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Voigtländischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Rekizirt von Advocat C. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Mittwe in Plauen. Jährlicher Ahoiinementsprcis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Jnsertionsgebühren werden mit l Neugroschen für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Sonnabend. VS 2V. September 1845. Eröffnung des Landtags. i Auf den vierzehnten September des Jahres 1845 war ' die feierliche Eröffnung des fünften constitutioncllen Land- tags festgesetzt worden. Wie früher ging ihr auch diesmal der Gottesdienst in der evangelischen Hof- und Sophien- kirche voraus, wohin sich früh um 9 Uhr die Mitglieder beider ständischen Kammern begaben, um dem Vortrage des Herrn Oberhofpredigers v. von Ammon bcizuwohnen. Der selbe hatte als Text Evangcl. Lucä 14, 1 — 9 zu Grunde gelegt, und führte in gewohnter trefflicher Weise den Haupt satz aus: „Die hohe Weisheit, mit welcher Christus die verstimmten und aufgeregten Gemüther seiner Zeit beruhigt." In Folge der von dem Königlichen OberhofmarschaUamte ergangenen Ansage versammelten sich nach Mittag halb ein Uhr die sämmtlichen Mitglieder der Ständevcrsammlung im Königlichen Schlöffe und zwar in dem Saale Ihrs König lichen Hoheit der Prinzessin Augusta, um von da m den Landtags-Eröffnungs-Saal eingefuhrt zu werden. Die Präsidenten, Vicepräsidenten und die Secretarien der beiden Kammern nahmen, dem Throne gegenüber, die denselben be stimmten Plätze ein, die der ersten Kammer rechts und die der zweiten Kammer links vom Throne aus. Die übrigen Abgeordneten begaben sich, in wie fern sie der ersten oder zweiten Kammer angehörten, rechts oder links auf die er richteten Estraden. — Geführt von dem Ceremonienmeister traten nunmehro das Oorps äiplomutiriuv und die am Kö niglichen Hofe vorgestellten Fremden in den Thronsaal ein und nahmen ihre Plätze links neben dem Throne ein. Es begann hierauf das Abrufen der fünften, vierten und dritten Classe der Hoftangordnung, welche in dem Thron saale ihre Plätze cinnahmen, worauf bald nachher Jhro Majestät die Königin, begleitet von den Prinzessinen des Königl. Hauses und den Hof- und Zutrittsdamen, m den Thronsaal traten und daselbst auf der für Allcrhöchst- dic selben bereiteten Tribune Platz nahmen. Hierauf erhoben Sich Se. Majestät der König, be gleitet von Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Johann und dem Prinzen Albert K. H. unter dem Vortritt der zweiten und ersten Claffe der Hofrangordnung zum Throne. Beim Eintritt in den Thronsaal begrüßte Sc. Majestät ein feierliches Hoch von Seiten der Stände. Vom Throne aus richteten Se. Majestät an die Vertreter des Sächsischen Volkes folgende Worte: Meine Herren Stände! Früher als gewöhnlich habe ich Sie diesmal um den Thron ver sammelt, damit das Finanzgesetz noch vor Ablauf des Jahres zu Stande gebracht und eine provisorische Bewilligung vermieden werde. Las Vaterland wird das Opfer erkennen, das die Mehrzahl von Ihnen bringt, indem sic sich so zeitig ihrem nächsten Berufe entzieht. Seit dem Schluffe des letzten Landtags sind die freundlichen Beziehungen zu auswärtigen Regierungen erhalten und immer mehr befestigt worden. Handelsverträge mit Belgien, Sardinien und Portugal haben dem Verkehre nach dem Auslände neue Vortheile gesichert. Durch Abschluß einer Zusatz-Acte zu dem Elbschiffsahrtsvertrage wurde der Schifffahrts verkehr erleichtert. Durch freundliches Einvernehmen, gestützt auf gegenseitiges Vertrauen und Achtung gegenseitiger Rechte, ist es ge lungen, von der österreichischen Regierung die Rcalübergabe der En- clave Schirgiswalde nebst Zubchörungen zu erlangen, und die Aus übung einiger Patronatsrechte der Krone Baiern in hiesigen Landen zu beseitigen, während die Verhandlung wegen einer allgemeinen Grenzregulirung mit dem Königreiche Böhmen ernstlich wieder ausge nommen ward und, in gleichem Geiste geleitet, die baldigste Lösung mit Sicherheit erwarten läßt. Die als 'v.itglicd des deutschen Bun des übernommenen Verpflichtungen machen einige Abänderungen in dem Recrutirungsgesetze, besonders in Hinsicht derReservcpflicht noth wendig, welche Ihnen vorge>egt werden sollen. Kann ich mit gleicher Befriedigung auf den Wohlstand im Innern zurüctvlicken, so steigen doch hier auch betrübende Erscheinungen auf. Ein lief betrübendes Ercigniß, das mein Herz in seinen tbeuersten Gefühlen verletzt, hat sich in jüngster Zeit in einer der wichtigsten Städte des Landes zugctragen. Sie werden, ich zweifle nicht daran, meinen Schmerz hierüber thrilen. Eine ernste Aufmerksamkeit fordert die in mehrfachen Richtungen sich kund gebende Aufregung in kirchlichen Angelegenheiten, welche alle Eintracht zu stören, alle gesetzliche Ordnung, alles Maß zu überschrei ten droht. Ohne Rücksicht auf den konfessionellen Unterschied der verschiedenen anerkannten Kirchen haoe ich bei meiner Thronbesteigung zugesagt, vor AlUm den religiösen Sinn zu pflegen, den das Sachsen- oolt auf so ehrenhafte Weise zu bewahren wußte, habe ich die Ueber- - zeugung ausgesprochen, daß die Stände Sachsen« von gleicher Ach tung für das Heiligste geleitet sein würden. Wenn ich mein Vertrauen - in dieser Hinsicht bewährt gefunden habe, so hoffe ich mit fester Zu versicht, daß Sie auch jetzt mir Ihre Unterstützung gewähren werden, damit das kirchliche Princip nicht erschüttert und die Grundpfeiler de« > Staats, so wie alles menschlichen Wohlseins, Religion und Glaube, l nicht untergraben werden.