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Boigtlän-ifcher Anzeiger. N«»» ««- vierzigster Jahrgang. 1838 Plauen, den 10. Novbr. 45. Nachstehender Aussatz aus No. 253 des bcachtens- werthen „Allgemeinen Anzeigers der Deutschen 1838" erschien Einsendern zu würdig, allgemein verbreitet zu werden, als daß er sich des Wunsches enthalten konnte, denselben in dem viel gelesenen Voigtl. Anzeiger aus genommen zu sehen. Wird dessen Inhalt auch nur von wenigen Familien beherzigt, — was leider fast zu befürchten steht,, wenn man sowohl in Städten, als auf dem Lande um sich schaut — so giebt dies doch einigen Gewinn, und das Beispiel wirkt dann weiter. Aber Achtung der Zngend gegen Er wachsene. Keine schönere Zierde für Kinder und junge Leute, als Bescheidenheit und Ehrerbietung gegen ältere Per sonen. Die Jugend soll mit treuer Liebe an Aeltern und Lehrer hangen und Achtung bezeigen jedem andern Menschen, sonst wird ja jedes Verhältniß in der Welt umgedreht. Aber man hört überall die Klage, daß Kinder und junge Leute sich frech gegen Lehrer und Erwachsene, ja gegen ihre Aeltern selbst beweisen. Was soll da für ein Geschlecht groß gezogen werden, daö von Achtung gegen Lehrer, Aeltern und Erwachsene nichts weiß? Bald wird es auch nichts wissen von Achtung gegen Gesetz, Obrigkeit und Fürsten. Und es ist jetzt schon so. Wir vertheidigen gern unser Zeitalter, erkennen willig das Gute an, waS unsere Zeit vor allen Jahr hunderten voraus hat; doch ist es als ein fauler Fleck dcS Familien- und Staatslebens anzuschen, daß die Pietät der Jugend abnimmt, daß Erwachsene klagen müssen über Frechheit der jungen, keimenden Welt. Lehrer hört man klagen, daß ihre Schüler kaum sie noch achten in der Schule, wo sie doch noch auf eine empfindliche Weise daran erinnert werden können; aber kaum seien dieselben der Schule entlassen, da höre jedes Verhältniß zwischen ihnen auf. Leute, die fie mit schwerer Mühe zu Menschen hätten bilden müssen, gingen an ihnen vorüber, ohne die Mütze nur zu lüften, ihnen eine dicke Wolke stinkenden Lqbaks- dampfeö in's Gesicht blasend. Daß dieses nicht auS der Luft gegriffen, sondern die reine Wahrheit ist, muß Jeder zur Schande unserer Zeit ekngestehen. Ueberhaupt alle Erwachsene wissen zu reden von der Frechheit und Bosheit der Jugend. Die Klagen sind gegründet, und wir könnten noch manche unserer Erfahrungen anführen, könnten sie auch mit Namen, Ort und Zeit bekräftigen. Woher kömmt aber solch eine Jugend? Das kind liche Herz ist doch ursprünglich weich, zart und bil dungsfähig; wer hat dasselbe am meisten in ftiner Gewalt? die Aeltern. Wenn die Kinder sich unge zogen und frech gegen Erwachsene betragen, so üben sie Lehren auS, zu denen ihre Aeltern den Grund legten. Die ungescheute Unterhaltung (wenn ich so sagen darf) der Aeltern vor ihren Kindern trägt die erste Schuld, daß Kinder frech werden. Die Aeltern werden offen vor ihren Kindern von den vermeintlichen Fehlern der Fürsten, der Obrigkeiten, der Lehrer und anderer Menschen; sie meinen, es ginge ungerecht zu, schimpfen auf ihre Feinde; dies hören die Kinder, dies wird ihnen mitgetheilt, oft mit geheimen Nebenab sichten, und sie richten ihr Betragen nach den Reden der Aeltern ein. Die Aeltern erzählen mit innigem Vergnügen ihre Jugendstreiche, und wissen sich darauf