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Minister ihren Mittelpunkt hat, erwartet die Entscheidung nur von ungeduldigen Schritten. Beide Richtungen konnten sich damit einverstanden erklären, daß der König in Person den Landtag eröffnet. Die erstere hofft davon, daß der Landtag gemäßigter und rücksichtsvoller auftreten werde, die letztere, daß der Könjg, wenn auch dann das Haus seine alte Methode wiederholt, zu entschie deneren Maßregeln geneigt sein werde. Herr v. Bismark spricht sich nicht auS und ist selbst für die auswärtigen Repräsentanten unzugänglicher als früher; da er sehr viel arbeitet, darf man annehmen, daß er etwas vorhat, was über raschend wirken soll. — Die Fractionen des linken Eeutrums und der Fortschritts partei sind wie bisher einverstanden, daß das Haus die Reorganisations-Kosten abzulehnen und also den Streit fortzusühren hat, wie in den vorigen Sitzungen. Nur darin sind sie nicht einig, ob man wieder in die langen Budget-Berathungen eintreten oder der Sache mit der einfachen Forderung, die Regierung solle das Budget-Recht des Abgeordnetenhauses anerkennen, beginnen soll. Für letztere Ansicht ist vie heißblütigere Fortschrittspartei, für die erstere das linke Centrum, das bekanntlich viele Beamte zählt, die einen Bruch mit der Regierung scheuen. Auch denken sie, cs sei nothwendig, den Landtag ein paar Monate sichtbar vor dem Lande zu erhalten. Jener Unterschied in der Taktik ist es einzig und allein, der die Abgeordneten der verschiedenen Fractionen zur Zeit beschäftigt. Bei der Ueberhebung, deren wir jetzt nur zu oft in Preußen begegnen, mag folgender Bericht der „Danz. Zeit." als niederschlagendes Pulver dienen: „Am 11. November ist zu Schweppeln bei Memel der dortige Volksschullehrer Schwarz gestorben. Er war dec Sohn eines Eigenkathners aus Klein-Alexen, Kreis Labiau, hatte seine Ausbildung im Seminar zu Preußisch-Eylau erhalten und sich ein glänzendes Zeugniß erworben. Zuerst im Kreise Labiau angestellt, heirathete er hier die Wittwe seines Vorgängers mit vier Kindern. Diese hat er als braver Stiefvater erzogen, eine Tochter auch, als sie sich verheirathcte, ausgestattet. Vier eigene Kinder kamen dazu, das jüngste ist 2'/^ Jahr alt, und nun ist er, nicht 40 Jahre alt, im blühendsten Mannesalter, wie man zu sagen pflegt, gestorben — unhöflicher ausgebrückt: verhungert. Er hatte nach 20 Jahren Dienstzeit 48 Thlr. Jahresgehalt, eine Kalende von 28 Scheffeln Getreide und ein Stückchen Land, dessen Ertrag kaum die Bearbeitungskcsten deckte. Häufigen Mißernten ausgesetzt, war auch die dießjährige Kartoffelernte schon schlecht genug; nun erfroren ihm noch die wenigen gesunden Kartoffeln, die er, vom Schmutz gereinigt, zum Trocknen auf den Hof geschüttet hatte. Brod und Licht schaffte in den letzten Tagen ein mitleidiger Nachbar; wäre er im Finstern geblieben, die Seinigen hätten nicht einmal den letzten scheidenden Blick aus den brechenden Augen erhallen — auch der war Lettelgabe. Als die Leiche auS dem Bett genommen wurde, fand sich kein Laken, um sie zu bedecken, ein Hemde für den Todten war eben so wenig vorhanden. Die Wittwe und die 4 Kinder waren alle fast nackt, in einem Zustande, der es unmöglich machte, daß sie nur daS Haus verlassen konnten; die Frau trug einen Nock des Verstorbenen. Sie liegt jetzt an der Unterleibsentzündung darnieder, an ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Geklagt hatte der Mann bei Lebzeiten nie." Schleswig-Holstern. Kiel, 7. Januar. Schon seit längerer Zeit kündigten sich Gerüchte an, daß die preußische Regierung einen an den Ufern des Kieler Hafens gelegenen geeigneten Platz für Errichtung einer großen Schiffswerfte anzukaufen beabsichtige. Wir erfahren heute nunmehr aus wohlunterrichteter Quelle, daß die Unterneh mung nur sehr indirect von der preußischen Regierung unterstützt wird, und zwar dadurch, daß dieselbe eine demnächstige ausgedehnte Beschäftigung mit Arbeitern für ihre Rechnung zugesagt hat. Die Unternehmer vertreten dagegen eine in Bildung begriffene große deutsch-englische Actiengcsellschaft. Das zu errichtende Werk wird die Erbauung eiserner Schiffe, auch Panzerschiffe und überhaupt die Herstellung von allen zum Seedienst in großem Maßstabe ver wendbaren Werkstücken rc. zum Gegenstand haben. Für den Umfang der Anlage mag unter Anderm zur Charakteristik dienen, daß das Areal für die Anlage nicht unter 80 Tonnen Land (l9,200 Quadratruthen ---- 64 Acker sächs.) sein darf, und daß nicht allein ausgedehnte Uferstrecken, sondern die Gelegenheit, mehrere Docks anzulegen, gefordert wird. Der definitive Abschluß des Ankaufs wird in den nächsten Tagen erfolgen, nachdem von dem hier bestellten Anwalt der Unternehmer die Verhandlungen dahin geführt worden sind, daß von den sämmtlichen Grundbesitzern in Dorfgarten und in Diedrichsdorf die Forderungen, verbindlich für letztere auf einige Tage, an Hand genommen worden sind. Zur- Entscheidung werden die Hauptunternehmer hierselbst eintreffen. Italien. Turin, 4. Januar. Im Neapolitanischen werden jetzt große Parcellen von Staatsgütern zur Versteigerung gebracht, und die erzielten Preise übersteigen zumeist das Doppelte, uno in vielen Fällen das Dreifache der Schätzungswerthe. Dies hat die jüngst gebildete Gütergesellschaft vermocht, dem Staate außer den schon Unbezahlten 50 noch weitere 150 Mill. Francs vorzustrccken, unv somit von dem ihr durch Vertrag zustehenben Rechte, für 200 Millionen Güter zu belehnen, Gebrauch zu machen. Für die Gesellschaft fällt dadurch ein höchst bedeutender Gewinn ab. Heute fanden zu Bologna und BreScia Volksversammlungen statt, worin Bittschriften an daS Parlament beschlossen wurden für Aufhebung der religiösen Körperschaften, Abschaffung der Todesstrafe und Umwandlung der Güter todter Hand. England. London, 7. Jan. Was die künftigen Zufuhren von Baumwolle betrifft, ist es ganz unmöglich, eine bestimmte Schätzung für daS laufende Jahr mit einigem Vertrauen in deren Richtigkeit zu geben. Wer weiß, wie viel von Amerika durch die Blokade kommen, wie viel in Indien infolge der Finanzkrisis im Innern zurückgehalten sein mag, oder inwiefern der von Bombay, Scinde, Madras und Bengal berichtete Schaden an der neuen Ernte sich bestätigt. Von Brasilien, Egypten und der Türkei (wo die letzte Saison so ungünstig war, daß beinahe die halbe Ernte zu Grunde ging) darf man wohl eine Zu nahme erwarten, kaum so von Indien. Dagegen ist von Amerika eine Ab nahme nicht unwahrscheinlich. Von China und Japan und den geringeren Baumwoll-Ländern mögen die Zufuhren wohl ebenfalls zunehmen. Die Zu fuhren im Ganzen werden aller Wahrscheinlichkeit nach (so weit man ohne be stimmte Daten urtheilen kann) größer sein als in 1864, aber nicht im Ver- hältniß von 1863 zum verflossenen Jahre. Anzeichen fehlen nicht, daß manche Länder bereits an der Grenze der Erzeugungsfähigkeit (mit den gegenwärtigen Mitteln) angelangt sind. So wurde Egypten infolge der Vernachlässigung des Getreidebaues für Baumwollenkultur von fremder Zufuhr abhängig und hat der Vicekönig für nächste Saison die Bebauung von mehr als ein Viertel des Bodens mit Baumwolle verboten. Man betrachtet dieß in Amerika als eine sehr ernste Maßregel, da die nächste Ernte dadurch nothwendig geschmälert wird. In mehreren Gegenden Indiens droht Hungersnoth durch die Aenderung in der Grundkultur. Dagegen muß in Betracht genommen werden, daß der Stock im Beginne dieses Jahres 248,000 Ballen größer ist, als im Anfänge des letzten. Ein großer Theil dieses Ueberschusses kommt ohne Zweifel auf Berechnung des verringerten Jnlandverbrauchcs während der letzten Krisis und muß diese Verringerung nach und nach wieder ergänzt werden. Gegenwärtig schätzt man den wöchentlichen Jnlandsverbrauch auf 35,000 Ballen (gegen 28,000 Ballen in 1864) und da Spinner am Contincnt ihre Vorraths be deutend reducirt haben, rechnet man, daß der Export 2000 rl 3000 Ballen pr. Woche größer sein wird, als das geringe Quantum, welches dieselben unter dem Einfluß der dänischen Frage in dem ersten Vierteljahre 1864 von England bezogen. Die geringe schwimmende Quantität weist für die ersten 3 bis 4 Monate auf sehr bescheidene Zufuhren und ein fortwährend abnehmender Stock wird Preise unterstützen. (Die Baumwolle also noch schlechter und theurer?) Amerika. London, 10. Jan. Nach den vom „Peruvian" überbrachten Nachrichten aus Neuyork vom 3l. December setzte Admiral Porter das Bombardement Wilmingtons fort, während General Butler, weil er den Angriff von der Land seite her für unausführbar erkannte, nach Fort Monroe zurückgekehrt war. — Vom virginischen Kriegsschauplätze war gemeldet, daß General Lee einen Angriff beabsichtige. — Der General der Südlichen wurde durch die Unions-Kanonen boote an der Ueberschreitung des Tenneste-Flusses gehindert. Ma nnichfaltiges. — Ein Dieb, welcher sich selbst bestraft. Man schreibt dem „Mährischen Corr." aus Rossitz: In dem nahegelegenen Orte Tetfchitz wurde ein Diebstahl auf merkwürdige Weise verhindert. Ein Gauner überstieg des Nachts die aus Planken bestehende Einfassung des Hofraumes eines Hauses, um ein Stück junges Borstenvieh zu stehlen. Mit Schwefel versehen, wurde das Thier ohne Geräusch erstickt und aus dem Stalle gebracht. Der Dieb band einen Strick um das Schwein und eine Schlinge sich selbst um die Brust und glaubte so die Planken einfassung auf geräuschlose Weise übersteigen und seinen Diebstahl in Sicherheit bringen zu können. Doch bei dem Uebersteigen des obersten ^-^es mußte der Dieb ausgeglitten und die Schlinge von der Brust zum H e geglitten sein; denn man fand den Dieb todt auf der äußeren Plankenseite des Hofraumss und das Schwein auf der inneren Seite hängen. Landwirthschaftliches. Obwohl jeder sorgsame Landwirth sich beeilt, den ausgefahrnen Stallmist möglichst rasch zu breiten und unterzupflügen, so machen eS die Umstände doch manchmal nothwendig, den Mist auf größeren oder kleineren Haufen eine Zeit lang sitzen zu lasten. Jedermann weiß es, daß der so auf Kegeln sitzende Mist manchmal vom Regen der Art ausgewaschen wird, daß die betreffenden Plätze der Ackerkrume die löslichen Theile massenhaft in sich aufnehmen und dann die sogenannten Gailstellen bilden, welche Lagerfrucht erzeugen, daß manchmal