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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 15.02.1926
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260215025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-02
- Tag 1926-02-15
-
Monat
1926-02
-
Jahr
1926
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" Xr. 77 Sette 2 — »Vr«d«er Nachrichten" — Mankos. 1». Sebena, 1«» >te Festsetzung der Löhne für den Kall, baß »wischen Reich», bahn und Gewerkschaften kein Ueberetnkommrn erzielt werden kann, durch den ReichSarbettSmtnister anstatt durch die Ge- selllchaft srtbs» erfolgen soll — ,i« Kompetrnzftrett »wischen Reich und Reichsbahn, der vor dem Reichsbahnschied», gericht auSgctragen werden wird. Der schon vollzogene Abbau und -er noch drohend, von weiteren 40 000 bringt aber noch eine Gefahr nAt sich, die t» stärkstem Maße einen teden Reisenden bedroht: eine erhöhte Betrieb-Unsicherheit. Gewiß sieht heute unsere Bahn ander» aus als UN8 10: die ramponierten und verbrecktrn Wagen von damals wird niemand vergessen. Aber wa» nützt die Rückkehr der früheren Sauberkeit, wenn nacht» kein« oder nur eine ungenügende Streckenbegchung ktattfindet. wen« wie mitgeteilt wird, eine große Anzahl von Stellwerken nur mit einem Beamten besetzt ist. wenn da» Personal zur Pfleg« des Oberbaues bis zur Hälfte abgebaut ist? Welche Kata. strophen hier eiulreten können, hat da» Eisenbahnunglück im polnischen Korridor im Sommer des verflossenen Kahre» ge» zeigt, wo der Transit-Schnellzug iL einer Kurve auf dem ver nachlässigten überbau die Schienen nach außen drückte und entgleiste. Die Reichsbahn beruft sich darauf daß sic 40 Pro- zent der gesamten Reparätionslasten tragen und deshalb alle nicht wirklich notwendigen Ausgaben vermeiden müsse. Tie Sparerei muß aber nicht dort cinsctzen, wo Gut und Leben derer, die der Reichsbahn ihr gutes Geld curf den Tisch legen, gefährdet werden. Wenn die Reichsbahn alle diese Vorwürfe, die in den Satz zusammengefaßt worden sind, sie treibe eine Wirtschaft lediglich im Interesse der DaweS-Gläubiger und nicht t» dem Deutschland», durch dt« Dal «utkrSste» will, s» muß sie von Grund au» eine Tarlfpoltttk treiben, die. Knfl«tion»methodeu vermeidend. stmrlam und billig ist: billig, damit sie den Ber- kehr, von dem sie ja leben soll, nicht selbst unterbindet, spar sam: nicht durch Vergrößerung de» Arbeitslosenheere», son. der» durch Veretnsachuu» de» System», im Sinne einer Reform, wie st« jetzt ber neue ReichSflnanzmtnister angekitn dtgt hat. Neuanlagen dürfen, wie e» die obenerwähnte Ent. schließung der Rechtsparteien fordert, ntcht durch Ueberschiiste finanziert werden, sondern durch Anleihen. Die Belebung de» allgemeinen Arbett»markte» durch Vergebung von Aus trügen wird auch den Verkehr selber fördern helfen. End. lich darf die Reichsbahn nicht ber gesetzlichen Kontrolle durch da» Reich sich zu entziehen versuchen, wa» der Kall ist. wenn sie «ine Prüfung ber yinanzverhältnlste durch den Rech, »ungöbok ablebnt: ber RetchSverkehrSminister aber, der letzt fast nicht» andere» tun kann al» über den allgemeinen An. griff in Parlament und Prelle wehklagen, gehört — wie Staatssekretär Dr. Sttebler vor wenigen Tagen in der Stutt- garter Handelskammer auSfllhrte — neben den Reichsbahn, kommissar in den BerwaltungSrat. Denn was soll ein Ver- kehrSminister, dem die Hände gebunden sind, ivenn eS sich »m das wichtigste Verkehrsmittel handelt, da» wir noch be- sitzen! Alle» in allem: «ine Politik ber deutschen Belange und keine rein« DaweS-PoltItk. damit niemand mehr im Reichstag« die Handhabung de» RcichSbahnbctriebe» in die Worte »usammenfassen kann: e» habe den Anschein, als ob die Mitglieder der Reichsbahnhauptverwaltung die Vertreter der fremden Nationen seien, anstatt der eigenen. Die Nollage -er Frankenempsönger. Saar-Fragen im Laushallausschuh. Berlin, 15. Kebr. Der Hanöhaltauoschuß des Reichstages berier heute den mündlichen Bericht des AuschusseS über die besetzten Gebiete, über die Maßnahmen zur Abstellung der Rotlage der Arbeiter des SaargebietcS. Berichterstatter Abg. Hossmann «Vndwigohafen: Z.j betonte, eS müsse alles ge schehen. damit nicht die Saargänger, bezw. Krankcnempfänger durch Ausländer ersetzt würden. Er beantrage, die Reichs regierung zu ersuchen, im Einvernehmen mit den beteiligten Vänderregierungen von Preußen, Bauern und Oldenburg im Hinblick aus die außerordentliche Notlage der im Saargebict bcschäfriglen, aber in den angrenzenden Reichsgebieten wohnende Arbeiterschaft folgende Maßnahmen zu treffen. Die Kahrkoftcu von und zur Arbeitsstelle werden von der Rcjchsrcgieruug vergütet. Zur Linderung der Not unter den Arbeitnehmern, die im Randgebiet wohnen und im Laar- gebiel oder in Elsaß-Lothringen arbeiten, stellt das R ich einen Betrag von 850 800 Reichsmark alsbald den beteiligten Län dern zur sofortigen Ausschüttung znr Bersüqnng. unter der Voraussetzung, daß die Länder sich wie bisher durch an gemessene Zuschüsse beteiligen. Zur Linderung der außer- ordentlichen Notlage -er Arbeiter der deutschen Grenzgebiete, die in Gebieten der Frankenlöhnung beschäftigt sind, wird die Summe von 1.S Millionen Reichsmark für einmalige und laufende Beihilfen im Nachtragshaushalt für IM zur Ber, fügung gestellt. Dckbei ist vorgesehen, daß die Länder wie bischer, an gemessene Anschüsse leisten. Tie Verteilung dieser Summe erfolgt durch die Füriorgeämtcr unter paritätischer Mitwirkung der Gewerkschaften nach Richtlinien, die vom Aus schuß des Reichstages für die besetzten Gebiete in Uebcrein- stimmung mit der NeichSregierung sestgclegt werden. Steuer liche Erleichterungen sind in Gestalt von Stundung oder Riederschalgung zu gewähren. Von einer zwangsmäßigcn Stcnereintrcibung ist abzuschen. Die früher in Baden- Baden zwischen Vertretern des Reiches und der Saargebiet regierung ungebahnten Verhandlungen zum Zwecke der An passung der Sozialversicherung im Saargebiet an die Sozialversicherung de» Reiche» sind mit tunlicher Beschleuni gung zum Ziele zu führen. Ministerialdirektor Lotholz bat. zunächst für Januar und Februar die UebelstÜnde abzustellen, für däD neue Etatjahr aber die Frage Mitte März erneut zu verhandeln. — Abg. Bola IKvmm.f beantragte, l Million Mark an die Arbeiter des Randgebietes sofort durch den Ausschuß zu verteilen. — Abg. Kirschmann iSoz.) verwies darauf, daß die aufgeworfenen 850 000 Mark zunächst zur Tilgung der Schulden der Be troffenen besttmtt gewesen seien, und das, die »unteren Zu schüsse vor Folgen bewahren, aber nicht bloß auf Ersah der Fahrtkosten beschränkt bleiben sollten. — llkeg.-Nat Dr. Bci- siegcl vom Reichsarbcitsmtnistcrium teilte mit, daß der Erlaß zur Verteilung der Summe keine Vorschrift mit der vom Vorredner genannten Beschränkung enthalte. Der Antrag des Berichterstatters des NetckStaaSauS- schusscs für die besetzten Gebiete lssurde btö auf daö Vcrlanaen nach zur Verfügungstcllung von Ich Million kur einmalige und laufende Beihilfen angenommee. Vs solgt die finanzielle Rachvrüfnna der Veschliille des Steuerauslchnlles des Reichstags bezüglich der beantragten Abänderung des Gesetzes über die ErhShuna der Bier» und Tabaksteuer von 1«. August 1VLS. Der Steuerausschuß hatte beschlossen, daß das Reich den BeztrkSfürsoraeverbändcn mit rückwirkender Kraft vom 1. Oktober 1S25 ab SO v. S. der Kurzarbciteruntcrstütznna erstatten soll, anstatt wie bisher n— 80 v. H. Die Bcdürftigkcitsprüfuna soll fürderhin in Fortsall kommen, jedoch mit der Maßgabe, baß die Kurz- arbeiterunterftützung den reinen Lohn- und Dienstaussall nicht übersteigen darf. Der für die Unterstützung notwendige ursächliche Zu- sammenhang zwischen dem Lohnausfall infolge Arbeitslast oder Kurzarbeit und der Abgabenerhöhung darf mit Rück- Wirkung vom 15. Februar 1928 ntcht mehr verneint werden, sofern bisher die Betriebsstillegungen oder Einschränkungen auf eine übermäßig« Versorgung mit Rohstoffen oder Waren zurückgesllhrt werde. Der HaushaltanSschnß guehmigte di« oorftchcnde» Anträge und wandte sich der Beratung des Martnetats zu. tvet L-lub de» vlatteS danert bl« Verhandlung fort.) Die Ausreise -es Kreuzers Samburg. Hamburg. 14. Febr. Heute abend bat der Kreuzer ..Ham- bürg" von Cuxhaven aus leine aus >5 Monate berechnete Auslandsreise angetretcn. Nack Anordnung des Reichs präsidenten wird der Kreuzer in Zukunft beim Tovv- slaggensetzen die Hamburger Staatsflagge führen, die der Hamburger Bürgermeister Dr. Petcrlen heute morgen um 11 Ubr in Wilhelmshaven dem Kommandanten dcS Kreuzers in feierlicher Form übergeben bat. Die in Wilhelms haven anwesenden Admirale nahmen an der Feier teil. Kn einer Ansprache sagte Bürgermeister Dr. Petersen. mit dem Kreuzer „Hamburg" gebt ein Stück deutschen Vater- landcs nach den fremden Ländern hinüber unsere Not. aber auch unseren Glauben an die Zukunft unseres Volkes zu be kennen. Zeugnis abzulegen von dem Geist der Pslicbt- ersülluna und ber Vaterlandsliebe, die NeichSbeer und Reichs- marine beseelen, sei die Hobe und verantworcunaSvolle Auf- gäbe der „Hamburg" aus dieser Fahrt. Hamburg lft stolz, daß sein Patenschiss bet festlichem Anlaß die Hamdnraer Flagge führt, besonders auch, weil diese Auszeichnung einem Manne zu verdanken ist. dessen Name nrlt der Ehrung und Dankbar- keit noch tn fernsten Zetten vom deutschenVolk genannt werden wird, unser« Reichspräsidenten v. Hindeubnra. Di« Rede klana aus in einem begeistert aufgenommcnen Hoch auf da» deutsche Vaterland. Der Kommandant. Fregattenkapitän Dr. ß. e. GrooS bankte im Namen des Kreuzers kür die Stiftung der Flagge mit herzlichen und warmen Worten. Nach seiner Ansprache wurde die Hamburger Staatsflagge gcüißt. ^ Oerlliches und Sächsisches. Geheim»» «<mra» »la«»«ttzer Wie schon kur» gemeldet, stgrb hier am 11. b. M. an Herz» schlag der Mtntstertalrat a. D. Geh. Baurat A. «lau», nttzer. zuletzt Vortragender Rat tm ehemaligen sächsischen KriegSmjntsterium. Ein nach seinen Stzarakteretge^chaste» vovdrbd lieber Staatsbeamter ist mit ihm au» dem Lösten ge schieden. » GlauSnitzer wurde am »0. August 1881 t» Döbeln ge» boren. besuchte dort dt« BoUSlchule und da» Realgymnasium und studierte von l881 bi» 1887 an der Technische« Hochschule In Dresden. Sein, praktische Ausbildung erhielt er teil» bei der sächsischen Hochbauoerwaltung. teil» «m Prlvatdlenst. und »war in zweijähriger Tätigkeit bet den ArchtteLte» Kyllmann u. Henden t» Berlin, «r war nach Abschluß -er zweiten Staatsprüfung zunächst bet der sächsiiqen Hochbauverwaltung tätig und trat l893 zur Militärbauverwaltung über. Hier wurde er bereit» nach zwei Kahren in die Intendantur de» 12. A.-K. berufen, eine Stelluim, die er bi» lS18 bekleidete. In diesem Jahre wurde er als Ministerialrat oberster sächsischer Mtlttärbaubeamter. GlauSnitzer hat hervorragenden Anteil an de« Aufbau de« MilttärbauweseiiS genommen, wozu ihn seine persvnliche» und berufliche» Fähigkeiten außerordentlich geeignet machten. Zahlreich sind die Kasernen, und sonstigen militärischen Anlagen, die unter seiner AiUeitung und Aufsicht entstanden sind. Nicht minder groß sind seine Verdienste während de» Weltkrieges, wo eS galt, in kürzester Zeit den verschiedenste« Bedürfnissen dcS HerreS Rcchinuig zu tragen, sei e» durch Ausführung der MobilmachungSbauten, sei eS durch Anlage neuer Flugplätze, umfassende Beschaffung von Holz für die Feldstellungen usw. Nach dem unglücklichen Ausgang des Kriege» erwuchs ihm die Aufgabe, mit der Auflösung de» alten Heere» da» tn jahr zehntelanger, mühevoller Arbeit ansgebaute Gebäude der Militärbanr>envaltnng wieder abbrechen zu helfen. Einen Teil seiner Lebenskraft hat er dabei seinem Staate in nnveirrtem Pflichtgefühl zum Opfer gebracht. Anoeränverle Wärzmlele. Wie von amtlicher Stelle verlautet, bleibt di« Miete i» Sachsen sür März unverändert. —* StaatSgertchtöhof. Ernannt sind der Reichsgericht», rat Dr. Ltndenmaier znm ordentlichen Mitglied und die ReichsrcgieriingSrätc Kolb. Dr. Conz« und Kling, sporn zu stellvertretenden Mitgliedern dcS StaatSgerichtS- Hofes zum Schutze der Republik, letztere zugleich unter Ent- bindung von ihren Acmtern als ordentliche Mitglieder des selben Gerichtshofes. . —* Der Erbauer der Halsbrücker Ssi« gestarbe». >u» Chemnitz wird uns geschrieben: Der Schöpfer eine» der impo santesten Bauwerke Sachsens, der 140 Met» hohen Hal». bcllckcr Este bei Frclbcrg, Stadtrat Hugo Ntcharb Hein ick« in Chemnitz, ist nach längerem Leiden verstorben. Dank seiner Tüchtigkeit erhielt er im Jahre 1889 von den Königlichen Schmelzhüttcn in HalSbrllcke den Auftrag zur Erbauung der l40 Meter hohen Este, die als ein Wahrzeichen be» einst t». der Fceibcrger Gegend blühenden Bergbaue» weithin sichtbar ist. Für die Stadt Chemnitz entwickelte Gtadtrat Helnick« ein« außerordentlich rege und segensreiche Tätigkeit. Der 8er- blichcne war Mitbegründer de» Sächsischen Gemetnbe-Elek- trizitätsvcrbande» und Vertreter de» HandelSkammertageS im Landes ElektrtzitätSrat des Freistaate- Sachsen. —* Die Heidcnaucr Bcrfehlunac». Dt« Erörterum-en -er Dresdner Kriminalpolizei tu Heidenau wogen Verfehlung«« in der Ai'Snutzung der produktdoen EriverbSloseiM"4''rge bauern fort, sie nehmen immer größeren Umfang an. Da» Stadtverordnete«^llcgium von Heidenau hält am heutig«» Montag von abends 7 Uhr eine öffentliche Sitzung, u« M dieser Sache Stellung zu nehmen. Der Stadtrat Heidenau hat in einer vollzähligen Sitzung a«n Freitag in dieser An. gclcgenheit den Beschluß gefaßt, daß nach dem gegenwärtige« Stand der Untersuchung nicht die geringste Veranlassung vor» liegt, den in dieser Sache bisher tätig gewesenen Beamten ber Sladtgcrneindeverwaltuug zu Heidenau -aS Vertrauen zu «nt- ziehen. Torsen sbenV S Ukr slnS Idee Kilver kertiir. »enn 8ie PNNeii »ver Vilm« dl» ««AM teil» >0 vdr dringen v«lc,»a« pil« SuLlülircin». pkoloksus Wilnseks, N'ÜM: s Gustav Nterih. Zum Gedächtnis seines fünfzigjährigen TodcStagcS. Ein halbes Jahrhundert trennt den 18. Februar dieses Jahres von jenem Tage, an dem der Tod den Dresdnern in Gustav Nieriy einen Mitbürger nahm, dessen Name einst daö Entzücken der lesenden Kinderwelt war. Er selbst war gefaßt darauf, daß auch sein Name der Vergessenheit anheim- sallcn werde. So mar es doch gut. daß zwei Kahre nach seinem Lode ihm daS anmutige Denkmal von Meister Kietz.erstand — gegenüber der Birkengasse und nahe seinem sreundlichen Häuschen in der Antonstraße — an dem zwei Kindergestalten die Säule bekränzen, die seine Büste trägt. Und gut war es auch, als am 4. November 1801 der Rat der Haupt- und Residenzstadt bestimmte, dag die Birkengasse fortan Nieritzstraße heißen solle. Dem Volksschuldirektor Nieritz hatte es einst weh getan, alS er sich nach 40^jähriger Tätigkeit mit zwei hundert Talern Pension im Haiishaltplan der Stadt noch hinter dem Slockmeister stehen sah: allein bedenkend, daß er nur ein Rutenmeister gewesen sei und darum dem Stockmeister billig nachstehe, hatte er sich beruhigt. War es mehr als der Humor des Zufalls, daß nun gerade die Birkengasse des RukenmeisterS Ehrengedächtnis seithalten mußte? Freilich galten beide Auszeichnungen nicht dem Schul» mann Nteritz, obwohl auch der ihrer nicht unwürdig gewesen wäre. Denn trotzdem Nieritz nicht aus eigenem Antrieb sich dem Schulamte gewidmet hatte, sondern dem mütterlichen Wunsche gefolgt war. so lag ihm pädagogisches Interesse schon im Blute. Sein Vater stand als Oberlehrer der Neustädter Armenschule vor. und die Lust ihrer Räume im „Polnischen Brauhaus«" an der Körnerstraße halte 'Nieritz zuerst geatmet, nachdem er am 2. Juli 170.5 das Licht der Welt erblickt. Durch die Kriegsnöte Dresdens als Zögling des Friedrichstädter Seminars hindurchgegangen, begann er im Herbste des Jahres 1814 seine pädagogische Laufbahn als Hilfslehrer an des Vaters Schule. Sie war erfolgreich genug, obgleich sie mit vier Talern Einkommen monatlich neben freier Kost und Wohnung anfing, und der redliche Rationalismus des jungen Mannes zeitweilig wenig zu der Stimmung des maßgebenden Dresdens paßte. Seit 1881 zum Oberlehrer vorgerückt, wurde Nieritz. 48 Kahre alt. an der nenbeoründetcn Antonstädier Bezirksschule in der Lvuisenstraße als Direktor mit großer Ver- ontwortlichkeit und vielen Pflichten angestellt. „Da hatte ich" — erzählt er selbst — ..den Unterricht in allen Schulränmen zu überwachen, von trüb bis nack-mtttaos ssins llstr die Aus sicht zu führen und täglich Schreibereien für die Schu'vebörde zu fertigen, ferner die zwischen meine» Mitarbeitern selbst, ko- wie die zwischen ihnen und den Eltern entstandenen Streitig- letten in Güte zu schlichten, viele Zeit raubende Stunden- pläne z«r entwerfen. Lehrerkonserenzen abzuhalten. Schüler .auszunehmen und in Abgang zu bringen, bas Hauptbuch zu. I führen, die umfangreichen Gchulgelderberechnungen zu susti-s sizieren und noch vielen anderen Arbeiten mich zu unter- ziehen." Und dabei gab er freiwillig viel mehr Schulstunden wöchentlich, als er zu halten verpflichtet war. Mit solcher Hin gebung unterzog er sich allen ÄmtSgeschäften, daß ihm schon »ach zwei Kahren die KretSbtrektion in einem BelobigungS- schreiben ihre Zufriedenheit mit seiner Schule aussprach. So dars Nieritz nicht vergessen werden tn der Reibe lener Direk toren. die, mit Berthe«, Jäkel. Petermann und Heger an der Spitze, daö Dresdner VolkSschnlwcsen dem glänzenden Gipfel zuführten, auf dem eS schließlich i914 stand. Wie gewissenhaft Nieritz auch sein Amt verwaltete, seiner inneren Neigung entsprach eS nicht. Vielseitig begabt, hatte er. trotz vieler äußerer Hemmnisse, frühzeitig Wege gesucht, sich künstlerisch zu betätigen. Man schätzte sein fertiges Klavier spiel,- seine sauberen Aquarelle und Oelbtlder hatten vereinzelt Liebhaber gefunden: aber ihn zu Berühmtheit und behaglichem Wohlstand zu führen, gelang erst seiner Feder. 1880 hatte er mit dem „Pomeranzenbäuinchen" seine Schriftstelleret begon nen. AlS er Direktor wurde, war der Buchhandel bereits aus den gewandten Erzähler aufmerksam geworden. Wigand über trug ihm die Herausgabe des „Deutschen VolkSkalenderS" der durch Nieritz' Erzählungen und Ludwig Richters Bilder bald die weitesten Volkskreisc eroberte Mit dem Erfolg wuchs d>e literarische Schaffenslust: während seines dreizehnjährigen miihercichen Direktvrlebens entstanden Ihm die meisten Phantasicgcbilde. Aus den verschiedensten Quellen nährte sich seine ErstndungSkraft: Gesehenes, Gehörtes. Erlesenes wurde ihm zum dichterischen Erlebnis. War einmal der äußere An stoß gegeben, so folgte die Gestaltung mit unglaublicher Schnelligkeit. Dann fanden die Sonn- und Fericntagc Nieritz wohl schon um vier Uhr morgens am Pulte. Oft schrieb er in seiner schönen zierlichen Schrlst sechs Stunden ohne Unter- brechung fort: der Nachmittag blieb ihm da zu geselliger Unterhaltung frei. In schneller Folge erschienen so Volks- und Jugend schristen. die einen wie die anderen mit gleicher Begeisterung gelesen. Der junge Heinrich von Treitschke bittet auf seinem Weihnachtswunschzettel »m ein Nieritzbändchen, und bcrse'be als nnser glänzendster Geschichtsschreiber gedenkt noch in der „Deutschen Geschichte" ber tieferen Bedeutung keines Lands manns. Die königlichen Prinzessinnen von Hannover schreiben sreudtg dem Dichter, daß ihre Mama ihnen seine sämtlichen Erzählungen geschenkt habe, und ein russisches FUrstentöchterchen in Dresden ruht nicht. btS die Eltern den herrlichen Erzähler zur Tafel rinladen. Noch 1872, alS der Pädagogisch« Verein zu Dresden am 2. März da» vierzig- jährige Schriststellerjubiläum Nieritz' nachträglich sehr festlich beging, prte» August LanSky etwa» boshaft die ltterartsche l Beliebtheit des Gefeierten: „Selbst bet Türken und bei Helden > seine Schreiberei gefällt: steht Sein Nam' aus einem Titel, ob das Buch auch sonst nichts wert, wird e» alS Belehrung», mittel gleich von jung und alt verzehrt." Wirklich wurden die Kugendschristen in fast alle Sprachen Europa» übersetzt» tn die böhmische sogar aus besondere Veranlassung de» Erz. Herzogs Stephan, ber damals Oberstburggras von Löhmeu war. So erfreuten sich Unzählige der spannend geschriebenen Geschichten, die so glücklich tn ihren Stoffen zwischen der sächsischen Heimat und der weiten Welt abwechselten, deren Verfasser oft so rührende Saiten anzuschlagen wußte und immer deutlich erkennen ließ, wie ihm ntcht nur flüchtige Unterhaltung, sondern auch religiöse und sittliche Bildung seiner jugendlichen Leser am Herzen lag. Dennoch landen sich frühzeitig scharfe Kritiker. Sie tadelten besonders die Neigung, der Jugend die Not des Lebens in grell auS- gemalten Bildern zu zeigen. Der schmähsiichttge anonyme Verfasser des seltenen Buches „Dresden und die Dresdener oder Spiegelreflexe a»S Dresdens Gegenwart", der an dem Dresden von 1848 nichts Gutes findet, lobt zwar auSnahm». wetse Nieritz als einen mit Recht hochgeachteten Jugend schriftsteller, der weiß, was er will und ernstes Streben und tüchtige Gesinnung hat, rät ihm aber schon, das Btelschretben zu beschränken. Als seine kritischen Hauptfetnde iah Nieritz selbst zwei Lehrer und pädagogische Schriftsteller an. Er hat eS glücklicherweise nicht erlebt, daß cS wieder ein Lehrer war, der in einer Kampfschrift gegen „DaS Elend unserer Jugend literatur" schrieb: „Wenn das Buch nichts weiter zuwege brächte, als das Ansehen auch von Gustav Nieritz dauernd zu erschüttern, so wollte ich froh sein: denn mir wäre eine gute Tat gelungen." Wirklich hat cS diese pädagogische Anschauung, die für die Jngevdschrlst nur de» ästhetische» Maßstab gelten läßt, fertiggebracht. Nieritz ans de» Schülerbiichereien fast ganz zu vertreiben. Um so erfreulicher war eS. daß in Dresden Männer von höchstem literarischen Feinst»», wie Aböls Stern und RatSarchinar Otto Richter, desto nachdrücklicher auf Nieritz als unseren bedeutendsten bodenständigen BolkSschrtft- steller aufmerksam machte», nach dessen Tode „noch nichts wieder von dichterischer Bedeutung aus Dresdens Geist ge- boren" sei. Fast ein Achtzigjähriger, gab Nieritz noch seine „Selbst- biogravhie" heraus. Sie Ist unschützbar für den. der da» kleinbürgerliche Dresde'' vor hundert Karren kennen lernen will — ein Gegenstück -u KügelaenS klassischer Schilderung, der die „Iugcndcrtnnerungen eines alten Manne«" vom Dresden derselben Tage geben. Unberührt von wechselnden literarischen Anschauungen wird die „Selbstblographie" jedem, der sich liebevoll in D-eSdcnS Berggngenhctt vertieft, die Ge- stakt des trefflichen Nieritz immer von neuem lebendig wer- den lassen. A. sg.
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