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Voigtlänbischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Medizin von Advocat C. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Willwe in Plauen. Jährlicher Abonnementspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Insertionsgebühren werden mit 1 Neugroschen für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Mittwoch. 31. Deeember 1845. Etwas über das Verfahren vor dem Assisenhof. (Mitgeth. aus dem Braunschen Rechenschaftsbericht über die Hauplstücke des öffentlich-mündlichen Strafverfahrens u. s. w. s. 76 se^.) In einer der früheren Nrn. d. Bl., wo sich die Red. über das Volksbuch: „Sonst und Jetzt," herausgegeben von vr. Jahn in Oelsnitz, verbreitete, ward zugleich das Versprechen gegeben, daß auch des Rcchenschaftsbericht's in diesen Blattern ausführlicher gedacht werden solle, welchen Hr. Präsident Braun in Bezug auf seine Reise im Sommer 1844, die er zu dem Entzweck unternommen, um das öffent lich-mündliche Strafverfahren mit Staatsanwaltschaft nach französischer und holländischer Gesetzgebung an Ort und Stelle kennen zu lernen, geliefert hat. Der Leser darf frei lich nicht eine Eritik dieses ausgezeichneten Werks in wissen schaftlicher Hinsicht hier erwarten; denn dazu sind theils die Grenzen des Blattes zu eng, thells sind auch die Stimmen, die sieb über die Vortrcfflichkeit dieses Buches anderwärts erheben, zu gewichtig, als daß man sich hier noch bcigchen lassen dürfte, darüber ein Wort zu verlieren. — Nur um einigermaßen das Publikum in das Innere dieses Werkes einzuführen, erlauben wir uns, Einiges daraus zu entlehnen, insbesondere noch dazu veranlaßt durch die Verhandlungen in der zweiten Kammer unserer Ständevcrsammlung, die sich über diese Angelegenheiten ausführlich verbreiteten und sich für die Einführung derselben, wenigstens theilwcisc, erklärten. „Der Assisenhof besteht" — sagt der Hr. Verf. — „a. aus dem öffentlichen Ministerium, welches die Anklage vorträgt und die Anwendung des einschlagenden Strafgesetzes verlangt, b. aus rechtsgclchrtcn Richtern sammt einem Gerichtsschreiber und e. aus zwölf Geschwornen. Die gewöhnlichen Assisen- sitzungen finden alle Vierteljahre statt, doch giebt es auch außerordentliche. Der Präsident des Assisenhofes bestimmt den Tag der Eröffnung der Sitzungen, und dieser Tag wird durch die Zeitungen bekannt gemacht. Die Assisensitzungen finden im Allgemeinen in dem Hauptorte einer jeden Provinz statt, doch giebt es hiervon auch Ausnahmen. — Das Ver fahren selbst vor dem Assisenhof beginnt in der Sitzung zuerst mit der Wahl der höchstens aus 36 und mindestens aus 30 (oder 24) bestehenden Geschwornen. In Gegenwart des Prä sidenten, der Staatsbehörde, der Geschwornen und des Ange klagten, dessen Vertheidigers und des Gerichtsschreibers werden zuerst die Namen der Geschwornen aufgerufen und, insofern Letztere anwesend sind, in eine Wahlurne gelegt. Der Prä sident loost und die herauskommcnden Namen werden durch den Gerichtsschreiber ausgezeichnet. Der Angeklagte zuerst und sodann die Staatsbehörde sind berechtigt, den Geschwor nen, dessen Name auf die genannte Weise aus der Wahlurne hervorgcht, abzulehnen ohne Angabe eines Grundes, ein Recht, das für die eine wie die andere Partei, also für den Ange klagten, wie die Staatsbehörde gleich, bei 36 Geschwornen auf die Zahl von 12, bei 30 auf die Zahl von 9, bei 24 auf die Zahl von 6 jederseits sich erstreckt, da zwölf Geschworne übrig bleiben müssen. Hierauf beginnt die Verhandlung selbst, die eigentliche Untersuchung, und damit tritt die Oeffentlichkeit des Verfahrens in ihr Recht. Der Gerichtshof hat Platz genommen, die Geschwornen ebenfalls, die Verhandlung be ginnt. Der Angeklagte erscheint fessellos, jedoch von Wache vegleitet. Der Präsident fragt ihn nach seinem Vor,-, und Zunamen, Alter, Stand, Geburts- und Aufenthaltsort. Der Präsident fordert den Vertheidiger auf, nichts gegen sein Ge wissen und die dem Gesetze schuldige Achtung zu sagen und sich mit Anstand und Mäßigung auszudrücken. Unmittelbar darauf erheben sich die Geschwornen und der Präsident hält ihnen den Eid vor, den sie zu leisten haben und der folgen dermaßen lautet: „Sie sollen schwören und geloben vor Gott und den Menschen, mit der genauesten Aufmerksamkeit die Anklage und Beweise, welche gegen den Angeklagten werden vorgcbracht werden, zu prüfen, weder zu Gunsten des Ange klagten, noch der bürgerlichen Gesellschaft, die ihn anklagt, zu verfahren, mit Niemandem bis zu ihrer Erklärung zu ver kehren, sich weder durch Haß noch Bosheit, noch Furcht oder Neigung leiten zu lassen, auf Anklage und Vertheidigung sich auszusprechen nach Gewissen und innerer Ueberzeugung mit Muth und Unparteilichkeit, wie es einem redlichen und freien Mann geziemt." — Jeder Geschworne erhebt sodann auf Namensruf die rechte Hand und spricht: „icb schwöre es!" — Sodann liest der Geschichtsschreiber, nach vorgängiger, von dem Präsidenten an den Angeklagten gerichteten Auffor-