Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.10.1930
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19301020014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1930102001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1930102001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-20
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.10.1930
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VeetlicheS un- Sächsisches „Sch habe einen Vogel" „Guten MorgenI" grüße ich höflich die beiden Frauen, die im Treppenhaus emslgltch debattiere». Der Gegengrub ist mit einer eingehende» Musterung meine» Aeußeren ver knüpft. Aber bas stört mich nicht: ich btn'S gewöhnt. Dach aus einmal spitz ich das Ohr: „Der hat ja n Bvgell — Wenn -er halwege Heit hat, da rennt er in de Heide — ganz alleene!" So hör ich's deutlich hinter mir hertratschen, als ich nun in meiner Wanücrklust die Treppe htnuntcrschreite. Ich lächle — und als mich dann nach kurzer Straßen- -ahusahrt die Heide aufntmmt, freue ich mich — meines Vogels. Wie leuchtet das bunte Laub der Buchen im Gold der Herbstsonne, wie funkelt der Tau im Grase, blitzend wie Demantscheinl Der Häher kreischt — da huscht ein Eich kätzchen scheu am Stamme der Kiefer hoch und dort oben ist der Buntspecht fleißig an der Arbeit. Und drüben, am Rande -er Schonung, Rehe — zwei — drei! Und weiter wandere ich hinein in die herrliche Heide, sonnige Flügel kreuzend, einsame Pfade; bis ich oben stehe aus dem Dachscnbcrge und hineinschauen kann ins weite Land — hinüber nach dem Keulenberge, der sich in blauer Ferne wohlig streckt. Da fühle ich wieder alle Sorge von mir weichen, alles Schwere; fühle, wie immer, die Hetlkrast der gütigen Mutter Natur. Und ein leises Bedauern steigt in mir hoch mit denen, die — keinen Bogel haben, wie ich. Die keine Ahnung haben, Laß es einen Dachsenberg, einen Erzbcra gibt in der Dresdner Heide, eine Brille, eine krumme Neun, Wasserfälle, Steinbrüche, Felsen; daß in mondheller Herbst - nachl der König der Wälder sein Liebeslied erdröhnen läßt, daß der Winter die Heide wandelt in einen Märchcnwald und daß dort die Sonne tausendmal schöner untergeht als in der Steinwüste der Großstadt. „Ich habe einen Bogel" — es wäre gut, wenn ihn viele Menschen hätten! l.. VV. Sie Milllonenklape »er sSMchin Metall- tnönstrtellen vor »em ReWarvritSgerM In dem Schadcnersahprozcß des Berbandes Sächsischer Metaliindnstrieller gegen den Deutschen Mctallarbcitervcrband and dessen Dresdner BezirkSlcitcr Tcichgräber hat das KcichSarbcitSgericht in Leipzig am Sonnabend die Klage, soweit sie sich gegen den Deutschen Metallarbeiter- aerband richtet, endgültig abgc wiesen, soweit sie sich jedoch gegen den BcztrkSleiter Teich gröber richtet, an daS Berufungsgericht z u r ü ck g e w i e s e n. Die Melalltndnstrtellcn hatten von dem Deutschen Metall arbeiterverband »nd dessen Dresdner BezirkSlciter Teich- Gräber einen Schadenersatz von 2,8 Millionen Reichsmark ge fordert, weil während des Kampfes »m die Arbeitszeit in den Sächsischen Mctallwerken im Frühjahr >928 unter Ver letzung der gebotenen FriedenSpsltcht Strcikgelder gezahlt worden seien. Durch diese Streikunterstützung seitens des Mctallarbeticrverbandes seien die Stahlwerke in Riesa und in Döhlen um den obengenannten Betrag von 2,3 Millionen Aciclismark geschädigt worden. Das Landcsarbeitsgericht Dresden hatte die Ansprüche «egen den Hanptverband abgewiesen und auch eine Haftung ieS mitbeklagten Dresdner BezirkSleiterö Tcichgräber ver neint, da die Wcrksleitnngcn in Beantwortung geringer TcilstreikS zur GesnmtanSspcrriing geschritten waren. Bet -er neuerlichen Prüfung des Sachverhalts wird das LandeS- arbeitsgertcht gemäß den ihm erteilten Richtlinien zu unter- imben haben, ob ein Verschulden des Bezirkslcttcrs vorliegt und ob dieses Verschulden zu einer Verzögerung in der Be- mdigung des ArbeitSkampses initgcwirkt hat. Schließlich wird auch die Frage zu behandeln sein, ob ein mitwirkendes Verschulden ans Arbeitgebers«.'!!? vorliegt insofern, als die Aussperrung etioa vorzeitig verhängt worden ist. — Die Beratungen der Ev.-luth. Landeösynode beginnen nn DicnStagnachmittag 2 Uhr im Krcuzkirchensaale in Dresden. — AuS dem Untersuchnngsansschnß des Landtags. Der gir Untersnchnng der Vorgänge bei der Steuererhebung in Sachsen in der letzten Landtagssitznng gewählte Unter- nichimgsauSschuß wählte z» seinem Vorsitzenden de» Nbg. bdcl jSvz.l und zum stellvertretenden Vorsitzenden den Abg. Kaiser <WP >. Zu Schriftführern wurden die Abg. Schneider lNatsoz.s und Siegel tKomm.s, zum Berichterstatter Nbg. Neu tSoz.l und zum Mitberichtcrstattcr Abg. Entcrlein lWP.j ernannt. — Eine vssentllche Augnstana-Fele« veranstaltet die Ortsgruppe Dresden der Allgemeinen E v a n g. - l u t h. Konferenz tunte Montag st Mir im BerctnShausc, Nmuionstr. st. Landcsbitchos ft. l, in e I s bat die lf'rüssnungsansvracbc übernommen. Der Posa»- iieinbor unter Leitung von Pfarrer Ad. Müller wirkt mit. Den Fcst- twrtrag bält NninersitatSproscssor N- Dr. Bollrath ans Erlangen über daS Thema: „Christliche Ritterschaft tm Bekenntnis der Re- iormation." «lim das Weil im RtWwtimnrrß Protestkundgebung -er Dresdner Deutschnationalen Die Deutfchnattonale BolkSpartet, Orts gruppe Dresden, hatte zu einer Protestkundgebung gegen daS Urteil tm Retchswehrprozeß ausgerufen, die so star» kes Echo in der Bevölkerung fand, daß der Saal des Logen hauses schon lange vor Beginn der Versammlung überfüllt war. General von Falkenkausen begrüßte unter stürmischem Beifall der Versammlung dir Redner. Er erinnerte daran, daß heute vor 117 Jahren die Entscheidungsschlacht bet Leipzig geschlagen worden sei. Die Deutschnatlonalen hätten nie Heeresfragen in politischen Ver sammlungen behandelt, weil sie der Ansicht gewesen seien, daß das Heer von Politik ferngehalten werden müsse. Nach dem aber das Reichswehrmintstcrium es für gut befunden hätte, den Leipziger Prozeß ins Rollen zu bringen, müsse auch bas nationale Deutschland zu den Vorgängen tm Heer Stellung nehmen. Unser altes Heer sei von politischen Ein flüssen frei geblieben, weil es ein Volksheer gewesen sei. Unsere Reichswehr drohe eine Prätorianernarbe zu werden, weil man in ihr die alte» Soldatcnideaie systematisch zu zer stören suche. Rechts winke heute die goldene Uhr und linkö das Reichsgericht. Der Wehrmtnistcr rede von unbedingter Disziplin, aber er spreche nie von Vertrauen. Disziplin ohne Vertrauen aber sei Kadavergehorsam. Unter lebhaftem Bei fall der Versammlung schloß der Redner mit der Aufforde rung, mitzuhelfcn, daß das Heer, auf dem nationalen Gedan ken fußend, die zuverlässige Stütze des Staates bletbe» könne. " Der Verteidiger der Ulmer Offiziere, Rechtsanwalt Dr. Sack. schilderte zunächst an Beispielen aus der Geschichte, wie i» Zeiten der Zersetzung die Gutgesinnten immer vvn einem Scherbengericht bedroht seien. Die Ulmer Offiziere seien 1923 in die Reichswehr ctngetretcn, als das Reich dem Chaos cOiheimzusallen drohte. Sic hätten nichts anderes getan, als in das Heer ein bißchen nationalen Geist zu bringen. Sie hätten mit «»sehen müssen, wie der Kurs in der Reichswehr nach der Absetzung Sceckts sich immer weiter nach links verschoben hätte. Sie hätten weiter sehen müssen, wie die Reichöwehrkapclle vor einem politischen Dcmonstrattonszug in Zivil ging. Bet einem Antifaschistcntag sei die Reichs wehr svgar gezwungen morden, ihre Uniform zu verbergen. Auch die Wache sei etngezogen morden. Kein Wunder, baß die jungen Offiziere in einen inneren Konflikt gerieten» zumal sic einsehen lernten, daß das Heer selbst zu schwach sei, die Grenze zu schützen. Sic mußten alsv sich Gedanken machen, daß sie tm Falle eines Polenctnsallcs Reserven brauchten. Die kvnnten sie aber bei der pazifistischen Zer setzung der Linken nur von nationalen Verbänden be komme». Nun hieß cs zur Zeit des Volksbegehrens, Hitler wolle einen Putsch machen. Da es selbstverständlich für Offi ziere schmerzlich gewesen sei, ans die ihnen gcsinnungSmäßig Nächststchenden zu schießen, sei Schertnger nach München ge fahren, um Erkundigungen über die Putschgerüchte bei der zuständigen Stelle einzuzichcn. Dort habe man ihm gesagt, die Nationalsozialisten dächten nicht daran, die Reichswehr zu zersetze». Ebensowenig dächten sie an einen Putsch. Ein harmloses Gespräch, das die beiden mit dem Leutnant Westhof geführt hätten, sei vvn diesem an die nächste Stelle weitcr- gemeldct worden und von da durch viele Instanzen bis zum Generaloberst Heye gedrungen. Ihm sei das Gcsvräch so ge schildert worden, daß der Entwicklung nach links von oben ein Kurs nach rechts vvn unten entgegengesetzt werden müsse. Nim kam es zu einer Untersuchung. Heye hat selbst dabei an erkannt. daß Schertnger an nichts Böses gedacht habe. Er sei ernstlich ermahnt und zu dret Tagen Arrest verurteilt wor den. Derselben Ansicht sei ja Oberst Beck gewesen. Aber er sei übergangen worben und habe die Angelegenheit erst zu spät erfahren. Daraus sei zu entnehmen, daß eine Kluft zwischen Front «nd Oberster Heeresleitung bestehe. Schertnger habe seine Pflicht so aufgefgßt, daß daS Heer die Grundlage für die kommende Wehrmacht bilden müsse. Man hat ihm darauf in Leipzig entgegnet: „Wie können Sie als junger Leutnant cs wagen, Ihre Dienstvorschriften auszulegen?" Durch ein Gespräch Lndins mit dein Leutnant Fürsscn hoben die obere» Stellen den Verdacht gefaßt, es handle sich um nationalsozialistische Zellengebilde. Das sei aber ein Phantom. Schließlich habe man die beiden tüchtig sten Offiziere des Obersten Beck bei einer Besichtigung an geblich aus Geheiß des Neichswehrministers durch Anordnung des Untcrsnchnngsrichters verhaftet. Erst dg erfuhr der Oberst von den Vorgängen. Der Redner gab dann drastische Bei spiele für die unerhört rigorose Art, mit der der Unter suchungsrichter die einzelnen Zeugen verhörte und sie außer dem noch durch Aktenvermerke verdächtigte. Deshalb müff« generell bte Forderung ausgestellt werden: Weg mit der Borunterfuchuus. Das Reichsgericht dürfe ferner in solchen Prozeßen nicht mehr letzte Instanz sein, weil die Gefahr der psychologischen Verkennung der Tatbestände bei Richtern, die durch lange Jahre als oberste Instanz Recht sprechen, sehr nahe liege. Dem ReichSwehrmtnister müsse man danken, daß er uns Ge legenheit gegeben habe, zu erfahren, wie es in seinem Ressort anssche. Man müsse fordern, daß der Geist, der dort herrsche, beseitigt werde. Haben wir Wehrethik, haben wir einen natio nalen Geist tm Heer, dann kommen wir auch zu einer starken Außenpolitik. Hier müsse jeder einzelne mithelfen. Stür mischer, langanhaltender Beifall dankte dem Redner. Als zweiter Redner sprach Redakteur Kühn Uber die politischen Auswirkungen des Prozeßes. Der Begriff Vaterland sei dank der Koalitionen von verschiedenster Parteifärbung, je nachdem ob Herr Wirth, Se- vering oder ein anderer Parteimann an der Spitze stehe. In sehr scharf pointierten Ausführungen gab der Redner unter stürmischer Heiterkeit der Versammlung ein Bild des Ver folgungswahns, der die heutigen Partciregterungen be herrsche. Meist genüge ein Brief der republikanischen Be- schwerdestelle, und alle Puppen begönnen zu tanzen. Ein preußischer Laudrat, der Unterschlagungen seines sozialdemo kratischen Vorgängers ausdeckte, sei von seinem Vorgesetzten zur Rede gestellt worden mit der Bemerkung, er hätte nur dann richtig gehandelt, wenn der Ertappte ein Deutschnattona- naler gewesen wäre. Aus einer solchen Atmosphäre sei der Prozeß gegen die Netcliöwehrofsiziere gewachsen. Er habe an jenen Leipziger Prozeß erinnert, bet dem verdiente Il-Boot- Osstziere aus Verlangen der Feinde in Ketten vorgeführt und abgenrteilt worden seien. Jetzt gebe Groener, der nach dem Reichspräsidentenstuhl strebe, einen Erlaß heraus, daß alle Offiziere, die wie Ludin »nd Schertnger dächten, ihren Ab schied nehmen sollten. Man versuche es so darznstellen, als seien die Ofstziere wegen Disziplinwidrigkeiten bestraft wor den, in Wahrheit seien sie aber wegen Vorbereitung zum Hochverrat auf die Festung geschickt worden. Ein Heer habe Sinn in einem nationalen Staat, nicht aber in einem partei politischen Zweckvcrband. Auch der Reichspräsident habe seine Hand von den jungen Offizieren abgezogen. ES scheine so, als ob wir den Generalseldmarschall an das System zu ver lieren begännen. Angst sei es gewesen, die das System ver anlaßt?, die Offiziere vor daS Gericht zu schleppen. Lanier, wiederholt anschwellender Beifall war die Ant wort der Versammlung für die ausrüttelnden Worte des Redners. Au» in SreSbkN kemiminiiliiiiik NmWbiiiMt» Das Presseamt des Polizeipräsidiums Dresden teilt mit: Verschiedene Beobachtungen deuteten daraus hin, daß di« hiesige kommunistische „Antifa" in der Nacht zum Sonntag eine militärische Hebung plane. Das Polizeipräsidium ging den Dingen nach, «nd ein starkes Kommando stellte dann auch nachts gegen l-LI Uhr in unmittelbarer Nähe der Heidemühle die Kommunisten, die sämtlich dem Polizei, Präsidium zngcführt wurden. Dort ergab sich durch Ver, nehmungcn, daß cs sich um eine Nachtübung des „Auti, faschistischen KampsbundeS" handelte. lieber den Charakter der Uebung wird die Untersuchung noch sortgesctzt. — Rheinisch« Festabende im Linckeschen Bad. Eine zeit- gemäße Ausgestaltung haben die Räume des Linckeschen Bades durch die geschickte Hand Adolf Mahnkes erfahren. Durch ein sehr gut gemaltes, eine ganze Seite des Haupt saales einnehmendes Diorama mit einem malerischen Blick ins Nhetntal bei Bacharach ist aufs lebendigste der Eindruck bervorgeriisen, als befände man sich ans einer weinumrankten Terrasse eines fröhlichen Weindorses aus den Höhen am deutschen Strom. Die Leuchtkörper sind goldtraubcntropfende Reben »nd die Wandbeleuchtung ist mit Weinlaub und Traube» gedeckt, die ihrer imposanten Wucht nach mindestens ans dem Jordantale stammen. Ein „Festabend am Rhein" übergab diese reizende Saalschmückung der Oeffent- lichkcit mit einem wcinsrvhcn Vorspruch Günter Sander- so ns und mit rheinischen Liedern des Speisebecher» auartctts, zu denen die Landschaft alle Wandlungen de» Tageslauss mit Svnne, Mond und Sternen, ja mit einem er- schröcklichen Unwetter durchwachte. Das gefiel alles so sehr, daß es im Lause des ersten Abends, der im übrigen von fröh lichem Tanz »ach dem brillanten Rhythmus des Kauf mann-Orchesters ausgefüllt wurde, wiederholt werden mußte. Kirckenchorfefl -er Gphorie Dresden DaS unleugbare Erstarken der protestantischen Kirchen musik aus klwrischcm und kompositorischem Gebiete in den letzten Jahre» ist nicht nur ein hocherfreulicher Beweis neu- cnvachendcn kirchlichen Lebens, sonder» auch des beginnenden deiilschcn Ausstiegs überhanvt. Aus diesem Wege liegt auch der Zusammenschluß der deutschen Ktrebenchöre zu einem Evan gelischen K i r ch c ii ch o r v c r b a » d, vvn dem der Sächsi sche und wiederum der von Dresden-Stadt ein frisch er grünender und blühender Svrvß ist. Was Wunder, daß die Geistlichen und Kircheiimiisikcr der Ephorie Dresden den Wunsch emnsanden. einmal mit einem Kirchcnchorverbandsscst wr die Oefsentlichkeit z» treten. Für die geistigen Väter des Gedankens, Superintendent Ficker und Musikdirektor ssrieke, standen Form und Umfang eines solchen Festes von noriihcrein fest: Festvcspcr des Krenzchorß, Festabend im Eiianaelllchen VcreinShaus und FestgottcSdtenst in der Krenzkirche. Die Vesper in der Krenzkirche. Anläßlich der Tonkiinstlcrteigiing hatte Rudolf Nauersberger eine moderne Vesper geboten. Am Sonn abend widmeie er sich ausschließlich dem großen Dresdner Wcabereiicr der deutschen evangelischen Kirchenmusik, Hein- r ich Schütz, um vor seinen TtandeSgenosscn und der Oessent- licßfeit zu werben für die erst znm kleinsten Teile erschlossenen und aiiSgennüten Rcichtümcr dieses größten deutschen Mu sikers des 17. Jahrhunderts. Vier Formtiipen standen zur Beurteilung. Zuerst die lechSsttniniige Motette „DaS ist ie gewißlich wahr". Tie gehört zu den in ihrer klassischen Ab- gckläriheit und Kirchlichkeit vollendetsten, aber auch schwierig sten. »m den Ausgang des 39jäl,rigen Krieges entstandenen großen Werken. Es folgte ans den „Biblischen Szenen" „Das Gleichnis vom Pharisäer »nd Zöllner". Sopran und Alt er- zählen die Begebenheit, die Rede des Pharisäers mit dem dom'ischenfallcnden Ruf des Zöllners „Gott sei mir Sünder gnädig" sind einem Solobaß »nd -tcnor zngetcilt, die Schluß worte Je!« singt machtvoll der Ehor. Vom Cembalo begleitet, macht doS mit einfachen Mitteln gestaltete Merkchen einen tielcn Eindruck. AnS den „Kleinen geistlichen Konzerten" hörte man das schlichte, aber ergreifende Duett für Knaben stimmen und Cembalo „Die Furcht des Herrn Ist der Weisheit Anfang". Schliss schrieb diele rührenden, einfachen Stücke, «US ibm inmitten der Nöte d?S lnrchtbaren Krieges kaum die nöiiosten Knnstmittel zur Vertilgung standen. Den Beschluß ildete der doovelä'örlge Psalm ..Sinnet dem Herrn ein neues led". eine der 1319 erschienenen 23 monnmentasen Kom positionen, deren Pracht und Erhabenheit überwältigend ist. Hier hätte man dem Krenzchor noch eine Anzahl schöner Stim men, besonders im Tcnor, hinzugewünscht. Alles übrige gelang ihm vorzüglich. Auch der Bassist Günther Baum und der nur ab und zu etwas zu tief singende Tenorist Hans Diener, sowie Musikdirektor Dr. Chitz als Cembalist, erfreuten durch stilechic Leistungen. Stil- einhcit wahrte auch Ktrchenmusikdirektor P sann stiehl mit einer Batalla des Don Jimcnez de Anteaucra, des Madrider Hoforganisten Karls V., einer aus mehreren. z,im Teil fugier- ten, zum Teil romanisch sinnenfrohcn Sätzchen bestehenden dankbaren Komposition. Im Interesse von Stil- und Stim- mungSreinhctt wäre aber auch eine Anpassung der Ein- und Ueberleitnngsakkorde der Orgel an das gesamte Programm wünschenswert. Man erlebt in unseren Kirchen darin über haupt noch Wunderliches. Ein dorischer Choral verträgt ja als Vorspiel keine Mcndclssohntade. Festabend im BereinShauS. Das Festkonzert tm VcretnShaussaale folgte der Mah- nung: „Singet dem Herrn ein neues Lieb." Paul Höpner cröfsnete es mit Negers „Dankpsalm" für Orgel. Dann per- einigten sich unter William Eckardtdie sieben Chöre von Dresden-Altstadt-Wcst zu Otto Richters Motette „Die aus den Herrn harren" und Bortnianskyö „Jubilate! Amen", woraus Pfarrer Lieschke mahnende und bittende Worte non der Choralnot der Ktrche an die Versammlung richtete. Die fünf Chöre der Gruppe Dresdcn-Nltstadt-Ost sangen unter Hanns Kvtzschke dessen geistliches Lied „Leg' in Gottes Vaterhände" und Chöre von Bretter und Bruch; die Gruppe DreSdcn-Ncustadt mit sieben Chören unter Wilhelm Borrmann Werke von Otto Thomas feinst Panlikirchej und Friedrich Vaumfelber feinst DrciköntgSktrchcj. Zwischen den Gesängen las Kurt Arnold Findeisen seine seine Klavtcrgeschichte „Das Notenbüchletn der Frau Anna Magdalena Bachin" zu der Frau Käte Ficker mit ihrer reinen, großen Stimme und beseeltem Ausdruck die ent sprechenden Lieder, und Rtchard'Frieke sttlecht die Klavier- miisik beisteuerte. Mit einem Präludium von Bach fDr. Schnorr von CarolSfeldj und einer freien Improvisation fAlsred Hottingerj kam noch einmal die Orgel zum Erklingen, und der gemeinsame Gesang „Lob den Herren" beschloß den festlichen Abend, dem u. a. LandcSbtschos v. Ihmelö, Geheim- rat Hcmpel und Superintendent Ficker beiwohnten. Kein großes Konzert, aber doch ein kraftvolles, künstlerisch hoch- bcfrtedtgeiidcS Zeugnis vom Schassen und Wirken der Dresd ner Kirchenmnsiker, und dem Eifer und der Opfcrwtlligkekr der Kircsienchvre, die erfreulicherweise noch immer zu einem guten Teil aus silmmbegabten Knaben und Mädchen be stehen, wurde der Abend zu einer kraftvollen Kundgebung de» Gemeinschaftsgefühls und zu einem wirkungsvollen Werbe mittel für die klusica sacrn. Der Fcstgottesdienst in der Krenzkirche. Der Sonntagabend versammelte die BerbandSmitglieder zu einer letzten Wcihestuiide in der Krenzkirche. In formaler Beziehung galt es zu zeigen, wie einer Bachkantate, ohne Dauer und Chormittel zu stark zu belasten, der ihr gebühren den Platz im Gottesdienst eingeräumt werden kann. Rudolf Mauersberger brachte darum ans der von Innigkeit und Klnngküßigkeit erfüllten Kantate „Meinen Jelum lass' ich nicht" den Etngangschor, das Duett für Sopran und Alt, dessen Thema sich sv merkwürdig mit dem des Scherzos in Beet hovens zweiter Sinfonie deckt, und den Schlußchoral zur Auf führung. Wohl könnte man das Wcgbleibcn der ergreisenden Fts-Moll-Arie bedauern. Aber auch ohne sic bildet die Kan tate eine Einheit, der für sie unerläßliche Solist wird erspart, das Duett aber ist von den Chorstimmen ausführbar. DaS Orchester stellte das Collegium musicum crucianum, das Cem balo betreute Dr. Chttz. Ideell stand der Gottesdienst unter dem Leitwort „Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen". Unter Zugrundelegung des ISS. Psalms erinnerte Superintendent Ficker in seiner Fe st predigt zunächst an das erste Auftreten des Verbandes am Sonntag Kantate im Zwinger, sodann an die Tatsache, daß die evangelische Ktrche durch Luther als eine singende Ktrche ins Leben getreten sei, daß heute unsere Kinder vielfach ohne Kenntnis deS Kirchenliedes aufwachsen, aber die Singebeweaung der Jugend wieder zum alten Volks- und Kirchenlied greife. Die lAuoicn naera müsse wieder zum Erleben GotteS führen. DaS sei nicht Stimmungschristentum. Mit dem aetstlichen Lied, dem kernigen deutschen, nicht dem gefühlsseligen englischen, müsse man auch hinanSgehen aus die Straßen und in die Hinterhöfe, hinauf anf die Türme. Das Lied werde mit alle dem auch wieder Erleben menschlicher Gemeinschaft. Möchten Kraft und Elser unserer Kirchcnchöre und Mu siker im Dienst dieser Idee nie erlahmen. —ck— Kunst und Wissenschaft si Dresdner Theaterspielvkan für heute: Opernhaus: „Martha" <8s; Schauspielhaus: „Cäsar und Cleopatra" i7.8M: Resldenztbeater: „DaS Land des Lächelns" f8f; Die Komödie: „Vater sein dagegen sehr" <8,1S)r Leu« traltheater: „Die drei Musketiere" <81.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)