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Dresdner Nachrichten : 29.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192201291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19220129
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19220129
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-29
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 29.01.1922
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vreräner Nachrichten Sonntag. 2Y.Zanuas 1-22 Die Legende vom Lichl. Bon Franz AlfonS Ga „da. Lausende Lippen sprechen flüsternd und geheimnisvoll, sprechen boacistert und in Grünen verloren die Legende vom Licht, und die Herze» und die Hirne leiden und lieben um sie in scheuer Einsamkeit. Lausende verleugnen sie. Lausende glauben sie und suchen suchen das legendäre Vicht... MS das ewige Licht, Gott geheissen, die Welt und die Menschen erschaffen hatte, alö Gottes Licht alles in nie wieder erreichte Helligkeit getaucht und als die Menschen abtehrte» von ihm, — beschloß er in seiner Weisheit, diesen ärmliche» Erdstern mit einem falschen, fauligen, aber in gleißenden Farben schillernden Irrlicht zu erfüllen. Und wett hinweg von dieser Erde, sern in einem tiefen, hohen Gebirge sandte Gott einen Strahl von seinem Schüpserlicht, und barg ihn in einer tiefen, tiefen, dnnkeln und seltsam leise klingenden Grotte. Aus daß die erschaffenen Wesen, Menschen genannt, der einst ivltrdig mären, im ewigen Licht zu leben, sollten sie den schweren Gang durch das Irrlicht der Erbe gehen, sollten sie den Pfad suchen, der zn dem fernen Gebirge führt, über die Steine hinweg, die bitterste Not des Leibes und der Seele heißen, sollten sie das Licht suche». Und der den Gang gegangen und das Licht gesunden, der sollte sich danach sonnen im ewigen Licht, und seine müde und kranke Seele gesund baden l» den köstlichen Strahlen,luten. Und die zusammcnbrachcn ans dem steinigen Pfade, Hungers und Durstes starben nach Licht, das große Suchen kn Ang' und Herz, ohne das Licht in tiefer Grotte gefunden zn haben, auch denen sollte das ewige Licht werden, nachdem ihre staubbedeckten Füße gereinigt, ihre irrende Seele ge lautert war. Und denen, die tm Irrlicht lebten und das Licht nicht suchten, denen bas Irrlicht alles war. Erfüllung, /siel und Sein — die sollten das ewige Licht einmal in seiner un geheuren Majestät, in all seinem Glanz, in all seiner Liebe. Macht und Schönheit schauen, um dann in ewige Finsternis zu versinken. — > In der Grotte, tief tm Gebirge, flammte der Strahl vom ewigen Licht. Das Gebirge war einsam in mcttcr, holder Ebene gelegen: über Ebene ncrd Bergen lag ewiger Friede. Und nicht ein Stach und nicht ein Böglein sang, und doch war tm Tust der Lüfte ein feinstes Musizieren, daß es wie schönste Freuds über den Dingen webte und lebt«. In dieser göttlichen Einsamkeit lag bas Gebirge, und in diesen stillen Bergen lag die Grotte, ans der daS Licht er strahlt. — — der unsichtbare Gott. — Und das Licht flammte und glühte t» großer Gewalt nnd war hell wie die Seele Gottes, lind die das Licht ge sunden. brachen hier nieder, und die ein Lebe» lang gesucht, fanden ihres LrbenS Mitte nnd Höhe hier, nnd ihr Sterben war umstrablt vom Strahl des ewige» Lichts. DaS Lickt war tt.T und brennend, es lohte nnd sprühte in überirdischen Farben, und doch ial, da; menschliche Auge eS nicht, nur die Seele hörte es flackern und sah eS flammen. Nach diese», Licht suchlen die Menschen, die kämpften mit dem Irrlicht der Erde nnd trugen d'e tiefe Not der Seele and die bittere Not des Leibes — »nd nur weniae fanden daS Licht, viele verloren die Kräfte im Ringen mit dem Irr. licht, und brachen in wilder, ungestillter Sehnsucht zusammen, nnd viele lebten auch nur dem Irrlicht, den» ntedvigen, drüben Schein in seinen gscil'ciideu, grellen Farben . . . In den Seelen der Erschaffene» wogte der Zwist. und Herz und Hirn lispelte», leise oder riefen mit laute», Worten der Seele die Legende vom Lickte zu, das so strahlend in seiner Wahrheit in tiefer Stille siammtc. Nach diesem Lichte suchten die Jahrtausende, suchten Tausende.... Die Legende vom Licht geht auch heute unter den Menschen um, und Tausende such'». Ariegserinnerungen Ms. Truppenteile Drei Dllver um das lolle Gewehr. Glühende Sonne brennt ans de» grünen heckcn- »urchschnittencn Höhen jenseits der flimmernden Maas. In praller Svmmerglut leuchten die Häuser; wie in Zinnober rot getaucht flammt die mächtige Sehule. Träg ziehende Nauchschwuden hänge» wie g raue Fetzen am tiefblauen ülngusMimmel. weihe Wölkchen an den Büschen, an den Fenstern. Vinter Mauern, überall, schnell verwehend, tod- rriwzeud. Erster .Kampftag sächs'ischer Grena diere — Di na nt! Zäh stemmt sich der Feind. An den Boden geklemmt, ini-gedeckie Zielscheibe des tückisch mohloersicckten Gegners l liegen die Grenadiere. Im «vmpslürm -vrt man nicht die Wehlanle der Getroffenen, der Will« erstickt den Schrei, ehe er laut n/rd. Fcner speit der gelde Schützengraben der Franzosen unter den Büschen am Strillmng des Users. Lauggcdehnt. hei,cl>end in Not tönt der Nus. weitergetragen aus hundert Kehlen: Maschinengewehre. Maschinen gewehre! „Wo ist der Feinds Hochanfgerichtet tm Dingen der tzdeschosse steht der blonde Gcwehrsührcr. Schweiß rinnt unter dem Helm, glühend starren de Augen der Bedienung. „Gelber Schützengraben!" Mit sachem Ausschrci, schrill wie ein Peitschenhieb, wütend sagt die erste Garbe. Stiebend wirbelt der gelbe Sand auf der Sö!>e. cö schweigt der Feind. — So beginnt d.e Geschichte vom tollen Gewehr. — «! Ohn' Ende schier dehnt sich die dunkle Nacht. Menschen leer, öde, steigt das Feld nach den Trümmer» von Chaul- n e S. In granatzcrristencn Höhlen und Graben hocken die Grenadiere, die schlaflosen Augen brennen nach sirbentage- icnd siebenncichtclangem Kamps. Sommeschlacht! Mit tlescm Heulen, regelmäßig wie mit der Uhr. raustht die schwere Granate. Unruhtg flattern die Leuchtkugeln am Feind und im gespenstischen Schatten ragen wie mit himmelan ge streckten Armen die dunkelticken Nmriiie vom Ambnßmald. Leise nur klappert ein Sertengewclir, Flüstern: dort, dort, am hohen Baum! Bier Uhr' Lehmgleick, schattenhaft, grau wie unheimliche Tiere der Nacht, kleben die Sturm trupps in den Falten der Erde — menschgewordcncr Wille — Grenadiere! llnd die Hölle bricht übe, dem Feind! Lohend in Ster nenbahnen, zischend wie giftige Schlangen lagen die Gra naten. Berscknd, brechend, stürzen die mächtigen Bäume des Waldes. WahnsinnStoll rast bas Gefolge dcS Todes — Sturm, Sturm! Furchtbar lastende Stille, wenn daS Gebrüll der Ge schütze verlobt, fürchterlich atemberaubendes Schweigen im zähnckntrsck,enden Kampf, Mann gegen Mann, Faust gegen Faust, Dolch gegen Dolch. Sieg ober Tob! Zum Zerreißen gespannt sind die Nerven. — Ei» mattes Frührot fliegt über die rauchenden Trümmer oon Pressoir, da schallt ans dampfenden, Stnrmwald, höhnisch fast, »eil, siegkündend Knattern deutscher Maschinen gewehre. DaS tolle Gewehr schießt in den fliehenden Feind' «- Sturmwind fegt Uber flandrische Flur, hinter herbst bunten Hecken lauert mit grinsender Fratze der Tod. „Schert cs dich, Freund, daß die Geschütze rasen, kümmert dich daS wilde Kreischen der Minen, daß das Hemd auf de» müden Knochen sankt?" Bier Jahre lang denken: Deutschland! Macht uns zu Stadl, vier Jahre lang denken: Lieg, macht uns zu Eis'n. — Ans einsamem Posten, katzengleich lauert cm schlammigen Trichter das Maschinengewehr. Brüllend, »chauerlich tont zum letzten Wassengang des KricgSgotteö unerbittlich Lied. Da wälzt cö heran, wrintrunken, wildivoc-ende zu sammenhanglose dickste Masse, — der Feind! „Denkt an Deutschland!" Zum letzte» Mal müht daS tolle Gewehr grausame Mäht. Todwund stürzt der Franzose. Ans den Schwingen des TodcS in sinnlosem Flug ai,S weiter Ferne fährt unl>i lick wer die Granate, Turmhoch ans sumpfigem Lech Fegen die Fetzen der Erde, himmel hoch pfci'en die Sptzttcr. — Gnädig verhüllt träggrauer Quai», «in grausam Geschick. Rauschender stiegen rinnt. Vor steilem Holzkreuz im dunklen Park senkt sich die heimwävtSzteheude Fahne des NeZments zum letzten Gruß. So endet die Geschichte vom tollen Gewehr. Rolf v. Se „ d « witz. Denlsches und amerikanisches Hauswesen. Von Ton! H a rt e n - H o e n ck e. Wir Deutschen sind gewohnt, unser Hanöwescn für das beste ans dieser Erde zu halten. DaS deutsche HauS, die deutsche Hausfrau bat stets Ruf und Ruhm in der Welt ge habt. und sie auch setzt noch nicht ganz verloren. In den Vereinigten Staaten t/t selbst heute, wo sonst nichts mehr am Dcittschen gut gelosten wird, die Ucberzengung noch nicht ganz erschüttert, das, ein denlsches Hans zuverlässig ist. waS Ordnung und Reinlichkeit betrifft. 1918 kam ein junger amcrilanischer Offizier aus Deutschland zurück und suchte in Boston eine Wohnung. Er wurde an eine Bekannte emp fohlen, Dcutschamcrilancrin, die einen französisch klingen den Namen hatte. Als er diesen Namen hörte, wollte er nichts von der Wohnung wissen. Er hätte geglaubt, an Deutsche gewiesen zu sein; von französischen Häusern hätte er mehr als genug. Und das war nnr einer oon vielen Amerikanern, die voll Lob des deutschen Hanse» zurück- knmeu, es srelltch nicht laut werdcn tasten dursten. Unter vier Augen hörten wir österS: «Wir haben daS verkehrte Volk bekriegt.' So ist viel Wahres daran, wenn wir glauben, bah nichts über daü deutsche Heim und die deutsche Wirtschaft geht. Die amerikanische steht ihr im ganzen nach. Nnr darf man beides nicht zu sehr verallgemeinern. Wir sind jetzt in Deutschland in manchem zurückgeblieben dinier der schnell fortschreitenden Zeit. Wir sind aber auch so gründlich, daß wir leicht schwerfällig werden, zu konservativ, zn umständlich. Das steht uns besonders jetzt im Wege, wo wir uns so sehr und so schwer veränderten Verbältnist-n gegenüber sehen. Wie früher können wir unser Leben nicht wieder etnrtchten. Was nun? Da fragt die Amerikanerin nun nicht lange, sondern stellt kurz entschlossen alles auf den Kops, wenn es einmal nicht anders geht. Sic ist sehr leicht bei der Hand mit Ver änderungen — außer bei einigen grundlegenden Ein richtungen, die auch sie um die Welt nicht anrühren würde. Zum Beisoicl würde sie niemals das Nationalgebäck der Doughnuts. eine Art Schmalzgebackenes, anders znberetten. als cs von Urgroßmutters Zetten her geschehen ist. Sie würde ein Zimmer niemals »«ehr als einmal in der Woche wirklich reincmachen. Die übiigcn Tage darf nur Staub gewischt und — wenn es durchaus nötig ist — leicht gefegt werden. Und so gibt cS noch allerlei unumstößliche Sitten mehr, an denen sic just io zäl> sesthält, wie wir an unseren. Aber in hundert und tausend Dingen ist sie jeder Neuerung leicht zugänglich nnd saßt ungcmctn rasch und sicher zu. Die amertkanische Frau ist für ibren amerikanischen Hausstand meistens eine gute, geschickte Wirtschafterin. So unmöglich es ihr märe, einen deutschen Hausstand zu führen, so nett, ia. so musterhaft weiß sie ihr eigenes Heim zu batten. Die Amerikanerin hat sich vor allen Dingen von so manchem deutschen „Muß" frcigcmacht. Wo sie keine großen Nänme bcwirtschgstcn kann oder will, schafft sie sich kleine, beaucmc nnd wirst allen Ballast a» schwer zu reini genden Möbelstücken oder W stmungödekorationen über Bord, Von vornherein gibt sie sich — ob sie nun in größeren oder kleineren Verhältnissen lebt — nickt mit der Last von Schränken und Waschtischen ob, was eine unberechenbare E"lctchiern„a der gesamten Wirtschaft bedeutet. Ta sind keine Staubansamwlnnaen ans oder unter den Schränken — jedes Haus in Amerika bat Wandschränke — keine alles- 88 ummälzcicke Grtt»dlichre!nemachzctten. keine tägliche ** Wallerschlcpperct in die »erschienenen Schlafrnnme, ganz ab gesehen davon, daß ohne W-stch- nnd Nachttisch, ohne ^ "leEersch''änke, jg ohne Bettstellen, jedes Zimmer iederzett ^ Wohn- oder Schlafzimmer sein kann. Ich kenne viele Woh nungen in Amerika, die ans lantcr aemistlichcn W'bn- 'immern bestehen, denn deS B-stt wird über Tag zu einem ^ :7ti'>'eb>'tt. l'nd eS schlätt st-» nsti-klich gut darauf na-btS, « ^ Und lüften kann man ein solches Zimmer ebenst» gut. Das Z I vereinigte W o h n - T ck l a s z i m m e r hat ein ideales K 8 Geaenaemich, in, unmiitelbar anschließenden Badezimmer.!? A Mit allen seinen begnemcn. praktischen Einrichtungen Ist eS »» tz leickst saubir an beiten und int mehr !ür die Reinlichketts- ^ ",'lcgc d-m Familie, als secks Waschgcsckirre mit einem es o Dutz-nd Tischen und Tischchen dazu. S S Eine andere wirtschaftliche Schwierigkeit beseitigt in D A Amerika die einfache, billiae S p e i sea e l e g e n h e i t.»» die jeder an der nächsten Ecke" findet. Tie Hausfrau ist — Z nicht darauf angewiesen, unbedingt und sghraus. jahrein zu »z kochen, Tie moderne „Cafeteria" nimmt für Tage, Wochen oder Monate die Küche ab. Ist jemand krank in der Familie, verreist die Hausfrau, ist si- beruflich in Anspruch genommen, bat kein Mädchen oarr will sich erholen — die „Cafeteria" M ist überall in der Nähe, um für leibliche Nahrung billig e» und gut zu sorgen. Sie liefert Kindcripeisen, leichte, »8 schwere Gerichte, vegetarische Küche, liefert alles in «v Portionen, so daß man lausen kann, was und wieviel einen, »a der Geldbeutel erlaubt. Daß natürlich kein« Oe fei, geheizt, keine Kohlen ge schleppt, keine Zimmer und Flure dabei cingcschmutzt wer den, ist die Amerikanerin gewöhnt. Zwar heizt sie oft, wenn sie allein steht, ihren großen Ösen im Keller selbst, nie aber, wen» ei» Mann im Hanse ist! Darauf hält die amerikanische Fran mit Strenge, daß sic keine der sogenannten „schweren" Arbeiten tut. wenn irgendein männstÄcs Wesen dafür zu haben ist. Ter Mann, d. h. Gatte, Sohn Bruder, hat die Einbrecher. Bou August Kinsk - Halle. Als Waldemar Stiegler in der Nähe seiner Villa im Vorort der Großstadt auö der Elektrischen sprang, siel ihm ein. daß beute sich der Tag zum dritten Male jährtc, an dem er geheiratet hatte. Ein Blumenstrauß zun, mindesten wäre angebracht gewesen. Pa. morgen war ja auch ein Tag. Beim Betreten seines Hauses fand er es in Heller Auf regung. Ein Einbrecher war vom Garten aus tu baö Küchcnscnster ringcstiege», und Frau Henriette wollte eben in die Küche treten, als der Kerl herauSgeschlichen kam. um den Wohnräumen einen Besuch abzustatten. In der Dunkel heit, eS war Winter und 6 Uhr abends, hatte sie nicht gleich gewußt, was sie sür eine» Mann vor sich habe, und ihn freundlich gefragt, wen er suche» Da habe der Einbrecher rasch ReißauS genommen und sei durchs Küchcnsclistcr ent kommen. — Ein breitschultriger Schutzmann kam äuS dem Flur aus Waldemar Stiegler zu, grüßte und meinte, er dürfe sei»« Frau und daü Mädchen hier In der abgelegenen Gegend bei diesen Zeiten nickt allein lassen. Tann empsahl er sich. Die Kriminalpolizei batte bereits ihre Nach forschungen ausgenommen. Waldemar Stiegler kaufte einen Revolver für seine Frau, die behauptete, nnr eine Waffe nötig zn haben, um »ich Einbrecher vom Leibe zu halten. An» nächsten Sonntag fuhr Waldemar Stiegler mit seiner Frau zu Verwandten nach Brochdorf, und man hielt im Walde Schießübungen ab. Waldemar staunte. Seine Frau schoß mit einer geradezu fabelhaften Sicherheit. Na ja! Die ruhige Hand von so einer Frau, und starknervig war sic ja immer. Unheimlich genau saß ein Schuß über dem anderen im Schwarzen. Frau Henriette machte die Sache unendlichen Spaß. ES war auch eine Freude, sie zu sehe», wie sie so dastand, kurz nnd gedrungen, nicht schön und nicht häßlich, aber mit ein Paar schwarzen Augen tm Gesicht, die Funken sprühten. Waldemar Stiegler war den ganzen Lag nicht zu Hause. Es war zu umständlich, wegen des Mittagessens nach Hause zu fahren. Er aß in der Stadt, zumeist wenigstens. Nur Sonntags saßen Mann und Fra» zusammen bei Tische. Es waren vierzehn Tage nach der Einbrecherafsäre ver gangen, da siek eS Waldemar Stiegler plötzlich ein, sein Buch „Die Papierfabrtkation von ihren Uranfänge» bis zum heutigen Tage" fertig zu schreibe,» Ein Haufen Notizen lag zum Leidwesen der Frau Henriette ans seine», Schreib- tische. Aber er brauchte eine Maschmenichreibertn. Und er inserierte. Am nächsten Tage kamen nenn Offerten. Stieg- lcr studierte die Handschriften; es gefielen ihm drei Briefe. Sie zeigte» klare, gefügige Züge »nd verhältnismäßig gutes Deutsch. Und die Damen stellten sich vor. Frau Hmrriette hwnticrw in der Küche, alS die drei Damen, zufällig alle drei kurz hintereinander, ankau,cn. Die eure Maschinenschreibcrm war eine lange Blondine mit wasserblauen Augen und einem sanften Taubenvlick, die zweite roch „ach Parfüm, hatte eine silberne Handtasche, aber unechte Neisenvhrringe und ettie Zahnlücke, die dritte war einfach gekleidet, halblanger Nock, schmale weihe Hände und etwas verschleierte Augen. Die drei Damen saßen im Korrtdvr der Stieglersche» Billa. Und Stiegler ließ eine »ach der anderen zu sich inS Kontor kommen, um sie aus Herz nnd Nieren zu prüfen. Frau Henriette war gar nicht neu gierig. aber sie war doch gespannt, welche Dame ihr Mann engagieren würde. Und siehe da, alle waren bald abgescriigt, nur die letzte, die mit den, verschleierten Blick, blieb lange Zeit bei Stiegler. Leise schloß sie die Tür beim Heraus- tretcn, ihr Gang über den Korridor war kaum zu hören, und klapp machte das Haustor, und sie war draußen — die neue Maschiiicnschreibcrln. Fra» Henriette warf einen kurzen Blick tu den Wandspiegel. Na, so schön war sie auch noch, wie die. » Waldemar Stiegler saß in seinem Klubsessel mit der Zigarre tm Mund und diktierte. Helene Bauer schrieb auf der Schreibmaschine nach den, Diktat. Bei mancher tech nischen Bezeichnung wart sie eine» fragenden Blick aus Waldemar, der das Wort dann buchstabierte. Aber dies kam selten vor. Helene hatte ganz kleine, zarte Füße, trug graue Letdcnstrümpse und eine einfache weiße Bluse. ES waren Lackschuhe, die sie anharte, rw» einer sonderbaren Farbe und einem Glanz, der Waldemar, der ihr gegenübersaß, mancki- mal zu stören schien. Auch trug sie zur Abwechslung an manchen Tagen einen kürzeren Rock und schmarzseidcne. durchbrochene Strümpfe. Dazu Schuhe mit der Spange über den Knöcheln. Ihr Haar halte einen ganz besonderen Tust und sie hat!« die Angewohnheit, in Pansen die Arme zn strecken und dann gleich wieder irisch daranslos zu schreiben. Sozusagen mit neuer Krast. Waldemar Stiegler mußte lange suchen, bis er das HauS fand, in dem seine Schrctbmaschinistin wohnte. Wie ei» Ein brecher schlich er durch die dunkle Gasse, sein Gesicht sorg fältig mit dem Mantelkragen verhüllend. Aba! Berg- gassc 20. s Treppe». Da oben war Licht. Drei Fenster Front. bas mußte die Wobnuna lein. Ein Schatten an der I Decke, muscheliges Haar, eine lange Schattenhaud, die ' darüberhuschte. Waldemar slölmte laut auf. Sollte er? Direktor Waldemar Siieglcr. 45 Jahre alt, verheiratet, gut verheiratet. Ach was! Was dem Manne erlaubt ist Aber der Kuß stockte, der schon aus der ersten Treppenstufe stand. Oben klappte ein Fenster. Ein Kopf sah eineu Augenblick ins Freie. Dann kamen Schritte unten um die Ecke. Wald eina r floh. «- „So. und ltzer Ihr Lohn!" Waldemars Hand zitterte, alS er Selene den Tainendmarksckletti überreichte. Tie Arbeit war zu Ende. Die Fenster dcS Stiegicrichen Kontors standen ossen. und herein drang ein weicher Lusihauch. denn der Frühling war tm Anzüge. Helene blickte zu dem schönem starken Manne mit dem wallenden Vollbart aus, der s,c seinerseits mit unsicheren Blicken betrachtete. Aus dem Neben zimmer börtc inan Klavierspiel, schlecht und recht, mit vielen Fehlgriffen. „Können wir uns iiicht heute abend treffen?" Heiser kam die Frage, und lciie umrde sie mit „Ja" bcanr- wartet. „Ia?" kam es freudig von den Lippen Waldemars .Uns wo denn?" — „Ich bin zu Hause, oder bester, wir ressen uns an der Ecke unterer Gaste um neun Uhr." Frau Henriette stand in der Küchcnlür. alö Helene forr- nng. Die Frau reichte Selene die Hand und sagte ein paar freundliche Worte. Ihr dunkler Blick flog zu dem Ge- icht ihres Mannes, daS freundlich lächelte. Es war ein 'rcundlicixr Abichicdöaugcnblick. Was war weiter? Helene wurde schon wieder andere Arbeit finden. Ihr Mann Imtte :ür doch gesagt, daß ihre Arbeit nur einige Zeit dauern wuroe. Waldemar begleitete Helene bis zur Tür und noch tu den Borganen. Ein, stummer Händedruck da knallie eu, Schuß im Hanse. Stiegler knickte in die Knie, und er- Reichend faßte Helene den Arm des Mannes. Ter riß sich los und stürzte ins Haus. AIS er die Tür zum Wobn- ummer aufmaclite. stand Henriette am Fenster und lachre verlegen. Der tlievoloer In ihrer Hand rauchte noch. „Ach. -s ist nichts weiter," lagt« sie. „Ich habe mit dem Dinge icspielt. Der Schutz ging los. In das alte Bild dort ist er gegangen." Uno an der Wand hing SticglerS Bild, ein« gute Ver größerung. Der Schub war dem Bilde durch daS Herz ge gangen. Milten durchs Herz. „Man merkt'S kaum." sagte Frau Scnrielte. „Wir tasten daS so." Direktor Waldemar Stiegler blieb diesen A-bend zu Haufe. ES siel Ihm ein. daß er schon lange keine Partie Schack mit seiner Frau gespielt habe. Aber sic gewann ja immer, die kluge Frau.
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