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Ae Fürftensrage vor der Entscheidung. Interfraktionelle Verhandlungen über Kompromihenlwurs und Bolksenlscheid. Beginn -er Frie-ensverhan-lungen in Marokko, - Ein Kellseher-Prozeß in München. — Aochwasserkakaslrophe in Bag-a-, Die nächsten innenpolilischen Ausgaben. Berit«, 8. April. In unterrichteten Kreisen wird an- genommen, daß das RcichSkabinett Anfang der nächsten Woche wieder zn einer Kabinettssitzung Zusammentritt. In dieser Sitzung wird sich das Kabinett wahrscheinlich schon mit dem Ergebnis der diplomatischen Schritte befassen können, die wegen der Teilnahme Deutschlands an der Stndicnkom- missio» des Völkerbundes in den Hauptstädte» der im Bölkcr- bundSrat vertretenen Staaten unternommen worden sind. Von dem Ergebnis, das diese diplomatische» Schritte erbringen, wird sehr viel für das weitere Verhalte» der Neichsregie- rung in der Frage der Völkerbniidsangelegenheit abhängcn. Dann dürste sich das Kabinett auch mit einer Angelegen heit befassen, die nun angesichts deS baldigen Wicder- »«sammentrtUS deS Reichstages dringend wird, nämlich mit »er Frage der vermögensrechtllche« Auseinandersetzung mit de« früheren Fürstenhäuser«. Hier wird sich daS Kabinett vor alle« Dingen die Behand lung deS bekannten KompromistgesetzentwurseS angelegen sein lassen. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, daß zunächst einmal der Kompromistqcsctzentwnrs im Plenum deS Reichstages vor dem zum Volksentscheid gestellten Gesetzent wurf über die cntschädigungSlose Enteignung zu behandeln ist. lieber die Frage der Erledigung dieses Gesetzentwurfs wird auch schon in Kürze eine interfraktionelle Besprechung zwischen den Regierungsparteien cingcleitet werden, an die sich dann auch Beratungen zwischen der Reichsrcgie- rung und den Führern dieser Parteien anschlieste« dürsten, Die Verhandlungen werden sich in der Hauptsache darum drehen, eine Zweidrittelmehrheit für das Gesetz zu sichern, die erforderlich sein würde, wen« dieses Gesetz als vcrsassungsändernd angesehen wird. Am 28. d. M. tritt auch der Nechtsausschutz deS Reichstages wieder zn seinen Sitzungen zusammen und wird die Beratung über die Frage der Fürstenabfindung sortsetzen. v. Äoesch wieder bei «rlanb. Paris. 8. April. Der deutsche Botschafter v. Hoesch hat heute nachmittag erneut beim französischen Minister präsidenten Brtand vvrgcsprochen, um die Unter redung, die er am letzten Freitag mit ihm gehabt hatte, fort- zusetzen. Sie betras schwebende politische Probleme. iW.T.V.s Neuformulierunsi des Duellflefetzes Berlin, 8. April. Die Verkündung des vom Reichstag und Reichsrat angenommenen Gesetzes zur Aenderung deS Militärstrasgcsetzbuchcs ist bekanntlich gemäß eines Beschlusses des Reichstags auf zwei Monate auSgesctzt worden. Die Aus- setzung ist deshalb erfolgt, weil bekanntlich der Reichspräsident Bedenken trug, das Gesetz, das er nicht für verfassungsmäßig znstandegekommcn hielt, auszufertigen. Die Bedenken des Reichspräsidenten richteten sich gegen die Bestimmung, daß Offiziere, die sich an einem Zweikampf beteiligen, aus dem Heere entlassen werden sollten. Man hofft nun, in der Zwischenzeit eine rechtlich unzweifelhafte Lösung zn finden. Zu diesem Zweck haben bereits vor Ostern Besprechungen des Reichskanzlers mit den Parteiführern statigefunden. Wie nun die hiesige demokratische Partcikorrespondcnz mitteilt, beab sichtigt man jetzt in den Kreisen der Ncichsrcgierung den gesetz gebenden Körperschaften einen neuen Gesetzentwurf vorzn- legen, in dem die Mußvorschrist des Militärstrasgcsctzbuches in eine Kannvorschrist umgewandelt wird und in dem die Beamte» und Offiziere gleichgestellt werde«. Das Gesetz würde also sinngemäß den Inhalt haben, -atz Offiziere und Beamte, die sich am Zweikampf beteiligen, ans ihrem Llntt entlassen werden können. Der Gesetzentwurf soll bereits beim Zusammentritt de» Reichstags am SS. April diesem vvr- gelegt werden. Die Frist zur Ausfertigung des Gesetzes über die Aenderung des Militärstrafgesetzes ist am 3. Mai ab- gclaufen. Die Kanzlerreise nach München. Berlin, 8. April. Die in Aussicht genommene Kanzler, r c i s e n a ch M ü n ch e n dürste wahrscheinlich AnfangMai auSgeführt werden. Die Einladung zu dieser Veranstaltung ist in Berlin noch nicht eingetrossen, doch heißt es, daß der Be such anläßlich der Feier des Jahrestages der am 4. Mai ge gründeten Deutschen Akademie stattfinden soll. Der Reichskanzler wird ans dieser Reise von dem Reichsinnen minister Dr. Külz und dem Reichösinanzministcr Dr. Rein- hold begleitet sein. Der Grund, warum diese beiden Minister an der Fahrt nach München tcilnehmen, liegt darin, daß beide Herren noch nicht ihren Antrittsbesuch bei der bayrischen Re gierung gemacht haberu Der Besuch des Reichskanzlers in München soll auch Gelegenheit zu Besprechungen über den Finanzausgleich mit den Ländern bieten. München, 8. April. Zu der Reise des Reichskanzlers Dr. Luther nach München schreibt die „Münchner Zeitung": Ins besondere wird auch die Möglichkeit der B e s ch r ä n k u n g der Ausgaben für die R e i ch s v e r w a l t u n g bei den Unter haltungen in München ernsthaft besprochen werden müssen. Mit dem Reichskanzler sollen darüber hinaus auch noch alle zwischen dem Reich und Bayern lange unerledigt gebliebenen Angelegenheiten beraten und nach Möglichkeit auf eine ge meinsame Formel gebracht werden. Man wird hierbei, erklärt das Blatt weiter, zu der Vermutung gedrängt, daß in erster Linie die Wünsche auf föderalistische Ausgestaltung der Neichsvcrfassung im Sinne einer stärkeren finanziellen Verselbständigung der Länder zur Verhandlung stehen. Wohin gehl der Kurs? Wenn um die Mitte des Monatö nach der gegenwärtigen Ostcrpause in Berlin die politische Arbeit wieder voll aus genommen wird, dann wird das deutsche Volk zu seiner Ucber- raschung erfahren, daß mir uns seit Wochen schon wieder in einer schweren innerpolitischen Krise befinden. Die Mindcr- heitsregierung Luther hat zwar in ihrem kurzen Bestände schon zwei Stürme glücklich überstanden, spielend leicht die außenpolitische Krise nach dem Genfer Mißerfolg, mit größe rer Mühe und etwas geschwächt, aber doch mit leidlichem Er folge die Gefahren der- Steuerreform. Aber schon bei dieser Gelegenheit hat «S sich klar gezeigt, daß der tragende Gedanke des Kabinetts — die Führung der Staatsgeschüfte mit wechseln den Mehrheiten, nach außen mit der Linken, innen mit der Rechten — für die Zukunft undurchführbar ist. Die Sozialdemokraten haben sich daran gewöhnt, ihre außen politische Hilfsstellung jeweils von inner-- und mirtschafts- pvlitischen Zugeständnissen abhängig zu machen, die selbst für die Mittelparteien kaum tragbar, für die Deutschnationalen vollends unmöglich sind. Die daraus sich notwendig ergebende Linksabschwenkung des Regierungskurses mit der Folge einer versteckten oder offenen großen Koalition scheitert aber wieder an den inneren Widerständen in der immer mehr von ihrem radikalen Flügel aus beherrschten sozial demokratischen Partei. Wenn unter solchen Umständen die zweite Negierung Luther heute überhaupt noch besteht, so ver dankt sie das in der Hauptsache der Verlegenheit der maß gebenden Parteien, die sie infolge eigener taktischer Schwierig keiten und in Ermangelung eines Besseren vorläufig noch dulden. Alle dies« Unklarheiten werden seht nach Wiederbeginn der parlamentarischen Arbeit eine entscheidende Lösung finden müssen, wenn die dringendste innere Frage, die Verab schiedung des Fürftengesehes, zur Erledigung kommt. Durch Las Volksbegehren und den bevorstehenden Volksentscheid ist hier eine politische Hochspannung herbei, geführt, die nicht mehr durch lahme Kompromisse, sondern nur noch durch eine klare Scheidung der Geister gelöst werden kann. Nicht nur darum handelt cs sich in diesem Stadium unserer inneren Entwicklung, ob Recht oder Willkür daS öffentliche Leben des Reiches beherrschen sollen, sondern dar über hinaus um die endgültige Entscheidung, ob in Deutsch land der Versuch einer sozialistischen Revolution mit -er Ten. -enz zur Bolschewisierung weitergehen oder ob der Staat von heute von vinxr Arbeitsgemeinschaft aller Bürgerliche» in eooluttonärer Entwicklung nach innen befestigt, nach außen aufgebaut werden soll. Die revolutionären Kräfte haben sich, znm erstenmal seit 1818, unter dem Banner d«S Fürsten kampfes gesammelt, um auf legalem Wege die Macht im Innern an sich zu reißen. Diesem zielbewnßtcn Vorgehen des genreinsamen Feindes steht das bürgerliche Lager« besten Führer die Grüße der Gefahr bisher nur znm Teil erkannt haben, vorläufig noch verworren und planlos, ohne einigende Parole gegenüber. Und -och mutz in den nächsten Wochen von den Demokraten bis zu den Deutschnationalen eine lücken- lose bürgerliche Abwehrfront hergestellt werden, damit eine Staatskrise mit ihren verheerenden Auswirkungen ver- nilcdcn werden kann. Daß ein« solche Möglichkeit trotz aller vorhandenen Hemmungen durchaus besteht, wird klar, wenn man sich die Entstehung und den Verlauf der zum Krtsenpunkt gewordenen Fürstenfrage vor Augen hält. Seit der Revolution hatte man jahrelang darüber nicht» gehört. Die größten Länder hatte» die vermögensrechtllche Auseinandersetzung mit ihren Fürsten- Häusern ans gütlich-schicdlichem Wcge zur beiderseitigen Zu- sricdenheit geregelt, und die Urheber der jetzigen Hetze hatten zum Teil sogar an der Abwicklung dieser Geschäfte mit gearbeitet. ohne Anstoß an dem angeblichen „Naubzug der Fürsten" zu nehmen. Auch in Preußen war der von den Sozialdemokraten gestützte demokratische Ftzranzministev i>H besten Zug. dte Auseinandersetzung mit den Hohcnzöllern durch einen nach seinen eigenen Angabe» für den Staat dürch- aus günstigen Vergleich zu erledige». ES bestand nach,-er Verständigung über die Austeilung -er ganzen Vermögens, maste nur noch eine geringfügige. MetnnnMvcrlchirdenbcit über die Höhe der Barentschädig-nng, die Höpker-Afchoff von 38 auf 28 Millionen hcrunterdrücken wollt«. Hier hkktcn die Demokraten ein und leiteten, um ihr» repiMtkanUche Zu- ve>'ä'figl-'it z» beweisen, mit ihrem Antrag auf gesetzliche Frie-ensverhan-lungen mil Marokko. Ernennung einer französischen Delegation. (Durch Funkspruch.I Paris. 8. April. Im Verlause des heutigen Ministcrrats berichtete Briaud ausführlich über den Stand der Marokko- angelcgcnheit. Aus Grund eines von dem Emissär Abd cl Krim 8 gemachten Angebotes werden sofort zwischen de» Vertretern der Nisstämme und den sranzösisch-spanischen Be hörden Verhandlungen beginne». Die französische Delegation ist heute vormittag bereits er nannt worden. Die Verhandlungen werden in Ujda stattslndeu. Eine Vorbesprechung der französischen und der spanischen Delegation wird in Paris abgchaltcn werden, twtk.j Paris. 8. April. Nach dem heutigen Kabincttsrat bestätigte Palnlevb, daß die offiziellen Fricdensverhandlungcn mit den Vertretern Abd el Krims in den nächsten Tagen in Ujda, einem Orte an der algerisch-marokkanischen Grenze, er öffnet werden. Als französische Bevollmächtigte werden General Simon, der bisherige Kommandant des Frontabschnittes von Taza, ferner DucloS. Generalsekretär in Rabat, und P o n s o t, llnterdtrektor für afrikanische An gelegenheiten am Quai d'Orsay, tcilnehmen. Wie Painlcvö weiter auSsührte, steht die Ernennung der spanischen Delegierten unmittelbar bevor. Die französisch-spanischen Unterhändler werden sich zur Vorbesprechung in Paris treffen, um die Friedensvorbcdtnguiigen für Abd cl Krim auszustellen. Sie werden dann gemeinsam nach Ujda reisen. Abd cl Krim bat bereits drei Bevollmächtigte ernannt, deren Namen der französischen Regierung jedoch noch nicht bekannt sind. Die spanischen Deleglerlen. Paris, 8. April. Der Qual d'Orsay teilt mit, daß die spanische Regierung folgende Delegierte zu der Konferenz ernannt bat: Präsident Lopez Oliva», Generalsekretär für Marokko, Madrid, Mayor Aguilar, Leiter des Nachrichten, dienstcs in Ajdir, Hauptmann De Miguel. Lopez Olivan wird allein nach Paris kommen, um mit den französischen Delegierten die Fühlung auszunehmcn. Er dürste während seines Aufenthaltes in Paris mit den französischen Be auftragten die Bedingungen eines Waffenstillstandes mit Abd el Krim ans der gesamten Front sestlegen. Während des Waffenstillstandes werden dann die Verhandlungen zur Herbeiführung eines endgültigen Friedens mit Abd el Krim geführt werden. Ans französischer Seite wird Wert auf die Feststellung gelegt, daß Frankreich und Spanien nicht allein mit Abd el Krim verhandeln werden, sondern mit sämtlichen Führern der Rifstämme. Meukerei in Saloniki. Athen. 8. April. Nach einem Bericht des KriegSminifte- rtums haben in der vergangenen Nacht in Saloniki drei Osfiziere Teile der Garnison von Saloniki aufgcwiegelt und sind nach der Ortschaft Allatini marschiert. Der Beweggrund zur Meuterei ist materieller Art. Ein« Division umzingelte schnell die Meuterer, die erklärten, die Vewcguna richte sich nur gegen ihre Vorgesetzten, und sie würden sich ergeben, wenn ihnen versprochen würde, daß diese Vorgesetzten durch andere ersetzt werden würden. Die Negierung stellte den Meuterern zur bedingungslosen Ucbergabc eine Frist. Die Flotte begibt sich nach Saloniki. Athen, 8. April. Nach amtlichen Meldungen haben sich die Führer der Meuterei in Saloniki und ungefähr 288 Soldaten, die sich ihnen angeschlvsscn hatten, dem Kommandeur dcSArmcc- korps von Saloniki bedingungslos ergeben. Die Rädelsführer werde« vor ei» Kriegsgericht gestellt werden. »W.T.B >