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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 05.07.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270705018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927070501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927070501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-07
- Tag 1927-07-05
-
Monat
1927-07
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 05.07.1927
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Dienstag. S. Juli 1927 — »Dresdner Nachrichten* — Nr. 310 Sette S Ae Deutsche Aeichsbahngesellschasl und die «Schfilche Mrtschast. tvte Wünsche der gesetzlichen Lernsaoertretungen und srelen SpitzenverbSnde der sächsische« Wirtschast Der zurzeit hier tagende BerwaltungSrat der Deutschen Reichsbahngesellschaft war am Mon tag von den gesetzlichen Berussvcrtrctunge» und treten Lpttzenverbänden der sächsischen Wirtschast zu einem Abend- essen nach dem Hotel Bellevue geladen worden. An der reich mit Blumen geschmückten Tafel hatten »4 Herren Platz ge nommen, darunter die Minister Dr. Krug von Nidda und von Falkensteln und Weber. Oberbürgermeister Dr. Blüher, Arei». Hauptmann Buck, Reichskanzler a. D. Dr. Luther, Oberpräsi- dent a. D. von Batocki, Generaldirektor Dorpmüller, Staats sekretär a. D. Dr. Stieler, Mitglieder des Landtages und andere. Der Vorsitzende der Dresdner Handelskammer Geh. Äommerztenrat Schleich richtete eine BegrttstungSansprache an die Erschienenen, in der er u. a. ausführte: Der BerwaltungSrat der Deutschen Reichsbahn»Gesell, schaft tagt heute zuin ersten Male in Sachsen. Diese Tat- sache erfüllt uns mit lebhafter Genugtuung: dürfen wir doch hierin einen Beweis dafür erblicken, das, Sie, meine Herren, dte große Bedeutung Sachsens für die gesamte deutsche Volkswirtschaft zu würdigen wissen. Vor wenigen Tagen erst hat Ihr ver ehrter Generaldirektor hier daraus hingewiesen, daß Sachsen unter den BerkehrSbezirken der deutschen Reichsbahndirek ttonen eine besondere Rolle spielt, und zwar nicht nur, weil Sachsens 84000 Kilometer Bahnläuge mit Ü1000 Eisen- bohnern die Zahlen anderer Direktionen weit übertrcffcn, sondern weil es zugleich der verkehrsreichste Bezirk ist. Seit Jahrhunderten als hervorragend gewerbsfleißig bekannt, verfügt Sachsen heute nur noch in ganz geringem Maste über die für die gewerbliche Weiterverarbeitung erforderlichen Roh stoffe. Es ist daher, wie wenige andere Gebiete, für Empfang und Versand auf einen lebhaften Güterverkehr an gewiesen. Die Ansichten über den Wert der vertikalen Staffelung der Tarife gehen zwar auch in der sächsischen Wirtschaft auseinander, aber da unsere hauptsächlichsten Bezugs- und Absatzentfernun gen nicht wesentlich über 260 Kilometer liegen, sind sich alle schassenden Stände Sachsens in dem Wunsche einig, daß anher der dringend notwendigen Verbilligung der Wagenladungs klassen ^ bis v und der darin liegenden Milderung der horizontalen Staffel vor allem die Nahsrachten durch Herab setzung der Abfertigungsgebühren für nahe Entfernungen er mäßigt werden möchten. Wir hoffen, dast die Beschlüsse, welche di« ständige Tarifkvinmission und der Ausschnst der Äerkehrs- interessentcn in dieser Richtung kürzlich gefaßt haben, die Billigung des Verwaltungsrats finden, und daß künftig auf diesem Wege weiter fortgeschritten wird. Auf unserem Wunsch zettel stehen, um nur die Hauptpunkte zu erwähnen, ferner die Verbilligung der 10 - Tonnen - Ncbenklasse unter Bei behaltung des bisherigen Zuschlags für die 6-Tonnen-Klasse, sowie die Einführung einer neuen WagenladungSklässe V1. Wenn wir auch in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Not lage der Verfolgung mancher neuerer phantastischer Sanalprofekte, deren Rentabilität zweifelhaft ist und die in manchen Fällen mit öffentlichen Mitteln lediglich der Reichsbahn eine neue Konkurrenz bereiten würden, nicht das Wort reden wollen, so legen doch namentlich die Wirtschaftskreise Mittelsachsens den größten Wert darauf, daß unsere älteste Verkehrsader, die gerade in Sachsen mustergültig auögebaute Elbcwaflerstraßc, nicht infolge zunehmenden Wettbewerbs der Eisenbahn ver ödet. Würde sich die Reichsbahn, von den jüngsten Verkehrs mitteln, Kraftwagen und Flugzeug, in ihren alten Verkehrs beziehungen bedrängt, dadurch schadlos halten wollen, daß sie ihrerseits immer weiter in den früheren Besitzstand der Binnenschiffahrt eindringt, so würde das u. E. ein Brach- Icgen von Nationalvermögen bedeuten, das unser ver armtes Volk sich nicht leisten kann. Wir sind der lieber- zeugung, dast die Einführung der seit Jahren auch für die Elbe geforderten BinnenumschlagStarife nicht nur den ungewöhnlich stark zurückgegangenen Schiff- fahrtSverkehr wieder heben, sondern die Bedeutung der großen Elbumschlagplätze Dresden und Riesa auch für die Eisenbahn erhöhen wird. Das sächsische Verkehrsgebiet, in dem sich Stadt an Stadt reiht, hat natürlich auch eine große Anzahl Wünsche nach Verbesserungen im Personenverkehr, in dem wir uns manchmal etwas zurttckgesetzt fühlen. Es würbe zu weit führen, hier auf Einzelheiten etnzugehen, aber wir dürfen wohl hoffe», dast Ihre Anwesenheit tn unserer schönen Heimat Sie auch Verständnis für die Not- Wendigkeit gewinnen läßt, den geschäftlichen und touristischen Personenverkehr nach und in Sachsen noch weiter zu fördern, und daß wir deshalb künftig aus besonders wohlwollende Prüfung unserer Verkehrswünsche rechnen können. Sie, meine Herren, denen die Leitung und Verwaltung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft anvcrtraut ist, erblicken in der Ausbringung der der Reichsbahn auferlegten Repara tionszahlungen ihre dringendste Ausgabe. Wir verstehen das, aber mit der gesamte» deutschen Wirtschaft rufen auch wir Ihnen zu: Bedenken Sie bet allen Ihren Entschließungen immer wieder, daß die Deutsche Reichsbahn kein Sonder leben führen kann, dast sie ihren Wert als Vermächtnis eines reicheren Deutschlands, als Bindeglied der deutschen Gaue und des europäischen Kontinents, ja selbst als Pfand gegen über unseren Gläubigerstaaten nur behält, wenn sie sich als ein lebendiges und dienendes Glied in eine gesunde deutsche Wirtschast einsügt. Die Rede klang aus tn Hochrufe auf das Wohl der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, ihres Verwaltungsrats, ihres Vorstandes und ihrer Hauptverwaltung. Der Vizepräsident des Verwaltungsrates der Reichsbahn, SlaalssekrelSr Dr. Stteler sprach den herzlichen Dank des Verwaltungsrats und der Mitglieder der Hauptverwaltung aus für den freundlichen Empfang und insbesondere für die liebenswürdigen Worte, mit denen Geh. Kommerzienrat Schleich namens der berufenen Vertretungen der sächsischen Wirtschaft sie begrüßt habe. Dr. Stieler sagte dann u. a.: Das Deutsche Reich hat mit der Uebernahme der säch sischen Eisenbahnen ein kostbares Erbe angetreten und die Verpflichtung übernommen, die sächsischen Eisenbahnen und damit die sächsische Wirtschaft ebenso treu und sorgfältig zu pflegen, wie dies von der ausgezeichnete» frühere« sächsischen Eisenvahnverwaltung geschehen war. Sie dürfen davon überzeugt sein, dast Haupt verwaltung wie VerwaltungSrat diese ihre Verpflichtung voll anerkennen, und daß sie bereit sind, innerhalb der Grenzen der Möglichkeit alles zu tun, um die Lage Sachsens nicht nur zu halten, sondern zu verbessern. Auch Ihren Sonderwünschen begegnen wir mit Interesse und gutem Willen. Daß sie zu unserer Kenntnis kommen, dafür sorgt dte Neichsbahndircktion Dresden und unser sehr geschätzter Kollege, Herr Buck. Ich darf bei dieser Gelegenheit erwähnen, dast die Rcichs- bahnvermaltung seit ihrem Bestehen, wenigstens aus dem Ge biete der Gütertarife, nur Ermäßigungen und keinerlei Erhöhungen hat eintreten lassen. Der Gütertarisindex steht heute auf 135, der Personcntarifindex aus 122. während der Groß handelsindex mit 137 und der Lebensmittelindex mit 146 berechnet wird. Angesichts dieser Sachlage must die Reichs bahn jeden einzelnen aus Tarifcrmäßigung gerichteten Antrag mit äußerster Vorsicht prüfen. Dies gilt natürlich auch hinsichtlich der von dem Herrn Vorredner erwähnten neuen Beschlüsse der Ständigen Tarifkommission und des Aus schusses der Verkehrsinteressenten, deren Prüfung bei unserer diesmaligen Tagung erfolgen wird. Meine persönliche Meinung geht dahin, dast wir allerdings diese Anregun gen der Ständigen Tariskommission werden zu berücksichtigen haben, und ich möchte auch die Hoffnung aussprechen, dast uns die Finanzlage es gestatte, die Ausfälle, die uns durch Erfüllung dieser Tarifwünsche erwachsen, ohne Ersatz zu tragen. Wenn ich diese Hoffnung ausspreche, so gründet sie sich auf die erfreuliche Tatsache des starken Güterver kehrs, den wir heute zu bewältigen haben, und der hier aus fließenden schönen Einnahmen. Ich weist mich mit Ihnen einig in dem Wunsche, -aß diese Verkchröwellc noch lange anhalten möchte, und daß sie uns hinüber Hilst über die Schwierigkeiten, die unS durch die sicher zu erwartende Steigerung einer ganzen An zahl von Ausgabeposten erwachsen werden. Der Herr Vorredner hat das Verhältnis der Reichsbahn zu den Wasserstraßen gestreift. Die Reichsbahn verkennt nicht die Bedeutung der Wasserstraßen für das von ihnen bediente Gebiet, und sie weist auch, dast die Belebung, die die Wirtschaft solcher Ge biete durch dis Binnenschiffahrt erfährt, ihre Rückwirkung haben must auf den Verkehr und die Erträgnisse der Bahnen. Von einer schiffahrtSseindlichen Einstellung der Reichsbahn kann danach keine Rede sein. Nur glauben wir. davor warnen zu müssen, heute durch Neuanlage von Wasserwegen den deutschen Steuerzahler zu belasten, wenn die Reichsbahn tn der Lage ist. den Verkehr, der aus diesen neuen Wegen bedient werden soll, zu bewältigen, und zwar zu Bedingun gen, die nicht ungünstiger sind, als die Wasserstraßen sie bieten könnte. Ich kann Ihnen versichern, dast alle Mitglieder des Vcr- waltungsratS ohne jede Ausnahme ebenso wie ich durch drungen sind von der Richtigkeit des Satzes, baß das Gedeihen der Reichsbahn abhängig ist von dem Gedeihe» der deutschen Wirtschast. Wir können, auch wenn wir die uns anvertrauten Sonder interessen in erster Linie im Auge haben, nur mit Ihnen wünschen, daß dte deutsche Gesamtwirtschast blühen und ge deihen möge, die deutsche Gesamtwirtschast, von der die säch sische Wirtschaft ein so bedeutsamer Teil ist. Der Redner forderte die Herren des Verwaltungsrats und der Hauptverwaltung aus, aus das Blühen und Ge deihen des sächsischen Wirtschaftslebens ihre Gläser zu leeren. Oberlousttzer Festwoche in Görlitz Der erste Tag der Oberlausitzer Festwoche lOlas». die neben den verschiedensten festlichen Veranstaltungen eine Oberlausitzer Tierschau, Boxkämpfe, Automobilrennen. Flug tage usw. umfaßt, wurde am Sonntag früh mit Wecken und Choralblasen vom Rathausturm eingeleitet. In den Nach- mittagsstundcn durchzog ein großer historischer Festzug die reichbeflaggten und geschmückten Straßen der Stadt. An dem Zuge nahmen etwa 6000 Personen, darunter zahlreiche Reiter. 15 Musikkorps, etwa 70 Festwagen und zahlreiche blumengeschmückte Automobile und Equipagen, teil. Auster vielen Schützenvercinen aus den benachbarten Städten und Ortschaften der Obcrlausttz beteiligten sich an dem Feslzuge die Handwerksinnungen, der Landbuud, die Kriegervereinc, Turn- und Sportvereine. Behörden. Automobilvcrbäude, Handel und Gewerbe usw. Am Rathause wurde der Fcstzng vom Oberbürgermeister Snay mit einer Ansprache begrüßt, in der er auf die Gründungsgcschichte der Schützengilde ein ging. Um 4 Uhr nachmittags wurde im SchützenhauS und im Rcichöhof Leschwitz die Schützcnsestmiesc eröffnet. Ten übrigen Teil des Sonntags stillten Festschiesten, Turn- und Sportvorführungen, Konzert und Thcatcraufführungcn aus. —* Ei» Arb«iteri»«en-Landheim. Der Landesverband evangelischer Arbeiterin ne »vereine in Sachsen beabsichtigt, ein Landheim zu gründen, in dem seine Mitglieder und alle dem Verein nahestehenden Arbeiterinnen zur Er holung Ausnahme finden können. — Ein mißglückter Fluchtversuch. Wie das Kriminalamt Dresden berichtete, wurde der 37 Jahre alte kaufmännische Angestellte Rudolf Schneider wegen zahlreicher Wett- scheinfälschungcn und Betrügereien fcstgcnommcn. Schneider wurde der Staatsanwaltschaft Dresden zugcführt. Nach einer gerichtlichen Vernehmung am Sonnabend in der 5. Nach mittagsstunde, als sich Schneider plötzlich allein glaubte, eilte er spornstreichs zum GertchtSgebäude hinaus. Es begann alsbald eine tolle Flucht die Münchner Straße hinab. Schließlich gelang es einem zufällig entgegenkommenden Justtzbcamten, Schneider zu fassen und den nacheilendcn Wachtmeistern zu übergeben. — TirpedodivifiovS- und tOjährlger Jübllänmstag. Am 10., 11., IS. uns 18. September 1827 findet in Siel ein DivistanStag, ver bunden mit dem 40jährigen Fubiläum der schwarzen Waffe der roten Biese für alle ehemaligen und derzeitigen Angehörigen der alten stolzen Torpcdoivaffe beider Stationen statt. Ferner werden die gefallenen Kameraden durch Anbringung einer Gedenktafel geehrt. Anmeldungen nimmt die Torpedokameradschaft Dres den, KeglerhauS, Oftro-Allee, entgegen. — Die «mtSrim«« d«S Städtische» BepattnngSamteS im Neuen Rathaus — Eingang An der Kre'"'-rche S — sind täglich, auch an Sonn- und Festtagen, von früh 8 Uhr bis abends 6 Uhr ununter brochen für das Publikum geöffnet. Auch nach dieser Zeit ist das Be- staltungSamt durch Fernrusc Nr. 17388 und 17822 zu erreichen. — Di« Wort« am Sarge d«S Superintendenten v-Dr. SSlstsch. Dl« bei der Trauerseier für de» verstorbenen Obcrkonsistorialrai v. Dr. KSltzsch In der Kreuzktrche zu Dresden gehaltenen Reden sind gedruckt worden und im Verlag von Franz Sturm L Eo. in Dres den-«. 16 erschienen. DaS Heftchen ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen. — Lolouialfeier. Die a» I. Juli infolge Gewitterregen ab gebrochene Kolonialseter findet am S. August in derselben Weise stall. Ehren- und Borvcrkaufskarten behalten ihre Gültigkeit. — Die Bolksfteruwart«, Hofmannstrahe 11, ist bis auf weiteres Donnerstag« abend» geschloffen. Dagegen finden auch ferner Montags abends nach Eintritt der Dunkelheit Beobachtungen statt, die in erster Linie den Mitgliedern des Vereins Vorbehalten sind. — Die J»li-A»ktio» der Vstprexßische» Holländer-Herdbuch-Ge- selfchast» die am 28. und 21. Juli inKöntgSberg i. Pr. iBichhos Rosenaus stattfindet, wird «tt etwa 120 Bullen und 200 weiblichen Tieren gut beschickt werden. Besonders stark beteiligt ist das Blut der Winter-Linie, der neue» Nclusko-Ltute, der Hamlet-Linie und der Hannoveraner-Linie. — Sonderbeilage. Der heutigen Stadtauflag« liegt der Abon-ne- ment-Prospekt des Albert-Theater» für die September beginnend« neue Spielzeit unter der Leitung von Hermin« Körner und Hugo-Wolfgang Philipp bei. Do» Abonnement bietet wesent- liche Borteile, zumal di« Preis« außerordentlich niedrig gestellt sind und für die Abonnenten beim Aiiftreten von Frau Körner keine Zuschläge erhoben werde». Die Bestellungen müssen bis 16. Juli auf den beigesügien Bestellscheinen erfolgen. plattlertanzender Naturburschen zu sehen, sondern eine hoch, begabte, eigenwüchsige und seelisch gesunde Bevölkerung, deren Bedeutung für unser Volkstum gar nicht überschätzt werden kann. Sicherlich ist eS nicht leicht, tn das Wesen dieser Menschen einzudringen. die in jahrhundertelanger Abgeschlossenheit von den großen Weltläuften lebten und deren bodenständige Kultur auch heute noch durch den äußeren Firnis der Zivilt- satton wie eine dem Stadtmenschen kaum noch begreifliche Seltsamkeit leuchtet. Wer aber mit einfühlsamer Menschlich, keit dem oberbanrischen Bauern gegenübertrttt, allen falschen Dünkel des Wissens und der Weltgewandthett abwirft und lernen, nicht belehren will, der wird seelische Entdeckungen machen, die den gewaltigen Ausblicken tn die Berge nichts nachgeben. Es ist keine Zurücksetzung unseres schwerblütigen niederdeutschen BaucrnschlageS, wenn wir behaupten, daß der Bewohner der Alvenvorbcrge. mit ihm verglichen, von einer geradezu erstaunlichen geistigen Beweglichkeit ist. Die Scholle bildet den Menschen, und die weiten Fluren des Ntederlandes, der fette Boden an den Ufern der großen Ströme machen daS Volk langsam und besinnlich, sa ttef- sinnig, wie dte Spökenkieker Westfalens. Anders der Alpen bewohner: er haust in jenen Bezirken, da der träge Strom des Ntederlandes noch schäumender Sturzbach ist, und dte alle Erdenschwere auflüscnde Gipsclscltgkcit, um derentwillen das kühne Blut Europas alljährlich nach den Bergen strömt, hat auch daS Volk in Obcrbanern und Tirol mit behender Keck heit und unbäiicrlichcr Leichtigkeit erfüllt. Trotz aller harten Arbeit l»nd das Hvlzcn in Schrunden und aus Bcrghängen ist unendlich mühselig und gefährlich», trotz der gewissen Aus sicht. daß ein Teil der Anstrengungen alljährlich den Un bilden der Witterung zum Opser fällt, trotz der kargen Lebenshaltung, die in der Gegenwart eine fast ganz auf Vieh- zucht eingestellte kleinbäuerliche Wirtschaft gestattet, lebt in dieser Bevölkerung eine leichtflüssige Heiterkeit, eine Freude an Musik und Mummenschanz, ein Drang z» künstlerischer Gestaltung ans allen Gebieten, wlc daS tn solcher Mannlg- salttgkett sonst tn Deutschland kaum z» finden ist. Wenn irgendwo, so haben wir hier einen Stamm von geborenen Künstlern: wohl fehlt den Erzeugnissen insgemein Welt weite und kosmische Vertiefung lübrigens durchaus nicht allen», wie ihren Verfertigern schnlmästlge Durchbildung und Erziehung fehlt: aber was sie an Handschnitzcreicn, an Bauernmöbeln und Haißszierat schassen, was sie in ihren Passsonsspiclen gestalten »nd i» ihren Liedern nnd Tänzen anSdrückcn, ist in sich vollendet und Meiste mng, weil künstlerisches Emviindcn und handwcrklichee- Können in lcbönitem Einklang stehen. Wer wollte sich darüber wundern, wenn solche Menschen, denen ihre Umwelt selbstgestaltete Phantasie, deren Besitz einer rauhen, widerspenstigen Natur abgetrotzt ist, und deren Leben aus vielerlei Gründen trotz allen Berkehrsfortschritten der Vorteile städtisch-industrieller Zivilisation nur in be scheidenem Maste teilhaftig werden kann, mit Leidenschaft an ihrem Ureigenen sesthalten? Leidenschaftlicher noch fest halten, weil sie dunkel fühlen, dast die Entwicklung der Zeit gegen sie gerichtet ist? Dieses Stchklammern an alte Ueber- lieferungen, diese sorgliche Pflege der Tracht, der Sitte, der Mundarten ist alles andere als stumpfsinniges Verharren bei Ueberlebtem, ist vor allem nicht der Ausfluß blöder Unfähig keit zu Besserem, wenn es sich wirklich um Besseres handelt: eS ist vielmehr eine seelisch tief verankerte Gewißheit, dast der Mensch sein Wertvollstes pretsgibt, wenn er den leben, digcn Zusammenhang mit der Scholle verliert. Und wie sollte dieses Gefühl nicht gerade hier, in einer zwischen stiller Talverlorenheit und stürmischem GipfelherotSmus hin- und hergerissenen Landschaft, von besonderer Wärme erfüllt sein? Auch ist es nicht so. dast von Geschlecht auf Geschlecht das kulturelle Erbgut unbesehen gleichsam triebhaft übernommen nnd behütet wird? Gerade hier läßt sich die geistige Reg. samkeit des oberbayrischen Volkes tn seinem Bedürfnis, das äußerlich Ueberliescrte innerlich zu erfassen, besonders deut lich erkennen. Klingt eS nicht märchenhaft, daß in Traun stein ei» Stadtarbetter Köstler seit Jahren nach anstrengen der Tagessron bis tief tn dte Nacht hinein über geschichtlichen Studien sitzt und eine eines jedes Gelehrten würdige Beeret besitzt, so daß die Gemeinde beabsichtigt, ihn als Stadtarchivar anzustcllcn? Wohnt nicht in Dettenschwang der Straßen- Wärter Ftnsterwalder, der in umfangreichen Handschriften die Gebräuche. Sagen und Sprüche seiner engeren Heimat gesammelt und in Zeitschriften veröffentlicht hat? Lebt nicht in Peißenberg der Bergmann Hauptmann, einer der eis- rigsten und gründlichsten Heimatforscher seines Bezirkes, der seine freie Zeit ausschließlich mit volkskundlichen Forschungen und Naturbeobachtungen hlnbrtngt? In den hetmatkund- lichen Vereinen herrscht reges Leben, nnd nicht Gelehrte und Akademiker sind hier vornehmlich tätig, sondern die Arbeit ist wirklich von einer breiten Schicht der eingesessenen Be völkerung getragen, die nicht nm Gelderwerbs willen, son der» ans reiner Liebe zn ihrem Hcimatbodc» ihre Sonntage im Dienste der Ortsforschung und Sammlung von Alter tümern verbringt. DaS Leben südlich der Dvna» ist anders als im Norden, und vieles ist nicht sv, wie es der norddeutsche Besucher ge wöhnt ist. Vieles soll auch gar nicht verteidigt werden, denn der vbcrbanrischc Nancr ist ein Mensch wie jeder andere, und da er viel Vorzüge hat, sind seine Fehler nicht gering. Aber wenn es gelänge, den Fremden vor seiner Reise ins bayrische Hochland zu überzeugen, baß dieses »Anderssein" nicht not wendig ein »Schlechtersetn" bedeuten must, der Besuch aus dem Norden im Gegenteil hoffen darf, eine schöne Ergänzung des ihm tn seinen Landen geläufigen Wesens zu erfahren, dann wäre schon viel gewonnen. Dann wird es sehr bald dahin kommen, daß Ehrenrettungen wie diese als überflüssig tn den Papierkorb geworfen werden können. Bücher und Zellschrlsken. X Die Stadt HildeShel«. »dtbl " von Karl S t e l n a ck e r. Historische Stadtbilder. Band 8. Mit acht Karten und Gruiidriffcir. iTeutlchc BerlagS-Anstalt, Stuttgart, Leipzig, Berlin.» — Als 8. Band der von Albert v. Hosmann begründeten Sammlung »Historische Stadt bilder" erscheint »Die Stad« HildeShelm" aus der Feder Karl Stcin- ackerS, der in dieser so wertvollen Bücherreihe schon »Braunschiveig" behandelt hat. Wie dieser frühere Band wird auch die neue Arbeit sich weit über daS Weichbild der Stadt HildcShcim hinaus ihre» Leserkreis leicht erobern. X Di« Harfenjnl«. Neu« Zeit«, Streit- und Leldgedlchte von Slabnnd. sBerlag Dte Schmiede, Berlin.» X Steinhardt: Der Wtiftenkater. Jagd- und Lagerfeuer-Er innerungen. Mit sechs Bildern nach photographischen Originalen, lverlag de» »St. Hubertus", Paul Schettler» Erben A.-G., Köthen- Anhalt.» — Die glänzende Srzählerkunst Steinhardts scicri auch in diesem Werk wieder Triumphe, und man läßt das Buch nicht eher aus der Han-, bis man cs durchgclcsen hat. Mit brcnnciidcn Nngc» und klopfendem Herzen folgt man Steinhardt i» die dunklen Wälder und weiten Steppen Afrika» und erlebt mit ihm die zahlreichen Abenteuer. Immer neue Bilder bieten sich dem Auge, immer wechsel voll lft daS Leben und wir werden nicht müde, mit dem Verfasser durch den beißen Sand, die rauschende, von Melalircn übcrsäte Steppe, die steinigen, glutendcn Gebirgszüge zu wandern. X DI« erst« Million — die schwerste. Eine Autobiographie von A. B. Farqubar. Mit einem Geleitwort von Fritz Thyssen. Au» dem Amerikanischen übertragen von Dr. M. Z. Brigg». 820 Setten mit 16 Abbildungen. — DaS Buch Ist dte Lebens beschreibung de» amerikanischen Großindustriellen Fargnhar nnd gleichzeitig ein Bild der Wandlung dcS amerikanische» WirlschastS und GcmeinschosiSgcistcS. Mit >860 beginnt daS Buch, als der junge Farqubar, ein FarincrSsohn auS gebildeter puritanischer Familie, ans eigene Faust nach Ncnyork gebt, die damals bekannten Millionäre Asior, Bcnnctt, Stevens und andere anssncht und sie höchst bclcheidsn und naiv sragi: Wie kann ich eine Million Dollar verdiene»? Man merkt sich de» jungen Mann, hilft ihm. bald steigt er vom Lehrling zinn Teilbaber ans, die Arbeit wird Sport, ein großes Spiel mit hohem Einsatz, der Grundstock zu seinen späteren Millionen. Das alles ist frisch und lebendig erzählt, unterbrochen durch reiche» anekdoiisches Beiwerk, da» sich aber nirgend» ansdrangi.
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