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VoiStländitcher Anzeiger. Zwei nnd fünfzigster Jahrgang. Redigirt von I. F. Fincke. Druck und Verlag von G. Wieprechts seel. Wittwe. Jährl. Abonncmentpreis 25 Ngr. 1841 ^§38- Plauen, den 18. September Die Turnfahrt der allgemeinen Turn anstalt der Stadt Plauen. Eben lag ich befangen in einem meiner schönsten Träume, in welchem ich Deutschland groß und glücklich sah, als ich am 3ten September früh um 4 Uhr durch das Wirbeln der Trommeln aus den Armen des Schlafes aufgerüttelt und an das Fenster getrieben wurde. Kaum da angekommen, sah ich von allen Seiten kräftige Jünglinge und muntere rüstige Knaben von jedem Alter frisch und froh mit roth und weißen Fähnchen dem Turnplätze zueilen, und ich merkte nun wohl, daß die Turner eine Turnfahrt antreten würden. Schnell war mein Entschluß gefaßt, die Turnfahrt mitzumachen. Zch begab mich in den Turngarten. Mit inniger Freude wurde mein Inneres erfüllt, als ich ohne Unterschied des Alters, des Ranges u. dgl. die fröhliche, kräftige Turnerschaar Mann an Mann, groß und klein marsch fertig vor mir da stehen sah. „O, glückliche Jugend," dachte ich, „wie ganz anders ist deine, wie ganz anders war meine Erziehung!" Ein freudig umher schallendes Hurrah! weckte mich aus meinen Betrach tungen und unter Trompeten - und Hörnerschall, unter Trommelwirbel und Freudenjubel zog die fröhliche Schaar, an 200 Mann stark, mit ihren flatternden Fähnchen, welche von den goldenen Strahlen der aufgehenden Sonne erleuchtet nur noch freundlicher sich ausnahmen, ihrer Turnfahne folgend, den sogenannten Rinnelberg hinauf. Ich folgte dem Zuge. Fröhliche Turnlieder füllten die durch das Schweigen des Musikchors entstandenen Lücken. Nachdem der Zug unter mancherlei Freude Stöckigt, Schloditz und noch einige andere Dörfer durch zogen hatte, kam er, um die erste Rast zu halten, in Tirpersdorf an. Alle Räume des Wirthshauses wurden nun zum Erstaunen des Wirths und der Dorfbewohner mit trink - und eßlustigen Jünglingen und Knaben an gefüllt. Mit großer Freude bemerkte ich, wie jedem Turner sein Stück schwarzes Brod eben so schmeckte, wie manchem Müssiggänger kaum die köstlichste Speise. Gesang würzte auch hier das Mahl. Nach kurzer Rast jubelte die Schaar weiter und wanderte dem gastfreund lichen Schöneck zu. Schon eine Viertelstunde vor Schöneck wurden die Turner von einer großen Anzahl Einwohner von Schöneck mit freundlichem Lächeln empfangen und mit Mühe gelangten dieselben durch die volksbewegten Gassen auf den Markt, wo sogar alle Kirchenfenster mit Neugierigen besetzt waren. Nach einigen Evolutionen wurde die ganze Mannschaft theils im Rathhause, theils im Gesellschaftsgebäude von den gastfreundlichen Schöneckern gespeißt. Gesang der Turner in den genannten Ge bäuden und Musik auf dem Markte erhöhte die Freude. Besonders freundlich machte sich eine Aufstellung der Turner auf dem Friedrichstein. — Noch war das Ziel der Fahrt nicht erreicht. Nach einem dreifachen Hoch, welches die Turner aus dankerfüllter Brust den gast freundlichen Gebern auf dem Markte Schönecks darge bracht hatten, eilten dieselben weiter. Waren die Turner schon durch die freundliche, romantische Gegend, durch die sie wanderten, entzückt, so stieg ihre und Aller Freude, die an dem Zuge Theil nahmen, aufs höchste, als sie nicht weit von Wohlbach im Walde durch einen wahr haft herzlichen Gesang, der einige bis zu Thränen rührte, überrascht wurden. Es hatte sich nämlich der würdige