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378 CurLoseS aus der Vorzeit. Da sowohl im Vaterlande außer der Kartoffel- krankheit, wovon wir unsere Leser genugsam unterhal ten, außer der Advocatenversammlung zu Dres den, die im künftigen Jabre in Leipzig statlsinden soll, wahrscheinlich weil man dort das Quintenmachen bester ver steht; außer der Literatenausweisung, die die sämmt- lichen Ritter von Federkiel in Bewegung gesetzt hat, außer einigen, wenn nicht ironischen, wahrscheinlich bezahlten oder erkauften Dankadressen in der Leipziger Zeitung an die kon servativen Deputirten des Landes, Hr. aus dem Winkel, bekannt durch seine Schulmeistermotion ä 2 Ngr., u. Cons., außer der Gründung eines conservativen u. reac- tionairen, d. h. der Finsterniß ergebenen Blattes in Grim ma, betitelt sächsisches (?) Volksblatt, wovor jeden guten Staatsbürger Gott in allen Gnaden bewahren möge! — nichts Absonderliches vorgekommen; auch außerhalb Deutsch land bis auf die Motionen in Süddeutschland beziehentlich der Deutschkatholiken, deren Apostel überall glanzende Auf nahme fanden, und bis auf die allgemeine Geld klemme, ein Uebel, das jetzt mit uns die ganze Christen heit gemein hat, — Alles ziemlich ruhig ist, — wenigstens ist es noch nicht, so sehr es auch die Schutzzüllner hofften, innerhalb der 39 souverainen Staaten Deutschlands zu einem Krieg gekommen; — die Franzosen endlich sich noch mit dem Abd-el-Kader Herumbalgen: so glauben wir, im Interesse unserer geneigten Leser zu handeln, wenn wir uns einmal etwas von dem jetzigen Weltschauplatz entfernen und auf die Vorzeit zurückgehen, die auch ihre Histörchen aufzuweisen hat, — denn die Welt war zu allen Zeiten curios; — und uns insbesondere in Beziehungen auf die jetzt an der Zeit seienden Kirchweihen so manches berichtet, worüber jetzt mancher erstaunen dürfte. Wir wollen hier zweier Predigten gedenken über die Kirmes- und Mar- tinsgans und dazu einen Anhang geben, der unsere frühem Behauptungen durchaus bestätigen muß. Unsere Vorfahren nahmen an vielen Dingen keinen An stoß, welche jetzt nun und nimmermehr auf die Kanzel in unsern Gegenden gebracht werden könnten; im Gegentheil suchten die Prediger oft einen Stoff, der zu den sonder barsten Vergleichungen und Folgerungen führte. Selbst sehr berühmte Kanzelredner der Art zeichneten sich dadurch aus und gaben so den minder bekannten Veranlassung, ihr Beispiel nachzuahmen. Da zur Kirchweih-Predigt ein freier Tert gewählt werden konnte und es nicht für jeden leicht war, an einem solchen Tage einen passenden zu finden, so darf es uns nicht wundern, daß die beim Kirch- meßschmauße eine Hauptrolle spielende fette Gans ihrem Scharfsinn ebenfalls Stoff bot, was dann nicht minder aus demselben Grunde am Martini tage der Fall war, wenn! an diesem Tage gepredigt wurde. Es mag daher dieselbe^ oft auf der Kanzel eine Rolle gespielt haben, ob sich schon natürlich wenig solche Predigten erhalten konnten. Einige aber wurden doch gedruckt und gelten nun als literarische Curiositäten vielleicht noch hier und da. So hielt z. B. der Pfarrer Joh. Junghanß eine solche am 11. Novbr. 1645 in Cöstritz, welche im folgenden Jahre zu Gera 5^ Bogen in 4. herauskam- und den Text a. d. 5. B. Mos. 14. Cap., 11 — 20. V., behandelte. Der Titel lautet: „Vusvr Nartiniauurii oder Mantins-Gans, aus heil, göttl. Schufst, auch anmuthigen Historien, nach allen ihren Tu genden und Lastern anatomiret und zergänzet, und einer christl. Gemeinde zu Cöstritz am Tage Martini den 11. November 1645 mit gottesfürchtigen Augen des Herzens zu beschämen vorgesetzt und verehret rc." Im Eingänge spricht der gute Mann vom Geschrei und Fluge der Vögel und der daraus entnommenen Wahrsagerei, bis er dann auf den Marlinitag kommt und er nun seine lieben Zuhö rer „zu einer Martens-Gans bittet," „dieselbe anatomiret und zulheilet und anzeigt, was wir bei einer Ganß christ lich zu lernen haben." Er betrachtet die Gans „I. In vita, lm Leben, II In Norte, im Tode" und beschreibt nun 1) I. ihre „Virtuters, ihr Tugenden," sowie er dann 2) „ihre Vitia, ihre Laster, zu fliehen und zu meiden" lehrt. Fünf Tugenden weiß er der lebenden Gans nach- zurüymen, unter welchen ihre „iVaturaiis« ^rucieutia, eine natürliche Beschlagenheit," nicht die geringste ist. Dagegen aber hat sie auch drei „ Vitia," 1) Waschhaftigkeit, 2) viel Trinken, und 3) Gefräßigkeit. Wie er sich über die Gans im Tode äußert, wollen wir nun nicht auch noch ausheben; genug, daß der Mann zu seiner Zeit seine Predigt mit großem Verfalle gehalten haben muß, sonst wäre sie nicht im folgenden Jahre zu Gera gedruckt werden, und wie lange solcher Geschmack verhielt, ergiebt sich daraus, daß 50 Jahre später eine „Kirmeß-Ganß," 1597 herauskam, „was sie für Tugenden an sich hat, wie dieselbige eingesetzet und gemästet, ingleichen wie sie gebraten und zugerichtet wird" rc. rc. Eine zweite Auslage erschien 1729, in 2 weitläufig gedruckten Bog. 8., weil die erste „ziemlich rar geworben," und zeigt, daß auch da noch solcher Geschmack nicht selten war. Das Ganze bietet eine Kirmeßpredigt, worin „von der fettgemästeten Kirmeß-Ganß" gehandelt wird, indem „dabei des kleinen Zachäi nicht zu vergessen." Der letztere wird in seinem unbekehrten Zustande mit einer „unersättlichen Freßganß" verglichen, und eben so ist seine Bekehrung motivirt; gleichwie „die Ganß wegen inner licher Hitze oft zum Wasser läuft, also eilte auch Zachaus, da er die Zornhitze eines aufgewachten Gewissens spürte," auf den Maulbeerbaum zu kommen. Zuletzt wird er noch „aus einem diebischen Raben eine nützliche Schmalzganß; er gab das unrechte Gut wieder," In vier an sich ver schiedene Theile zerfällt die ganze Predigt, daß zuletzt „nur