nnd Nemours (Haitis mit 28 Stimmen. Zwischen dem österreichischen Dele gierten Meusdorf und dem Portugiesen Vasonccllos fand eine Stichwahl statt, da im ersten Wahlgangc Meusdorf 17 und VasoncelloS 13 Stimmen erhalten hatte. In der Stichwahl erhielt Gras MenSdorf 32 und VasoncelloS 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Somit ist Graf MenSdorf zum 8. Vizepräsi denten der Vollversammlung gewählt worden. Die sechs Kommisstonen treten morgen vormittag nm 13 Uhr bzw. 11 Uhr zur Wahl ihres Büros zusammen. Die nächste Vollversammlung findet Dienstag nachmittag 4 Uhr statt. * Kens. ö. Sept. Die Durchbrechung der traditionellen Sitz ordnung im ResormationSsaal, die heute vormittag eingcsührt und heute nachmittag rückgängig gemacht wurde, bat ver schiedenen Delegationen Anlaß gegeben, Beschwerden und Wünsche vorzubringcn. Diese gehen dahin, für die Zeit bis zur Fertigstellung eines neuen VölkcrbnndSgebäudes «inen Turnus einznführen, der den einzelnen Mächten daS Etnnebmen anderer Sitze gestattet, denn einige von ihnen, darunter Deutschland und England, sind durch die schlechte Akustik und ihre Lage zu den SaalauSgängen dauernd nicht »«erheblich benachteiligt. Die amtliche Mitteilung -er Befahungs- verminüerung. Gens, 5. Sept. Die deutsche Delegation gibt folgendes offizielle Kommunique heraus: Der französische Außenminister hat heute tm Namen der belgischen, britischen, französischen, italienischen und japanischen Negierung dem deutschen ReichS- anßenminister eine offizielle Mitteilung über die letzthin be schlossene Verminderung der Besatzungstruppen im Rhein land«: -»gehen lassen. Briand bestätigt darin die Herabsetzung der gegenwärtigen Truppenstärke um 1 0 000 Mann auf 80 000 Mann, lieber die Einzelheiten, insbesondere über die Erleichterungen, die diese Maßnahme für die Bevölkerung des besetzten Gebietes mit sich bringen wird, ist eine weitere Mitteilung in Aussicht gestellt worden. >» Ein fester Termin für die Zurückziehung der Truppen wurde wieder nicht mitgeteilt. Ferner sind gleichfalls über die weiteren ErlcichtcrungSmasinahmen keine konkrete An gaben gemacht. Somit besteht Uber die Ausführung der von alliierter Seite cingcgangcne» Verpflichtungen trotz aller deutschen Bemühungen noch immer keine volle Klarheit. Man nimmt daher an. daß in den bevorstehenden weiteren Aus sprachen Dr. Stresemannö mit den alliierten Außenminister« die elngelciteten Verhandlungen über die gesamten, zwischen Deutschland und Frankreich schwebenden Fragen von neuem eingehend znr Erörterung gelangen werden. Dabei dürste von deutscher Seite der gesamte Komplex der Rheinland fragen zur Verhandlung gestellt und hierauf die deutsche Forderung auf volle Erfüllung der gegebenen Versprechungen mit großem Nachdruck geltend gemacht werden. E» muß daraus hingewiescn werden, daß die von französisch-polnischer Seite gegenwärtig in den Vordergrund gerückten AbrtistungS- und Gicherheitöprobleme unter keine» Umständen eine ein gehende Klärung der Nhcinlandproblcme in de« Hintergrund drängen dürfen. Zusammenkunft Ehamberlaln - Brian-. Genf, 6. Sept. Im Laufe des gestrigen Abends hat eine Zusammenkunft zwischen Shamberlatn und Briand statt- gesunden. Obgleich über diese Unterredung daS Übliche Still schweigen bewahrt wird, besteht doch Grund zu der Annahme, das, hierbei In erster Linie die zwischen Deutschland und Frankreich schwebende» Fragen, sowie die Aktion der polnischen Negierung zur Herbeiführung eines Nichtangriffspaktes zur Sprache gelangt sind. Eö verlautet ferner, daß in der Unterredung daraus hingcwicsen worden ist, -aß der Vorschlag der polnischen Regierung lediglich alS eine Anregung im Nahmen der gesamten AbrüstnngSdebattc in der Vollversammlung zur Erörterung gelangen könnte.