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434 nicht unlKz^HWen 'wollte, dek«n seiM Erfassung «rd seine Stelle ward mit einem Manne besetzt, dir sich besser zu finden wußte oder schon als geheimer Anhänger der bisher verboten gewesenen Meinungen bekannt war. So kam denn auch aus letzterm Grunde der I)r Christoph Gundermann (1589) als Pastor an die Thomaskirche in Leipzig. Die kcyptocalvinistische Lehre, die Tochter von Melanchthons mildern, freiem Ansichten, hatte einen voll ständigen Sieg errungen! So schien es wenigstens. Allein unvermuthet, noch nicht 31 Jahr alt, starb der ihr ergebene Churstfürst Christian 1. schon zwei Jahre nachher, 1591, und alle Pläne, welche der mächtige Canzler, Nicolaus Crell, gehabt hatte, alle, mit welchem die von ihm Begünstigten schwanger gingen, sanken in Nichts zusammen! Eine „mit Blut und Etzrä« durchwebte Rearlion" begann schon, ehe noch Christians 1. Leiche in die Gruft der Ahnen gesenkt ward. Es sollte dieß am 24. October (1591) geschehen, und bereits am 23. wurde der Canzler Crell mit seinen ersten Secretarien auf Befehl des streng lutherischen Herzogs Friedrich Wil helm von Weimar, welcher Vormund des noch minderjäh rigen Churprinzen und Administrator des Landes war, fest genommen; es geschah auf Vorstellung des Adels und der Churfürstin-Mütter, Sophie. Doch dieß Alles war stur das Zeichen zu einer allgemeinen Verfolgung gegen jeden Pre diger und Beamten, welche im Sinne des Nicolaus Crell gedacht, gepredigt und gehandelt hatten. Auch der genannte vr Christoph Gundermann in Leipzig entging ihr also nicht. Sich solchem Schicksale zu entziehen, hatte er allerdings schon am 1. Novbr. daran gedacht, die Stadt zu verlassen und sich in seine Vaterstadt Kahla zu bege ben; allein der Leipziger Rath, treu im Sinne der verän derten Staatsgewalt handelnd, sendete ihm zwei gewandte Boten nach, welche ihn zur Rückkehr beredeten, und harrte, bis er nähere Weisung von oben herab erhielt; noch zwei Wochen wartete Gundermann seines Amtes, als ob nichts zu fürchten sei; da brach am 15. November endlich das Ungewitter über seinem Haupte zusammen. Die Thore Leipzigs wurden da am Morgen gesperrt; auf dem Rath- hause kamen die Herren zusammen, welche die Befehle des Administrators von Sachsen zu vollziehen hatten. Mit zwölf Trabanten begaben sie sich nach 9 Uhr in die Amts wohnung des Mannes, der keine Schuld hatte, als die, im Sinne und nach dem Befehle des verstorbenen Chur fürsten gelehrt zu haben, und unter den Mißhandlungen, dem Spotte des Pöbels, kaum aufs Nothdürstigste bekleidet, brachte man ihn in die Pleißenburg. Sein Weib war hoch schwanger; es verging eine Woche nach der andern. Von einer eigentlichen Schuld war und konnte keine Rede sein. Endlich that er, was man wollte; er willigte in die frei willige Entsagung von seinem Amte ein und unterzeichnete den ihm zu sotcheA Behuft Worg^egtett Revers, wvrm er bekannte, durch seine Predigten und Vorlesungen Alt und Jung geärgert zu haben, deshalb aber werlh zu sein, vom Leben zum Tode gebracht zu werden; zeit» lebens wolle er keine Kanzel mit seinen calvinistischen FüHen wieder betreten; nie etwas wider die Augsburgilche Confession und die Concordienformel schreiben und s. f. Nur gegen solche abgezwungene Versprechungen, die er noch eidlich bekräftigen mußte, erhielt er endlich am 20. Mai 1592, also nach Verlauf von sechs Monaten, seine Freiheit wieder. Armer Mann! Es hals dir wenig! Du hattest dein armes, verlassenes Weib trösten wollen und deshalb deine Ueberzeugung verleugnet; ach, sie hatte sich bereits vier Monate vorher vor Jammer und Schmerz, selbst das Ltden geraubt und erhängt! Erst jetzt erfuhr er dieses, nur zufällig, durch die rohen Worte eines Mannes, der mit seinem Kutscher sprach, als man ihn nach Kahla brachte; denn seine Wohnung durfte er nicht wieder betreten, sein Weib, sagte man ihm, wolle man ihm gleich nachsenden. Da übermannte auch ihn sein Schicksal; er siel in Wahn sinn. Die Zeit minderte seinen Schmerz und Gram; er genaß und lebte still und einsam in Kahla bis an sein Ende, sich, statt mit der von Parteienwuth zerrissenen Theo logie, mit der besänftigenden Kräuterkünde beschäftigend. Und sie hat seinen Namen bis auf unsere Tage gebracht. Das Kräutlein Gundermann Kolloraeea 1^.) wächst auf gar vielen Wiesen und an den meisten Wegen jetzt meist still und unbeachtet unter andern Pflanzen; allein es gab eine lange Zeit, wo es in der Arzneikunst eine namhafte Rolle spielte; als Thee, zu Syrup und in noch anderer Art verwendet, glaubte man eine wahre Panacee bei Schwindsucht und Brust- und hundert andern Leiden*) in demselben zu haben, und in den Apotheken ist es daher noch immer der Nachfrage wegen vorrälhig, wenn auch selten wohl noch verlangt. Eher wird es noch jetzt wohl hier und da als Gemüse verwendet. Mag es aber so oder so Jemandem bekannt geworden sein, immer mag er dock dann auch nicht vergessen, wie dieß Kräutlein durch einen Mann zu Ruse gekommen ist, der, gleich vielen seiner Zeitgenossen, in Sachsen ein Opfer theologischen Hasses und Streites und der damaligen Staatsgewalt wurde, denn „ohne gewalt same Mittel kann diese in kirchlichen Dingen nicht resormiren!^' sagt C. C. C. Gretschel in seiner „Gesch. d. Sächs. Volkes und Staates" S. 119 im 2. Bde. (1845) bei dieser Gelegenheit; ein Werk, das bereits wohl allen Lesern d. Bl. hinreichend bekannt ist, hier aber ihrer Aufmerksamkeit neuerdings, wie eS sich gebührt, wiederum ins Gedächtniß zurückgerusen werden darf. *) Das Lerzeichniß davon mag man im großen Zedlc-'schen Uni versallexikon Nachsehen.