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71. Jahrgang. Mittwoch, 8. Dezember 192« w 87« Gegründet 185« Dradlanlchrgl: Nachrlchl«» Dr»»-»». Fern>ne»cher-Samm»>numm«r 2 V 241 Nur >Ur NachlgelprLche: 20 011. nom >. »>» IS. ^ezemver W2u dei iaoUch zw«,mal,»er JulleUung >r«, Ziau- l.Stl Mk. ^ W6vUI)l Polldezuaspreis ur Mona, Dezember I Mark okne PonzuUellunqraedüdr «rinzelnummrr IX Psennt,. Die Anzeigen werden nach Goldmarli errechnen di» einlpalliae so mm dreile Anzeigen-Preise: ÄkL7/7L'Äa' »ikerdalb 200 P n Offerlenaevlchr 10 Pin Ausw Aullrilqe nenen Vorausbezabl. SchriNIellunq und KaupIgelchöslsgeUe: Marlenilr. r 28 4 4. Druck u. Berlaq »an Ulepich » Aelchardl m Dresden. Polllcheck-Konlo 1OS6 Dresden. Nachdruck nur m» oeu.licher Suellenan ad, „Dresoner Aachr" iulälsjq. Urverlan 'le Ewrlliftucke werde» Nichl »uldewadrl. lZlütllsi >F2H»-k1ügel -plano« Prager 8traüe 12 kernruk IS378 I^onciilorsi k-imberg sisc-cwusi 21076 Pp»g»p LIp«»« 10 sioeneaki 21076 Ottrislslottenverssnet Sultoni» lä !.2Ü ^ K»nö»l ßlci i.lü K. l Voirüglicks pisls« tzuslilSIsn senOnoi-kvc Drohende Regierungskrise im Reich. Eine Erklärung -es Abg. Dr. Scholz auf -ie Kampfansage -er SozialdemokraUe. Noch kein Fortschritt in -en Genfer Verhandlungen. — CooUdges Kongrebbolschask. — Poinearö über seine Frankenpkäne. Die Koalitionspolitik der Dolksparkei. Im Reiche ist urplötzlich eine Wendung eingctrctcn, die nach dem von der Sozialdemokratie geschlagenen La rin zn urteilen eigentlich eine stleglernngskrise auslöscn müßte. Der Abgeordnete Scholz, der bekannte Führer der Deutschen Volkspartei. der ans dem rechten Flügel steht, hat sich näm lich wie bereits milgctcilt. in einer in Insterburg gehaltenen Rede sehr scharf gegen eine Verständigung mit der Sozial demokratie und für eine Wendung nach rechts zn de» Dentich- nationalcil hin ausgesprochen. Die Hauptstcllen seiner Rede lauteten: „Tic heutige Negierung ist ebenso wie das Kabinett Luther verfassungsmäßig als neutrales Kabinett der Mitte fcstgelcgt und muß daher jeweils die Mehrheit suchen, wo sic sie findet. Bei einer Negicrungsermcilerung kann nur die Frage ent scheiden, welche .Koalition eine längere Dauer verbürgt. Die innere U c b c r e i n st i m m n n g zwischen den T e » t s ch n a t i o n a l c n und den bürgerlichen Par teien der Nk i t t c i st entschieden größer als mit den Sozialdemokraten. Der Stein des Anstoßes kür die Große Koalition ist die Frage der Arbeitszeit, über die niemals eine Verständigung zwischen d e r D e u t i ch c n V o l k s p a r t c i und den Sozial demokraten möglich sein wird. Ebenso unmöglich ist eine Verständigung mit ihnen über die Verlsiiltnisse der AcichSwchr. Sollte die Große Koalition wirklich zu stande kommen, so wäre es ein Gebilde von Wochen, keine dauernde Negierung. Man muß daher »ach der an der» Seite gehen und hoffen, daß die Deutsch- nationalen sich zu praktischer Nt t t a r b c i t zn - riickiinden werden. Die Sozialdemokratie muß den Kamps gegen die kapitalistische Weltanschauung aiifgcbcn, be vor man mit ihr paktieren kann. Sic muß cinsehen lernen, -aß die beste Sozialpolitik die Vlüte der Wirtschaft ist. Das Ziel der Deutschen Volkspartei bleibt nach wie vor die ein sam m e n s a s s n n g sämtlicher bürgerlichen Par te i c n." Veranlaßt durch die in unserer NbcndanSgabc wicdcrgcgcbcnc Auslegung, die der „Vorwärts" dem Bericht über die Jnstcr- burger Nede des ReichsministerS a. D. Dr. Scholz gegaben hat, äußerte sich Dr. Scholz auf Anfrage der Redaktion der „Köiiigsbcrger Allgemeinen Zeitung" folgendermaßen: Die Erregung sozialdemokratischer Kreise über meine im engeren Kreiie der Vertrauensmänner meiner Partei in meinem Wahlkreise gemachten Ausführungen zur Frage der Aegiernngsbildung ist mir um so unverständlicher, als ich ein gangs dieser Darlegungen ausdrücklich betont habe, daß die Deutsche Volkspartei entsprechend ihrer bisherigen Haltung auch zu Verhandlungen ii b e r die große Koalition durchaus bereit ist. Die grundsätzliche Auffassung der Deutschen VolkSpartei Uber die Frage der Acglerungsbildnifg ist in dem allgemein bekannten Frakttons- bcichlnß vom 12. Januar 1924 sestgelcgt. an dessen Grundlagen sich nichts geändert hat. Daß ich persönlich die Aussicht eines etwaigen taktischen Zusammengehens mit der Sozialdemokratie unter den augenblicklichen Umständen skeptisch beurteile, daö auszusprrchcn, ist mein gntes Recht, das mir wohl nicht be stritten werden kann. Zn dieser Erklärung des ReichSministcrs a. D. Dr. Scholz schreibt der „Vorwärts": Herr Scholz steht der Großen Koalition skeptisch gegenüber. Er sieht darin ein Experiment, das »ur wenige Wochen Dauer haben könne. Er hat diese An sicht osscn ausgesprochen. Seine Ansicht muß bei der Stellung nahme der Sozialdemokratischen Partei sehr ins Gewicht lalle». Seine Erklärung ändert an der Wirkung seiner Rede nichts. * Die Quintessenz der Sache scheint die zu sein, baß Tr. Lcholz, dessen rechtsgerichteten Neigungen und Uebcr- zcugullgen allgemein bekannt sind, einmal im Kreise seiner Anhänger kein Blatt vor den Mund genommen, sondern sich tiriiudlich ausgesprochen hat. Das ist ohne Frage sein nn- bcstrcitbarcS persönliches und vcrsassungsmäßigeS Recht. Der bärm, den darüber die Sozialdemokratie erhebt, ist zu durch sichtig parteipolitisch, nni Eindruck mache» zu können. Sachlich sind die Darlegungen des volksparteilichen Führers nn- angrcisbar. Man muß es ihm geradezu danken, daß er das alles rund hrransgesagt hat. ES dient zur Reinigung der volitiichen Atmosphäre, und eS bleibt nur zu wünschen, daß scim Partei im ganzen daraus die praktische» Folgerungen zieht. Der Be)chluk -er Volkspartei vom Januar 24. Berlin, 7. Dez. I» dem Parteibeschluß vom 12. Januar MI. ans den sich der Abg. Scholz in seiner Erklärung zu de» Angüssen des „Vorwärts" bezog, heißt es n. a.: Das Ziel deutscher Innenpolitik muß die Volksgemeinschaft sein. . . . Tie sogenannte Große Koalition war noch nicht die Er reichung. wohl aber ein Weg zn diesem Ziel. DaS taktische Zttjaminengehcn mit der Sozialdemokratie wurde von der Rcichstagsfraktion in ihrer Heidelberger Erklärung im Sep tember li>2l grundsätzlich gntgcheisien. Nach einem Hinweis auf das Scheitern der Großen Koalition im November 1923 heißt cs weiter: „Die V. S. P. D.. die seit der Fusion der Sozialdemokratische» Partei mit der früheren U. S. P. unter den Einslnß des radikalen linken Flügels geraten war, hat nicht die Kraft aufgebracht, von sich anS die Verbindung der Partei in einzelnen Landeslcilcn mit der Kommunistischen Partei zn lösen, durch diese Politik die wirtschaftlichen und staatlichen Notwendigkeiten einseitiger parteitaktischcr Ein stellung geopfert und damit den Beweis erbracht, daß mit ihr in der jetzigen Zusammensetzung und bei ihrer Abhängigkeit vom Radikalismus im eigenen Lager fruchtbare Reichspolitik nicht getrieben nnd daö Ziel der Volksgemeinschaft nicht er reicht werden kann. Nachdem die Große Koalition Im Reich durch die Politik der V. S. P. D. zerstört morden ist. erwächst der Neichstagssraktivn der Deutschen Volkspartei die Aufgabe, an der Bildung einer tragfähigcn bürgerlichen Koalition zu arbeiten." , Der Kinkerqnmd -er Krisenmache. iD r a h t in e l d ii ii g unserer Berliner S ch r l s t l e I t u n g.I Berlin, 7. Dez. Man ist in politischen Kreisen nicht überall geneigt, den Theaterdonner, mit dem die sozialdemokratischen und vor allen Dingen auch die demokratischen Presseorgane die Qcsfcntlichkeit wegen der Nede des volksparteilichen Abg. Dr. Scholz in Insterburg in Aufregung versetzen, sonderlich ernst zu nehmen. Was die Demokraten betrifft, so wird man nicht fchlgehen in der Annahme, daß diese die günstige Gelegen heit, von den überaus traurigen Verhältnissen in der eigenen Partei abznlenken, nicht nngcniitzt vvrübergehen lassen wollten. Was die Sozialdemokratie angcht. so zweifelt man nicht daran, daß auch diese in der Scholzschen Rede eine gün stige Gelegenheit erblicken, sich von Vereinbarungen, die jetzt scheinbar von dersozialdemokratischen Reichötagsfraktion als un angenehm empfunden werden, wieder freiznmachen. Der Ab geordnete Scholz hat ausdrücklich sestgestellt, daß er an die Spitze seiner Rede die Feststellung gesetzt habe, daß die Deutsche Volkspartei entsprechend ihrer bisherigen Haltung auch zu den Verhandlungen über die Große Koalition durchaus bereit sei. Daß die Deutsche Volkspartei ihren guten Willen, mit der Sozialdemokratie znsaiiimcnzuarbciteii, oft genug gezeigt hat, kann man doch wahrlich nicht verkennen. Sogar der „Vor wärts" muß denn auch zngcbe», daß Dr. Scholz sachlich wahrscheinlich recht hat, wenn er eine Verständigung der Volkspartei und Sozialdemokraten in der Frage der Reichs wehr verneint. Dasselbe gilt von der Prüfung des Vor- schlageS der Regierungsparteien über die A r b c i t s z e i t. Der „Vorwärts" gibt dies selbst mit den Worten zu: „Wir haben allerdings keinen Zweifel darüber gelassen, daß der Entwurf, so wie er jetzt ist, bei uns keine Aussicht aus Annahme hat." ES ist sehr interessant, daß heute auch das Berliner vvlks- parteilichc Blatt, die „Tägliche Rundschau" schreibt: „Bon irgendeiner Seite mußte einmal ausgesprochen werden, daß es znm mindesten in der Frage der Stellung zur Reichswehr und in der Frage der Arbeitszeit keine Brücke zwischen Bolks- partci und Sozialdemokratie gibt. Wenn es Zeiten gegeben hat, in denen man noch hoffen konnte, daß die Sozialdemo kratie trotz Fcsthaltcnö an ihren Parteigrundsätzen sich in der praktischen Politik wenigstens ans den Boden der Verfassung stellen und so Helsen konnte, die notwendigste Mehrheit in Lebensfragen der Nation zu schassen, so hat sich längst gezeigt, daß man diese Hoffnung begraben muß. Es stehen uns Kämpfe in wichtigen Frage« bevor, die mit der Sozialdemokratie nun einmal nicht zu lösen sind. Besonders bei der Haltung, die die Partei gegenüber den Kommunisten eingenommen hat und die ihr jedes Rückgrat nach links geraubt hat." Hiermit wird deutlich geling znm Ausdruck gebracht, daß sich die Deutsche Volksnartei von der Sozialdemokratie nicht mehr viel verspricht. Sic ist jetzt offenbar gesonnen, den einzig möglichen Weg der Bildung einer bürgerlichen Negierung an- bahncn zu helfen. Man wird jedoch abwarten müssen, wo sich die anderen bürgerlichen Parteien, vor alle» Dingen daö Z cntru in. dazu stellen werden. Reichskanzler Dr. Marx scheint die Aus einandersetzung. die sich an die Rede des Abg. Scholz geknüpft hat. als nicht sehr dringlich anzniehen. Er ist der Meinung, daß alle diese Dinge vor das Forum der Fraktionen gehören. Diese treten erst am Donnerstag wieder zusammen. Man glaubt in de» Rcgiernngskrciscn nicht, daß die Sozialdemo kratie. wie es der „Vorwärts" andröht, bei der am Donnerstag erfolgenden Abstimmung über das k o m m n n i st i s ch c Miß trauensvotum für dieses stimmen oder es zu einem Miß trauensvotum für das ganze Kabinett umgcstalte« würden. Die sächsische Minislerpräsi-enlenwahl wiederum erfolglos. Es ist ein recht uncrgnickliches Schauspiel, das der Säch sische Landtag durch die Verschleppung eines positiven Er gebnisses bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten bietet; iinergnicklich nicht bloß dem eigenen Lande und Volke gegen über, sondern auch mit Rücksicht ans die übrigen Rcichsteile» die dem parteipolitischen Vcxicrspicle mit gespanntem Inter esse zuschaucn. Sachsen genießt eben immer noch aus früherer Zeit her, wo es in ganz Deutschland als konstitutioneller und kultureller Mnstcrstaat bekannt und geachtet war, eine be sondere Aufmerksamkeit. Man verfolgt überall, und nicht zum wenigsten in Berlin in den leitenden Ncichskrciscn, den Ver lauf der Dinge In Sachsen nach den Landtagswahlcn mit einer gesteigerten Anteilnahme, die sich teilweise aus der auch jetzt noch hervorragenden Stellung unseres Landes als führender mittel deutscher Vvlksstaat erklärt, znm Teil aber auch ans der Eigen art der sächsischen Verhältnisse beruht, wie sic in dem Schwan ken der politischen Wage zwischen Bürgertum und Links- sozialismns und in dem zwischen rechts und links ausschlag gebenden Verhältnis der Alisozialistcn gegeben ist. Draußen im Reiche wird man wohl allgemein erwartet haben, daß es diesmal zur Entscheidung gekommen wäre. Es war aber wiederum vergebliche Liebesmühe. Am Dienstag dem 3t>. November wurden 95 Stimmen ab gegeben. Davon entfielen 14 aus den Linkssozialisten Fleitz- ner, dessen Unterstützung durch die Kommunisten von diesen mit der Begründung versehen wurde, „sie wollten durch di« Wahl eines sozialdemokratischen Ministerpräsidenten den linkssozialistischen Führern nochmals Gelegenheit geben, den wahren Eharaktcr ihrer Politik vor der breiten Masse z» ent hüllen". Die bürgerlichen Parteien hatten cs vcsrcmdlicher- weise verabsäumt, sich rechtzeitig über einen gemeinsamen Kan didaten zu verständigen. Sic befolgten die Taktik, daß jede Fraktion für ihren Vorsitzenden stimmte, so daß ein Sammel surium von acht verschiedenen Kandidaten hcrauskam, das die üble Wirkung hatte, die bürgerliche Zersplitterung drastisch und plastisch hcrausziimcißcln. Bei der gestrigen Wieder- holung der Wahl gaben die Linkssozialisten und Kommunisten abermals ihre Stimmen geschlossen für Flcißiicr ab. zu sammen 14. Die übrigen 51 Stimmen — es war wieder Mann für Mann am Platze — verteilten sich diesmal nicht, wie am 39. November, auf acht, sondern bloß auf sechs Gruppen, da die beiden kleinsten Fraktionen für den Mittel, standskandidatcii stimmten. Im ganzen standen abermals 14 gegen 61 Stimmen, so daß das Ergebnis mangels einer absoluten Mehrheit negativ anSsiel. Die Kommunisten haben durch ihre Erklärung über die Gründe, die sic am 39. November znm Eintreten für Flclßncr bestimmten, die Linkssozialisten in arge Verlegenheit gebracht, weil dieser Erklärung der crläiitcriidc Zusatz gegeben wurde, „daß der Weg zur Herrschaft der Arbeiterklasse nur über den Sturz des bürgerlichen Staates führen werde". Das heißt also mit anderen Worten — die Kommunisten haben wenig stens das eine Gute, daß sie ihre letzten Absichten nicht ver schleiern —. die Linkssozialisten sollen in einer von ihnen ge bildeten Regierung bis zu dem kritischen Punkte getrieben werden, wo sie ein klares und unzweideutiges Bekenntnis ob legen müssen, ob sie ans einen wenn auch noch so losen Zu sammenhang mit der schwarz-rot-goldenen Ncvnblik noch irgendwelchen Wert legen, oder ob sic mit klingendem Spiele ganz in das koinmiinistischc-Lagcr der roten Räterepublik ab- mgrschicrcn wollen. Die Kviiimunislcn warten offenbar auf den Augenblick, wo sie a»fs neue wie l!«23 die Nnsähigkcit einer linkSsozialistiichcn Regierung zn einem „wahren Arbciterregime" proklamieren können, Um dann mit Ihren Moskauer Ltaatsrczcpten in die Bresche zu springen. Gestern machte» sie ebenfalls aus ihrem Herzen keine Mördergrube, sondern zogen weidlich über Alisozialistcn und Bürgerliche her. ließen das „rote Arbcitcrsachscn" leben und drohte» mit der „Anscinanderjagulig des Landtages". Vielleicht mit Mos kauer Hilfstrnppc»? Das Gebaren der Komm »nisten hatte wenigstens das eine Gute, daß cs die Altsozialistcn ver anlasse. nochmals nachdrücklich ihren Standpunkt zu be tonen, daß sic keine aus kommunistische Krücken angewiesene linkssozialisttschc Regierung unterstützen würden. Die Ans- fälle der Kommunisten gegen die Bürgerlichen müssen als unvermeidliche Zugabe der aanzcn Lage in den Kauf ge nommen werden. Die Hauptsache ist ja doch, daß schließlich das Ende so wird, daß man von den Bürgerlichen sagen kann: