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106 Einige Belehrungen über Schuhpockenim« pfung und natürl. Blattern. 1. „Ist es wahr, daß mit gehörigem Erfolg Geimpfte von den Menschcnpocken wieder be fallen werden? —" Seit vielen Jahren schon war einer der größten Erbfeinde des Menschengeschlechtes, die Krankheit, welche wir mit dem Namen der Menschenpockcn oder natürlichen Blattern bezeichnen, Fremdling in unse rem Vatcrlande und namentlich auch in un serer Gegend gewesen. Fast glaubte man diese Pest schon auf immer verschwunden, und ver gaß darüber, namentlich der Landmann, das wichtigste Schutzmittel, die einzige und un umstößliche Schutzwehr gegen diese verru fene Krankheit, die Einimpfung der Kuh- pocken mit gehörigem Flciße und nöthiger Umsicht anzuwcndcn. Dies beweist die große Menge derer, welche sich bey der in Folge des allerhöchsten Impfmandates vom 22. März 1826 veranstalteten allgemeinen Im pfung ungeimpfc vorfanden. Zwar war noch hier und da geimpft wor den. Allein von wem? — Leider hatte man sich hicrbey meistens nur solchen Personen anvcrtraut, welche hierzu weder hinreichende Kenntnisse noch Gewissenhaftigkeit besaßen und nur auf den daraus entspringenden Ge winn Rücksicht nahmen, um den Erfolg der Impfung aber sich keine Sorge machten. Da her verdienen die von gewöhnlichen Badern, Badcrweibern und andern dergleichen unberu fenen Personen, wie sie zu diesem Entzweckc namentlich auf den Dörfern herum zu strei chen pflegten, geschehenen Schntzblatterim- pfungen nur höchst selten den Namen einer zufällig gelungenen, nie aber den einer ge wissenhaft und genau beobachteten Impfung. Zu einer vollkommenen Impfung gehört nämlich: daß ein gesundes K'nd von einem andern vollkommen gesunden Individuum ge impft und daß der wasserhelle Impfstoff zu gehöriger Zeit übertragen werde. Daß der Verlauf der entstehenden Kuhpocke durchaus und in allen seinen Erscheinungen regelmäßig sey und durch nichts hierin gestört werde, baß die Pocke eine bestimmte Form und gehöriges Ansehen habe, so wie endlich auch zu gehöri ger Zeit eine solche Einwirkung auf den gan zen Körper erfolgen müsse (Pockenfiebcr), wodurch alle Fähigkeit, von den Menschcn- blattern angestcckt zu werden, vernichtet wird. Allein gar manche Verhältnisse kön nen eine dem Nichtarzte nicht gleich bcmcrk- licheVeränderung hervorbringen, welche den gewissenhaften Arzt, auch wenn er mit voll kommen guter Lymphe geimpft hatte, dessen ungeachtet bestimmte, die entstandene Pocke für unächt und den Geimpften als nicht geschützt zu erklären. Nur die ächte Kuhpocke aber, d. h. nur eine solche Im pfung , bey welcher alle jene vorerwähnten Bedingungen aufdaspünktlichsic erfüllt wur den , kann vor den Menschcnblattcrn schützen, nicht aber die unächte *). Achteten aber diese Weiber und schlechten Impfer hierauf? — ja konnten sie hierauf achten? — sic verstanden es ja gar nicht! — Woher sollten auch solche Leute den Unter schied der wahren und falschen Kuhpocke kennen? Was wußten sie von einem regel mäßigen Verlaufe, kurz von allen wesent lichen Erscheinungen, die einer wahren Kuhpocke zukommcn? — Oder sie wollten auch nicht darauf achten, da ihnen nur der zu empfangende Lohn Hauptzweck war! — Wie viele Fälle sind mir vorgckommen, wo von dergl. Leuten ohne allen Erfolg ge impft worden war. Da sie allen ihren be dungenen Lohn voraus empfangen hatten, so blieben die Geimpften ohne alle weitere Be rücksichtigung. Die einmal betrogenen Ä- tern aber, um nicht, wie sie fürchteten, zum zweitemnalc sich anführcn lassen zu müssen, suchten unter der Versicherung: daß ihr Kind gc- *) Man»e verlangen thirigter Weise: die Kuhpocke solle nun auch vor allen andern Krankheiten, Spitz blakkern, Sqarla«, Ausschlag re. schützen!