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Vsrgtländischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Redigirt von Advocat E. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittwe in Plauen. Jährlicher Abonnementspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Jnsertionsgebühren werden mit t Neugroschen für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältm'ß des Raumes. — Mittwoch. 2». 'August L8SS Zur Vervollständigung dessen, was in voriger Nummer d. Bl. über die beklagenswerthen Ereignisse in Leipzig mitgetheill worden ist, mögen folgende inmittelst eingegange nen näheren Nachrichten dienen: An dem verhängnißvollen 12. August Nachmittag hielt Prinz Johann die Revue über die dortige Communalgarde ab. Abends sand zu Ehren des Prinzen großer Zapfen» streich statt, wobei sich zwar eine große Menschenmasse ein gefunden hatte, ohne jedoch die Ruhe zu stören. Bald nach dem Zapfenstreich sielen auf dem Roßplatze vor dem Hotel cko piu««e, in welchem der Prinz abgetreten war, Seiten der dort zusammen gedrängten Volksmenge unruhige Auftritte vor. Diese äußerten sich hauptsächlich durch ein wildes Geschrei und in dem Einwerfen der Fenster des Hotel« rie Grosse. Bald darauf wurde den requi- rirten Schützen durch Blasen das Signal zum Feuern gegeben und dieses Commando natürlich befolgt. Schreck, lich waren die unmittelbaren Folgen. Die Zahl der Tobten wird auf 7, die der Verwundeten auf ungefähr 20 angegeben. Fast alle Getroffenen sollen in einiger Ent fernung von jenem Orte auf der Promenade gestanden fern, ohne sich an dem Tumulte betheiligt zu haben. So ist ein Familienvater in dem Augenblicke, wo er aus der Thüre seiner Wohnung heraus trat, um sich nach der Ur sache des Lärms zu erkundigen, todt geschossen worden, demnächst fand man am Morgen des folgenden Tages in dem Gebüsche an der Promenade den Leichnam eines 12jährigen Knaben, welcher sich in Folge eines erhaltenen Schusses verblutet hatte. Ob dieses unglückselige Mittel die Folgen der Aufre gung unterdrückt hat, wird die Zukunft zeigen, schon jetzt aber steht die durch die allgemeine Meinung bestätigte Be hauptung fest, daß es der Communalgarde, dasern dieselbe statt des Militairs beordert worden wäre, sicher gelungen sein würde, die bürgerliche Ruhe und Ordnung wieder her zustellen. Erst nachdem jenes beklagenswerthe Mittel in Anwendung gebracht worden war und die Volksmenge sich nicht zerstreute, wurde Generalmarsch geschlagen und durch die zahlreich erschienene Communalgarde die Ruhe gesichert. Der Rath und die Stadtverordneten haben in einer an den König durch eine Deputation übersendeten Adresse ausgesprochen, wie sehr sie und alle ihre Mitbürger, welche in der Gesetzlichkeit und Ordnung die alleinigen Träger des Staates und der öffentlichen Wohlfahrt erkennen, die trau rigen Ereignisse beklagen, zugleich auch um strenge Unter suchung gegen Alle, welche dabei, von welcher Seite es auch sei, betheiligt gewesen sind, gebeten und auf Garni sonwechsel angetragen. Die darauf vom König an die Stadt Leipzig gelangte Antwort lautet folgendermaßen: „Ich habe die Deputirten empfangen, die gekommen waren, Mir im Namen der Stadt Leipzig ihre Theilnahme an dem beklagenswerthen Ereigniß zu bezeugen und ihre Anhänglichkeit und Treue zu versichern. Ich finde Mich bewogen, der Stadt Leipzig hierauf noch besonders Nachstehendes zu eröffnen, will auch, daß dies zur öffentlichen Kenntniß gelange. Hochbeglückt und stolz war Ich stets in dem Bewußt sein über ein treues Volk zu herrschen, das tiefbegründete Achtung vor Gesetz und Reckt und feste Anhänglichkeit an bas angestammte Fürstenhaus so ost und unter den schwie rigsten Verhältnissen bewährt hat. Gestützt auf die dem Lande verliehene Verfassung, durfte Ich vertrauen, daß das sächsische Volk überall von ihrem Geist durchdrungen auch in den Stürmen einer bewegten Zeit daran festhalten und nur auf dem Wege des Gesetzes und der Ordnung wandeln werde.