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Voigtländischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Nekigirl von Advocat C. Wieprecht. Truck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wiltwe m Plauen. Jährlicher Abonnementspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Jnsertionsgebühren werden mit t Neugroschen für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhaltniß des Raumes. — Sonnabend. AA, 28. November I84S. Zeitungen wachsen. Abermals hat die Eisenbahn in Sachsen einen schritt vorwärts gelhan. Am 1/. November sand die Eröffnungsfabrt der sächsisch - schlesischen Bahn auf der Strecke zwischen Dresden und dem 3^ Stunden entfernten Städtchen Radeberg statt. Der Bahnhof war mit Flag, gen und Festins schön geschmückt und zur Bewegung des Zugs standen zwei starke englische Locomotiven, Dresden und Germania, bereit, von denen die erstere von den Wap pen und Farben der schlesischen Hauptstadt und des Mark grafthums Oberlausitz, letztere dagegen mit dem sächsischen Landeswappen und weiß und grünen Flaggen, geziert waren. Zehn Wagen nahmen ungefähr 350 eingeladene Personen auf, unter denen sich Se. König!. Hoheit Prinz Johann, sämmtliche Vorstände der Ministerien, eine große Anzahl höherer Staatsbeamten, die Directorien der übrigen sächsischen Eisenbahnen, die meisten Mitglieder beider ständischen Kam mern, die Dresdner Behörden und Stadtverordneten befan den. Um 11 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, über wand binnen 28 Minuten die fast unausgesetzt bis nach Radeberg stattsindende, oft sehr bedeutende (1 auf 55.) Steigung und ward im Bahnhofe unweit genannten Städt chens daselbst festlich empfangen. Nach verschiedenen Festivi täten und Einnehmung eines Gabelfrühstücks, weil ein deut sches Gemüth alles beessen und betrinken muß, kehrte der Zug vor 1 Uhr innerhalb 32 Minuten nach Dresden zu rück, wo dann in der Harmonie erst dem Bauch die rech ten Opfer gebracht worden. Wann wird der erste Dampf wagen auf unserm Plauenschen Bahnhof ankommen? An Esten und Trinken wollen wir es auch nicht fehlen lasten. Die Nachrichten über die Kartoffelfäule lauten beruhigender und zugleich fangen auch die Befürchtungen an über eine be vorstehende Theuerung zu verschwinden. — Für die armen Hinterbliebenen der am 12. Aug. in Leipzig Erschossenen sind bereits über 1100 Thaler eingekommen. Deutschland. Die Nachrichten aus dem südlichen und westlichen Theile Deutschlands hinsichtlich einer bevor stehenden Theuerung lauten beruhigender als früher; aus Ungarn gehen große Ladungen mit Getreide nach Gali zien und Böhmen; in Frankfurt und München sind die Getreidepreise gefallen, desgleichen in Augsburg, Ulm, Heilbronn, Regensburg und Nürnberg. In Straß burg gab sich der Preis um 50 Proc. billiger, und es stellt sich nun immermehr heraus, daß an dieser plötzlichen Angst die Aufkäufer und Kornjuden Schuld waren. Be denklich lautet es jedoch noch aus dem östlichen Theile, aus Preußen, und auch in Norddeutschland sieht man noch mit Bangigkeit dem Winter entgegen. Wollte man eine kurze Uebersicht von der dießjäbrigen Ernte geben, so würde sie ohngefähr also lauten müssen: In England ist die Quantität ziemlich gut, die Qualität unter der Mit telmäßigkeit; in Irland vollkommene Mißernte, zumal in Kartoffeln; in Belgien und Holland theilweiser Mangel an Lebensmitteln; in Frankreich ziemlich gute Ernte und nur theilweise Kartoffelkrankheit; in Spanien und Italien mitt lere Ergebnisse; in den österreichischen deutschen Provinzen und in Ungarn etwas günstiger trotz entgegengesetzter An gaben der Spekulanten; in Galizien großer Mangel in den nördlichen und theilweise Ueberfluß in den südlichen Kreisen; in Baden, Würtemberg und den Rheinländern ziemlicher Ertrag an Getreide bei Mangel an Kartoffeln; in Nord deutschland unbefriedigende, in Schlesien nicht sonderlich reiche, in Südrußland mangelhafte, in Nordrußland ziemlich ge nügende Ernten, keine Kartoffelkrankheit, aber aufgezehrte Vorräthe; in Polen drohende Hungersnoth; in Schweden auch Ausfuhrverbot der Kartoffeln; in Griechenland sehr