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. dient von seiner Gegenpartei kaum einen Tank dafür, wenn er cS thut, weil er nur seine eigene moralische Macht dadurch erhöht hat. Man braucht nicht zu fürchten, daß die Leidenschaft selbst verschwinde, wenn man solche Ausbrüche derselben bei sich und Andern unterdrückt. Ich sage: zu fürchten, denn ich bin weit entfernt, die politische Leidenschaft unserer Tage in ihrem höheren und edleren Sinne für etwas Schlimmes zu halten. Nichts Großes', nichts Schweres vollbringt der Mensch ohne die Leidenschaft. Sie ist ein Rausch der Seele, in welchem diese ihre schärfsten, durchdringendsten Blicke umherwirft, ihre edelsten, hochherzigsten Entschlnye faßt, Aber der Rausch ist verschieden. Der Eine wird bissig und wüthend, wie'ö liebe Vieh, und speit mit dem physischen Erbrechen zugleich die schmutzigsten, ekelhaftesten Gemeinheiten aus, daß man mit Abscheu sich von der widrigen Erscheinung abwendet; der Andere taumelt wohl auch, ist aber selig in seinem Rausche und möchte die ganze Welt mit der Seligkeit erfüllen, die jetzt in ihm thront. So entzündet er durch den Anblick seiner „Millionen umschlingenden" Liebe wohl auch das Herz des nüchternsten Verstandesmenschen zu ähnlicher Empfindung und entlockt selbst dem Geizhals eine Wohlthat. So sei auch unser Rausch; das Erwachen wird dann nickt mit Reue ver bunden sein. Heber Geschwornen-Gerichte.*) (Borgtlragen im ronstituttonrll-demokrot. Bürgerverkin zu Oelenitz). Geschwornen Gericht, Schwurgericht, Jury (engl. und franz.) nennt man eine solche Einrichtung des richterlichen Amtes, wo nicht die vom Staate angestellten Richter, son dern die aus dem Volke für die. Dauer der Verhandlungen gewisser Prozesse gewählten Männer — Schwurmänner, Ge- schworne, Jure, Jurymen — nach ihrer Ueberzeugung, die thatsachliche Frage, ist der Angcschuldigte des Verbrechens schuldig? entscheiden, von deren Beantwortung das Rcchts- urlheil abhangt. Die Geschwornen-Gerichte sind vo» Anfang Volks- und Gemeinde-Gerichte gewesen. Die frühesten Spuren finden sich in England. Die sogenannten Eideshelfer beschworen dort die Unschuld des Angeklagten, selbst bei Bekenntnissen des Angeklagten erfolgte Lossprechung, bis ein Gesetz von 1576 diesem Unfug ein Ende machte. Auch in Deutschland hatten früher die Gemeindemänncr das Recht, das Urtheil zu finden. Die Zahl 12 war von jeher beliebt und sprachen sich von den stimmfähigen Gemeindemännern so aus, daß eine Majorität von 12 erlangt wurde, so war die Sache ent schieden. Konnte diese Majorität nicht erlangt werdeu, so schalten Viele ihr Unheil, d. h. sie erklärten sich anderer Meinung und hießen den Schöffen aufstehesi und fortgchcn. Da diese einseitige Einricktung bald als Unzulänglich erkannt wurde, so fand man es für besser, nur eine bestimmte An zahl von Personen zu diesem Dienste zu fordern, und so i entstand die Zahl 12, welche aber nur einstimmig ein gilti- ges Urtheil finden konnten. Diese Verordnung geschah unter - Heinrich Ik durch zwei Constitutionen von 1164 und 1174. Von dieser Zeit an ist das Wesen der Urtheilsfindung durch Schöffen in Englgnd unverändert und nach und nach die einzige Korm des Verfahrens geblieben. Sonst wa- ') Äasanimenstrllung ave relschndcncn Encyklepädien. ren aber noch mehre Wege vorhanden, einen Criminalprv ohne Gefchworne zu beendigen, zwischen welchen aber n der Ankläger, sondern der Angeklagte zu wählen berech war. In der angelsächsischen Zeit waren die Gottesurth des glühenden Eisens, des heißen 'Wassers und des gewe ten Brodes in Gebrauch; unter der normannischen H schäft kamen die gerichtlichen Zweikämpfe auf, die aber ß im 13. Jahrhundert durch Heinrich II. > abgeschafft wur! In peinlichen Sachen erhielt er sich länger und noch Jahre 1819 wurde er in einer Anklage auf Mord freiq den. Nachdem noch verschiedene andere Gerichte der will lichstcn Gewalt von Karl den I. 1641 aufgehoben wa ist seitdem die Urtheilsfindung durch Gefchworne in Engi als einen der Grundpfeiler der Verfassung angesehen wor! Französische Jury. In Frankreich war die peinl Rechtspflege vor der Revolution so despotisch, unwissend bestechlich, daß fast alle Kreise und Äemter 1789 einstim Urtheilsfindung durch Gefchworne verlangten. In der stitution vom 3. Septbr. 1791 wurde dieser Wunsch ers und eine der englischen treu nachgebildcte Einrichtung schaffen. Eine Anklagejury entschied über die Statthaftig der Anklage und nach beendigtem Hauptverfahren wurden Geschwornen, die vom Volke gewählt wurden, 6 Ja bleiben mußten und vom Staate besoldet wurden, die Tl fachen zur Entscheidung vorgelegt. Eine Strafgerichts«! nung vom 29. Septbr. 1791, ein Criminalgesetz vom Oclbr. 1791 und eine Instruction für das Criminalverfah vom 21. Octbr. 1791 vollendete die neue Gesetzgebung, der neuen. Criminalgerichts-Ordnung vom 17. Novbr. 1k wurde die Anklagejury abgeschafft und eine Sektion des H gerichls entscheidet über die Anklage, eine Veränderung, di welche viele Vorzüge der englischen Verfassung verloren g gen und der Einfluß der Regierungsbeamten auf die Rech pflege erweitert worden ist. Napoleons Gesetzgebung > überhaupt mehr auf die Sicherheit der Verurlheilung auf die Verteidigung des Angeklagten berechnet. Die Sch tenseiten dieser Einrichtung kamen- bald an den Tag. die Auswahl der Geschwornen dem Präsecten überlassen und das Verwerfungsrecht sehr beschränkt war, so hielt nicht schwer, eine dem Angeschuldigten durchaus feindsei Jury zusammenzubringen. Daher bemüheten sich die beß Juristen, der Jury eine unabhängigere Verfassung zu ge! und durch ein Gesetz vom 28. April 1837 wurde dieses reicht. Nach der Juliusrevolution von 1830 wurden vorz lich Preßvergehen durch die Geschwornen entschieden und dv ein Gesetz vom 4. März 1831 und die Revision der 5 struction sür die Criminalgerichts-Verfassung vom 28. As 1832 änderte sich die Sache vielfältig; die alten Grunv gen wurden aber beibehalten. Parallele zwischen beiden. Vergleicht yran nun englischen und französischen Geschwornen-Gerichte, so gi es verschiedene Unterschiede, welche jetzt hervorgehoben n den sollen. In Frankreich beschrankt sich der Wirkungskr der Jury nur aus Strafsachen, mit Ausnahme der eigen! chen Staatsverbrechen, Hochverrath und Angriffe auf Sicherheit des Staats, welche vor die Pairskammer gew sen sind. In England werden auch bürgerliche Rechtsstrei und alle eigentlichen Verbrechen und Vergehen nach dem l theile von 12 Geschwornen entschieden, mit Ausnahme! summarischen.Sachen, Polizeiübertretungen, Veruntreuung