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D e i 1 a g e zum Voigilän-Lfchen Anzeiger. Rkdigirtvon I, F. Fincke. Druck und Verlag von C. Wieprechts sccl. Wittwe. Plauen, den 16. Juni Biscaya. Ein aus Spanien kürzlich zurückgekehrter Reisender giebt in der Leipziger Allgemeinen interessante Nachrichten über die baskischen Provinzen. Biscaya hat eine alterthümliche patriarchalisch-re publikanische Verfassung. Wer 21. Jahre alt ist, hat das Recht, an der Wahl der Procuratoren theilzuneh men. Die kantonsweise ernannten Procuratoren kommen zusammen und ernennen den Provinzialchef. Das Volk versammelt sich auf dem öffentlichen Platz in Vittoria. Der Provinzialchef tritt auf den Balcon des Stadthauses und schwört auf einen Dolch, die Fueros aufrecht zu erhalten, die Provinzialfreiheiten zu schützen, in Ehre und Gewissen das Regiment zu führen rc. Ein Procu- rator fragt das unten versammelte Volk: „Ist euch Der und Der als Vorstand gefällig?" Lautet die Antwort des Volkes: „Ja!" so wird der neue Provinzialchef in seine Würde eingesetzt; heißt es aber: „Nein!" sv muß er auf der Stelle das Amt niederlegen und es wird sofort zu einer andern Wahl geschritten. Vor meh ren Jahren verwarf das Volk einen Kandidaten, der sich die abschlägliche Antwort so zu Herzen nahm, daß er drei Tage nachher aus Gram starb. Alles wird mit der größten Ruhe und Ordnung abgemacht und noch nie ist es zu Gewaltthätigkeiten gekommen. Die Ein wohner der baskischen Provinzen haben demnach, wie aus Vorstehendem erhellt, eine förmliche Selbstregierung und besorgen ihre Landesverwaltung ohne Mitwirkung der Madrider Regierung. Die Zahl der öffentlichen Be amten belauft sich nur auf sieben oder acht. Mauth- Bekannten Kirchliche Anzeigen. Künftigen Sonntag Vorm, allgem. Beichte. I und Steuersystem kennt man nicht, und das biscayische Ländchen ist der angebauteste Theil von Spanien. Arme giebt es nicht in diesem Landstriche und die ämsige Be triebsamkeit der Bewohner hat bereits jede Spur von den Verwüstungen des letzten Krieges ausgelöscht. Sie haben es mit Don Carlos gehalten, weil dieser ihnen die Erhaltung ihres republikanischen Gemeindewesens ver hieß. Biscaya ist ein besonderer Staat im spanischen Staate, wo sich noch viele Eigenheiten des Mittelalters bis auf die neueste Zeit erhalten haben. Es liegt ihnen wenig daran, welche Verfassungssorm in Madrid herrscht, wenn man sie nur in der eigenen Verwaltung ihrer Provinzen ungestört läßt; sie haben gegen die Cortes- versammlungcn die Waffen ergriffen aus bloser Furcht vor den willkührlichen Eingriffen der Madrider Re gierung in ihren Freiheiten, und diese Besorgniß hat ihren guten Grund, denn die Madrider Regierung ist sehr feindselig gegen die baskischen Provinzen gesinnt und wie in Verzweiflung, daß sie ihnen kein Geld ab pressen kann. Statt der Abgaben entrichten sie nemlich nach altem Brauch dem Könige von Spanien nur ein freiwilliges Geschenk. Wenn sich Madrid, sagen die Basken, wenn sich die übrigen Theile von Spanien so gut regieren wie wir, so wollen wir zu ihnen gehen und gemeinschaftliche Sache machen. Wir wünschen sehn- lichst, daß Spanien in seiner Bildung und Verwaltung so weit voranschreitet wie wir; aber wir können uns unmöglich dazu verstehen, auf ihr fehlerhaftes, barba risches Regierungssystem zurückzukommen. — Aus dem Allen sieht man, daß Spanien noch lange nicht zur Ruhe kommen wird. a ch tt n g e n. Die Umfänglichkeit des Geschäfts der Einsammlung derjenigen wöchentlichen Beiträge, welche theils zur Der-