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4 D r e L u iß - fünfzigste? Jahrgang. Rebigirt von Advocat C. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittve. Zährl. Abonnementpreis 2S Ngr. 41« Plauen, den 8. Oktober 1.848« Politische und andere Merkwürdigkeiten. Inland. Mittelst Bekanntmachung vom 15. September sind die Stände auf den fünfzehnten November d. I. ein berufen worden. Ausland. Dänemark und Holstein. Ueber das verun glückte russische Linienschiff wird folgendes Näheres ge meldet. Ein von dem erwähnten russischen Linienschiff geretteter Matrose, geborner Preuße, welcher den polnischen Krieg mitgemacht und von den Russen gefangen wurde, ist der Einzige der Besatzung, welcher Deutsch spricht und von dem man folgende nähere Details erhalten hat. Das Linienschiff hieß „Ingermanland," wurde vom Ca- pitain Paul M. Trefchin geführt und segelte 40 Tage (!) vor dessen Untergang von Archangel ab. Ein starker Sturm in der Nordsee hatte das Schiff außer Cours gesetzt und am Sonntage den 11. wußten die Officiere nicht, wo sie waren. (!!) Um 10 Uhr merkte man aus der Brandung, daß das Schiff dem Lande nahe sei, und man wendete um, um wieder auf die hohe See zu kommen. Da stieß das Schiff auf eine blinde Klippe und legte sich auf die Leeward- (unter Wind) Seite. Es entstand eine große Verwirrung auf dem Schiff, in Folge dessen eine Menge Leute über Bord gespült wur den. Das »Schiff saß nun fest auf der Klippe und die Sturzseen gingen über dasselbe hinweg. Man that un gefähr eine halbe Stunde hindurch Nothschüffe, als plötz lich eine große Woge das Schiff wieder lichtete und es auf die andere Seite warf, wodurch es wieder flott wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden aber wieder eine Menge Leute, worunter mehre Officiere, "deren im Ganzen 30 waren, vom Bord in die See geworfen. Auch ging das Ruder verloren, und man mußte nun das Schiff seinem Schicksal überlassen. Alle Anker wurden gewor fen, aber ohne Nutzen. Da das Wasser im Raume stieg, wurden alle Pumpen in Gang gesetzt, und da dessen ungeachtet das unterste Verdeck davon gefüllt wurde, so kappte man zuerst den Fockmast und später den großen Mast, wobei die See neue Opfer an Leuten nahm. Un aufhörlich schoß man und unaufhörlich stieg das Wasser im Schiffe. Man warf jetzt die Kanonen von der Schanze und der Backbordseite ins Meer (das Schiff war nicht vollständig armirt und führte im Ganzen nur 44 Ka nonen). Beim Anbruch des Tages stand das Wasser schon über dem Verdeck, so daß man beinahe schwimmen mußte, um von der Schanze nach vorn zu kommen. Der Commandeur, sowie einige Officiere, verließen nun das Schiff in einer Schaluppe (!) (die Frau des Com- mandeurs wurde später gerettet). Eine Barkasse wurde dann ausgesetzt, aber so von Menschen überfüllt, daß sie versank. Später gegen Mittag, sowie am folgenden Tage, in welcher Zeit noch ungefähr 130 Menschen das Schiff in zwei Böten verließen, sahen die Zurückgebliebenen mehre Böte und Fahrzeuge, welche ihnen Hülfe bringen wollten, aber des hohen Seeganges wegen nicht zu ihnen gelangen konnten. Viele kamen um, indem sie vom Bugspriet, wohin sie sich geflüchtet, herunterstürzten, sowie vor Kälte und Hunger, bis endlich das Dampffchiff „Nordkap" am Dienstag Nachmittag anlangte und die zurückgeblie benen circa 150 Menschen rettete. Die Besatzung bestand