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VoigtläMscher Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Redigirt von Advocat C. Wieprecht. Truck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittwe in Plauen. Jährlicher Llbonnementspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Oie Jnsertionsgebühren werden mit 1 Neugroschen für die gehaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Vcrhältniß des Raumes. — Sonnabend. 6. September 1845» Zeitungen Sachsen. Die bedauerlichen Vorfälle, welche sich in Leipzig zugetragen, haben im Vaterlande eine ganz besondereI Wirkung hervorgebracht. Man sieht ein, daß man bloß unter dem Schutze einer freisinnigen Verfassung vor ähnlichen wie- derkehrendcn Auftritten und Gewaltstrnchen sicher ist, man fühlt, wie weit durch die Constitution Land und Volk ande ren, selbst weit größeren Nationen voraus ist, man erkennt, was man dafür seinem Fürsten und Vaterlande schuldig ist, und deshalb regte sich in diesem Jahre weit lauter und offe ner das Verlangen, den Tag, an welchem dem Sachsenvolkc ssine Constitution vor 14 Jahren verliehen ward, aufs fest lichste zu begehen. Man begnügte sich dießmal namentlich in den Städten nicht damit, dieses Ehrentags der sächs. Nation so beiläufig in der Sonntagspredigt zu gedenken; nein! am 4. Scptbr. selbst, als dem Gedächtnißtage der Ver leihung unserer Verfassung erfolgte allenthalben eine Feier, wie sie fast an diesem Tage noch nicht wahrgenvmmen wor den war. Da eine Beschreibung dieser Festlichkeiten der Raum dieses Blattes nicht zu fassen vermag, so muß man die sich dafür Jnteressirenden an die darüber erschienenen öffentlichen Nachrichten verweisen. In Plauen erschien darüber ein besonderes Programm, die Beschreibung der Oelsnitzer und Adorfer Festlichkeiten, sowie der in den übrigen Voigtländischen Städten werden die verschiedenen Localblätter liefern, und es bleibt dabei weiter nichts hinzu zusetzen, als daß auch Leipzig hinsichtlich der kirchlichen Feier nicht zurückgeblieben ist, daß aber daselbst in Betracht der bekannten traurigen Ereignisse auf damit verbundene Volksfeste und Vergnügungen verzichtet ward. — Am 9. d. M. beginnt bekanntlich der Landtag und man darf wohl dießmal gleich bei Beginn desselben ernsten Debatten entgegen sehen. Die Nachrichten darüber wird stets für die Dauer desselben das Mittwochsblatt des Voigtl. Anz. liefern und die Nedactiou wird bemüht sein, dieselben zwar in der Kürze, doch übersichtlich und erschöpfend den Lesern d. Bl. mitzu- theilen. Die Eisenbahn rückt uns immer näher; am 2. d. M. ist die erste Probefahrt auf der Eisenbahn mit der Loco- motive von Leipzig aus nach Zwickau erfolgt und am 6. wird die Zweigbahn von Crimmitzschau nach Zwickau eingewecht. Große und feierliche Anstalten sind in Zwickau dazu bereits getroffen. Mit dem ersten Bahnzuge am 6. d. M. kommt der Comitö mit, dem Vernehmen nach, mehr als 60 Personen, die selbiger dazu besonders eingeladen hat, namentlich die sammtliche Direction der verschiedenen Eisenbahnen, der Leipzig- Dresdner, Magdeburger, Nisaer u. s. w. Seiten des Stadt- rathes zu Zwickau sollen gegen 50 Personen zu dem im dortigen Casino abzuhaltcnden Zweckessen eingeladen worden sein. Das Couvert kostet 1 thlr. Cour. Köche und Bedienung werden von Leipzig mirgebracht. Die Zuschickungen zu dem Riescnbrückenbau über das Göltzschthal gehen rüstig vorwärts, dennoch dürften noch Jahre vergehen, ehe die Locomotive über unsere Fluren dahinbraust. Preußen. Hier erhält sich immer noch das Gerücht, daß das Land bald einer Verfassung entgegen zu sehen habe; wir sagen das Gerücht, weil der Kömg nach seiner bereits in Halle bei Gelegenheit der Wislicenusschen Angelegenheit abgegebene Erklärung nicht geneigt scheint, sich durch etwas imponiren zu lassen. In diesem Lande sind ebenfalls alle Bürgerzusammcnkünfte als verbotene Volksversammlungen untersagt worden. Das Verbot traf am 8. August in Berlin durch eine telegraphische Depesche vom Rhein aus ein, wo sich bekanntlich zcither der König zum Empfang der Königin von England und zwar auf Schloß Stolzenfels aufhielt, und wurde auch von der Polizei am folgenden Tage bei einer Versammlung der protestantischen Freunde, wo man vergeblich den Pfarrer Uhlich erwartet hatte, welchem das Umherzlehen und Predigen untersagt worden ist, in Anwendung gebracht. Dagegen steigert sich dle Theilnahme an der deutsch-katholischen Kirche immer mehr, hauptsächlich ist Schlesien der Heerd, von welchem aus diese Funken zünden. Die Erklärung des übergetretenen gelehrten Pfarrers vr. Theiner, welcher derma len Seelsorger der Gemeinde in Breslau ist, daß, sofern das dortige Domkapitel ihn ercommunicire, er Documente ver öffentlichen werde, die in Schlesien einen allgemeinen Abfall von Rom zur Folge haben würden, ist wahrscheinlich ein 'leeres Gerücht; denn warum will er das nicht auch ohne Excommunication thun? Man wird doch mit dem Bösen nicht unterhandeln? — Die Rheinprovinz ist mit einer neuen Gemeindeordnung beglückt worden.