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Voigtländischer Anzeiger. 31. Stück. Plauen, Sonnabends den 4. August 1S27. Schönes Beispiel religiöser Eintracht, wie sie überall seyn sollte und könnte. Am 3. Jan. d. I. wurde das Städtchen Hohenfricdcberg in Schlesien von einem schweren Unglücke betroffen; außer 20 Bür gerhäusern gingen die evangelische Kirche und Schule in Rauch auf. Dieses Unglück wurde für einen wahrhaft ehrcnwerthen Mann, den katholischen Pfarrer und Schul-Inspektor Knappe daselbst, Vcranlassuug, seine echt christliche Gesinnung auf eine höchst erfreu liche Weise zu äußern und zu bewähren. Als nämlich der evangelische Pfarrer Herrmann sich den Tag nach dem Brande zu Knappe verfügte, um ihn zu bitten, ihm und seiner gebeugten Gemeinde die Haltung ihres Got tesdienstes in der katholischen Kirche, in den von dem würdigen Pfarrer zu bestimmenden Stunden, gütigst zu gestatten, crwiedcrte dem Bittenden dieser echt christliche Geistliche: „ Sie kommen mir zuvor. Geschäfte haben mich gehindert, Ihnen und Ihrer Gemeinde meine Kirche anzubieten; hier ist mein Schrei ben, worin ich cs schriftlich thuc." Der evangelische Geistliche bat nun: cs möge ihm ein Seitcnaltar angewiesen werden, auf wel chem er sein Amt verwalten könnte; und er hielt zur Antwort: „Sic würden mich belei digen und betrüben, wenn sic sich nicht deS Hochaltars bedienen wollten." Den Sonn tag nach dem Brande zog nun die evangelische Gemeinde mit ihrem Geistlichen, der erhalte nen Erlaubniß gemäß, nachdem sie mit tief bewegtem Herzen von dem in der Asche lie genden Orte ihres bisherigen Hciligthums Abschied genommen hatte, nach der katholi schen Kirche, und wurde auf eine rührende Weife von dem Geistlichen und der in Reihe stehenden Gemeinde empfangen und einge- führt. Daß der Raum des einen Gotteshau ses für beide thcilnehmendc Gemeinden zu be schränkt seyn und also die herzliche Theilnah- mc der katholischen Gcmcindeglieder manche der evangelischen abhaltcn müsse, hatte der würdige Pfarrer einer guten Gemeinde vor- ausgeschen, und darum derselben erklärt: „Der Raum ist für euch und euere evangeli schen Brüder zu beschränkt; drängt euch dar um nicht mit hinein und verdrängt aus Theil- nahmc nicht die Gebeugten!" Die brave Ge meinde ehrte das Wort ihres würdigen Pfirr- herrn; cr selbst führte den evangelischen ein und betete gemeinschaftlich mit ihm, auf den Stu-