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61. Jahrgang. O 188. L8SS Drahtanschrift: »iachricht«, rre.drn. Ftrnsprrcher-Saimnrlnummtr: ULULI. ikur für NachlgesprSch«: KVVU. S«z»g»-»«bützr oIovetjLhrllck» in Dritten und Vororten bet zwetmatiger Zutra„un- <an Sonn, und Montagen nur einmal» towt« det einmaliger Zustelung durch die Post (ohne Beliellgeld» S.K» Vl.. monatlich ,.ro M. >»>ot,«n-vr«tse. Die einipaitigc Zeile <eiwa 8 Süden» 8» Pt-, vorzugepiiltz« u. An,eigen in Nummern nach «onn- u. Feiertagen lt-Larlf. 20»/<>r«u«rung»tulchla,. — «uow.«ustr.,eg.Vorau»bez-HI. —Beiegdl.loPt. Mittwoch, 11. Juli 1V17. Schristleitung und Hauptgeschäftsstelle: viarienstrafte L8/-0. Druck u. Verlag von Llepsch ck> Reichardt in Dresden. Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe <„D,e»dner Nach,."» ptlitssig. — Unverlangt« Schriststllck« werden nicht ausbewahri. o^»n Lettlsßlorigkett nervösen Urmruogr „Gop0»7V»I", sllcokolarmes B»Up»e»r, vou exrkter Virkunx. ksirscke >,S0 unck 2,S0 dl-rk. Könizl. Hofapolkelce mr° Vsksanej naek »uswLrls. "QSIur^einisungttee sItdv«Lftrt«8 hckittsl rur -luftrisckuns cts« Slutos unck Koinieung ckor SLtt«. Paket 1,S0 dlark. llckt mit Schutzmarke »Butter ^nna«. Fortdauer der inneren Spannung. Heue Bsrtrllze heim Kail«. — Sie Beratvnzen der Parteien. — A«fschieh«ng der BejchlußsMu« über die Kreditvorlage? Seharsamaverveiier»»«» im IraaMchell H«re. — Ae rnsfischea Verluste. — Sine englische Seheimsitzmig über die Lustangrissr. k« deutsche Meuddrricht. «erkt», 10. Juli, abends. sAmtlt». W. T. »» I« Veste« «»d Oste» keine beso«dereu Ereignisse. Sesterrelchisch-llllsarilcher Kriegrbericht. Wie», 1«. Juli. Amtlich wird verlautbart: VesUicher Kriegsschauplatz. Bei der Heeresgruppe des Generalobersten Erz her. zagSJoscph regere Erkundungs- und Artillerietätigkeit. Bei Otanislau entbrannte» gestern früh ernent Herste Sänrpfc. Die verbündete» Truppe« schlüge» mehrere Angriffe ab, wurde« jedoch abends vor dem zunehmende» Druck der feindlichen Waffen hinter den untere« Lukowica- Bach »«rückgeführt. Der Gegner drängte die Nacht über nicht »ach. Nördlich des D «iestr verhielten sich die Russe« ziem, sich r«hig. Unsere Sturmtrupps arbeitete« mit Erfolg. Zwischen der galizischea Grenze u«d der Ostsee lebte viel, fach das Gefchützfeuer auf. Italienischer und Südöstlicher Kriegsschauplatz. Unverändert. s«.T.».f Der Ehef deS Generalstabs. Poinkart. Die Verhandlungen der französischen Kammer am Sonuabeub erhielten einen besonders bemerkenswerten Einschlag dnrch die Angriffe, die gegen Poincars gerichtet wurden. ES ist das erstemal, das, die gegen den derzeitigen Präsidenten der Republik vorhandene Miß stimmung, -ie in der Presse schon seit längerer Zeit gärt, auch' in der Kammer offen »um Ausdruck gebracht wurde. Ein Redner sprach unter deutlichem Hinweis auf den Prä sidenten von der „geheimnisvollen, ungreifbaren, übel- tätigen Macht", die den Kriegsrat in Compiegnc beherrscht und di« verunglückte blutige April-Offensive in Gang ge bracht Hab«, und die man hoffentlich bald erkennen und ab- »rtellen werde: es fei ein Sakrileg, daß die Soldaten Frankreichs „den Wahnsinn anderer" mit dem Leben be zahlen müßte«. Er bobauerte, -atz der Präsident nur wegen Hochverrats in Anklagezustand verseht werden könne, und fordert«, datz dann wenigstens gegen die schnldigen Minister energisch vorgegangen werde. Diese Worte lösten all gemeinen Tumult au-, der bereits kurz vorher ebenfalls entstanden war, als ein Abgeordneter bei der Erörterung der Krage, wem die Verantwortung für die April-Offen sive zur Last falle, ausdrücklich den Namen Poincars ge nannt hatte. Der bekannte Sozialist Augagneur verlangte Bestrafung auch -er höchste« militärischen Stellen bel be gangenen Kehler« und die vollkommene Gleichheit der Disziplin ebenso für die Offiziere wie für die Mannschaften, und bemerkte, Satz mtt dem Blute der Soldaten nicht Miß brauch getrieben werden dürfe und tollkühne Unter nehmungen unterlassen werden müßten. DaS ging eben falls auf Poincars alb den eigentlichen Anstifter des OsfenstvwahnfinneS. Der hier gegen Poincars -urchgebrochene Unwille ist so sehr berechtigt daß man sich nur darüber wundern kann, wie langer Zeit e» bedurft hat. um ihn reifen zu lasten. Der fetzige Präsident der dritten französischen Republik ist einer der hauptsächlich schuldigen Urheber deS Krieges. Sein Ehrgeiz war von jeher darauf gerichtet, das Pro gramm Gambetta« zu verwirklichen und dir „verlorenen Provinze«" für Frankreich zurückzuerobern. Poincarss Wahl zum Präsidenten bedeutete den Krieg. Das wußte man in Frankreich so gut wie im ganzen Verband unserer Feinde, und nur ein großer, wenn nicht der größte Teil der öffentlichen Meinung in Deutschland täuschte sich über diese Wahrheit in solchem Grade, daß in der deutschen Presse sogar vielfach Lobreden auf unseren Todfeind gehalten wurden.' Sobald Poincars einmal fest im Sattel saß. be gann er mit unheimlicher Geschäftigkeit an der Einfügung der letzten Bausteine in sein Rachewerk gegen Deutschland zu arbeiten. Mtt England wurden eingehende Verein barungen. die auch die Besetzung CttlaiS durch englische Truppen znm Gegenstand hatten, für den Kriegsfall ge troffen. der russisch-französische Zweibund wurde in ein Offensivbündnis verwandelt und auch aus die gemeinsame Kriegführung zur See ausgedehnt, und endlich tat Poin- cars^en entscheidenden Schritt durch die Wiedereinführung der Meijährigrn Dienstzeit, die er gegen den heftigen Wider stand der parlamentarischen Opposition durchzndrücken ver stand. Als diese Maßregel durchgegangen war. konnte auch bei uns kein Klarblickender mehr im Zweifel darüber sein, wohin Poincars steuerte. Eine derartige wirtschaftliche und finan zielle Belastungsprobe konnte Frankreich nie und nimmer bei fortdauerndem Frieden aushaltcn, und so blieb dann nur die Annahme übrig, daß Poincars entschlossen sei, sofort loszuschlage». Diese Annahme wurde durch den unmittel bar darauf erfolgenden Kriegsausbruch bestätigt. Poincars gehört in der Schar der Kriegsverbrecher nicht zu den erst in zweiter Reihe Schuldigen, weil Ge triebenen und Gesckwbcnen. sonder» er ist von Anfang an in hervorragendem Maße Treiber und Schieber gewesen und hat mit einer kaltblütig grausamen Folgerichtigkeit alles getan. ,,m die Äriegsleidenschgsten zu entfachen und den eine Zeitlaug ersichtlich verglimmenden Haß gegen Deutschland bei seinen Landsleuten neu auflodern zu lassen. Ihm fällt auch die völlige Preisgabe der französischen Selb ständigkeit gegenüber England zur Last, und wenn sich das in diesem fürchtcrNchen ldriege zerschlagene und zerrüttete Frankreich nach wtcderhergestclltcm Frieden auf sich selbst oesinnen und Antwort airf die Frage heischen wird, wer das Land in so unabsehbares Unglück gestürzt, wer es zum britischen Vasallenstaat erniedrigt und seine Großmacht- stelluna für immer ruiniert hat, dann wird der Name Poin- cars häßlich und mißtönend an das Ohr der also fragen den Franzpscn schallen und ihnen sagen, wohin sie sich mit ihrem Vergcltungswillen zn wenden haben. Roch sitzt Poincars ivie eine große unheimliche Spinne im Netze und zieht seine Fäden nach allen Richtungen, ab gehärtet gegen Blut und Leichengeruch bis zum äußersten, ohne eine Spur von Gewissensbcdenken. entschlossen, den Krieg unter allen Umständen bis zur völligen Erschöpfung Frankreichs durchzuführen, um den Termin der unausbleib lichen Abrechnung in dem für ihn verlorenen Spiel so lange wie möglich hinauszuschieben. Die Frage ist nur. ob die französische Nation in blinder, willenloser Ergebenheit sich bis zum Weißbluten von Poincars in den Krieg hinein peitschen lasten wird, oder ob sie nicht eines schönen Tages in jähem Erwachen sich aufbämnt und die geheimnisvolle, un faßbare Macht", die der Präsident zurzeit noch barstellt, von sich abschüttelt. Der Sturm in der Kammer gegen Poin cars ist das erste deutliche Anzeichen dafür, datz auch die Stellung deS französischen Präsidenten nicht unerschütterlich ist. und die Vorgänge in der Kammer erscheinen in noch be deutsamerem Lichte, wenn man sie mit der kürzlich voll zogenen Gründung der „republikanischen Liga" in Ver bindung bringt, die als Hauptpunkte in ihr Programm den „Kampf gegen cäsarisiischc Umtriebe", wie sie Poincars nach- gesagt werden, und gegen di« Gcheimdiplomatie aufgenom men hat: zugleich will die neue Partei für eine Versöhnung Ser Nationen wirken. Die publizistisch« Vertretung dieser Gruppe hat da« neugegründete und mit außerordentlich reichen Geldmitteln ausgestattete Blatt „Le Pays" über nommen, unter besten Leitern Herr Caillanx genannt wird, dessen Krau seinerzeit den Direktor des „Figaro" Calmette erschoß. Caillaur verurteilte den von Poincars angezettel ten Krieg rückhaltlos und mußt« deshalb eine Zeitlang Frankreich verkästen. Er ging nach Brasilien, kehrte nach Jahresfrist nach Frankreich zurück und hat seitdem nichts wieder von sich hören lasten, bis sein Name nun auf einmal im Zusammenhang mtt der „republikanischen Liga" und dem Blatte „Le Payr" wieder auftaucht. Ein französisches Blatt begrüßt das Wiederhervortrete» Eaillaux' als hoffnungs volle« Zeichen in dem Sinne, daß cs nunmehr vielleicht in absehbarer Zeit gelingen werde, das französische Volk von der Kriegspsychose zu befreien und zur Vernunft zurück- znführen. Es Ist sinnlos, den Krieg fortzusetzen: so hört man nach der bitteren Klage des Generalissimus Pctain jetzt überall in Frankreich die Leute sagen. Wer aber ist schuld an der Fortsetzung des Krieges, wer stempelt die FricbenS- schnsucht zum Verbrechen, wer verhindert mft allen Mitteln, daß die französische öffentliche Meinung zu sich selbst kommt und sich ein klare« Urteil über dl« Notwendigkeiten der Gegenwart und der Zukunft bilde«? ES ist Poincars, der fanatische „Lothringer", der ärgste Friedensfeind, der heute noch auf seiten unserer Gegner zu finden ist und der in seiner stillen, wühlenden Wirksamkeit weitaus gefährlicher ist. als der Vielredner Lloyd George. Mit ihm ist kein Verhandeln denkbar, und solange er den Präsidentensessel einnimmt, wird Frankreich erbarmungslos weiter zur Schlachtbank ge trieben werden. . ^ Rette Vorträge beim Kaiser. Der Kaiser hörte gestern iDicnstagi vormittag die Bor träge des Reichskanzlers, des Ministers des Innern v. Loebcll. des Ehcfs des Zivilkabinetts v. Valentiui nnd militärische Borträge. lW. T. B.) Gras Lerchenseld vom Kaiser ernpsangen. Die Korrespondenz Hoffmann meldet: Es bestätigt sich, datz der bayrische Gesandte in Berlin, Graf Lerchen- feld, am letzten Sonntag vom Kaiser empfangen wurde und daß hierbei die gesamte politische und militärische Lage eingehend erörtert worden ist. (W. T. B.s Der Führer der Fortschrittler beim Kaiser. k. Abg. v. Payer, der Führer der Fortschrittliche« Bolkspartei, sollte, ivie verlautete, gestern iDiens- tag) vom Kaiser empfangen werden, und zwar auf Vorschlag des Reichskanzlers, dessen politischer Ber- tronensmann, wie der „Lok.-Anz." bemerkt, Herr v. Payer bekanntlich ist. Die interfraktionellen Besprechungen. Zu den gestern, Dienstag, nachmittag fortgesetzten interfraktionellen Besprechungen wird aus linksliberalcn parlamentarischen Kreisen ausgeführt: Die interfraktionelle Aktion hat den Zweck einer festen Mehr hei tsbildung für einen Berständi- gungsfrieben und eine Regierungsbildung für den gleichen Zweck. Ueber die Notwendigkeit einer solchen Mchrheitsbildung und ihren Zweck hcm-scht eine weitgehende Uebereinstimmung. Die Schwierig!eit liegt hier einesteils, wie anzuerkennen ist, in der bisher und noch vor kurzer Frist vom Kanzler betriebenen, aber jetzt aufzugebenden Politik. Die in der Oeffentlichkeit verbreitete Darstellung, als ob die fortschrittliche Bolks partei dnrch eine Stellungnahme zugunsten der Person des Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg oder gegen die Parla-^ mentarisierung der Regierung ein Hindernis der Aktion bilde, ist unrichtig. Die fortschrittliche Bolks partei, die an der ganzen Aktion von vornherein mit'am stärksten beteiligt gewesen ist, betreibt ohne jegliche Rück sichtnahme auf irgendeine Person diejenigen Ziele, die ihr in der inneren und äußeren Politik zurzeit als die drin gendsten erscheinen. Diese Ziele sind die sofortige Einfüh rung des Reichstagswahlrechts in Preußen, die Schaffung einer Regierung, die auf dem Vertrauen des Reichstages und SeS Volkes beruht, und die in der Lage ist, unter ent schiedener Stellungnahme gegen alldeutsche oder verwandte Bestrebungen dem deutschen Volke einen verständigen und dauernden Frieden zu bringen. Zur Frage der Beschlußfassung über die Kreditvorlage. Es verlautet, daß von der Tagesordnung der Reichs- tagssitzung am heutigen Mittwoch die K r e d i t v o r I a g e abgesctzt werden soll, weil eine Vereinbarung der Regie-, rung mit der Linken nnd dem Zentrum über die inner- politische Neugestaltung noch nicht endgültig erreicht ist. Die konservative Fraktion soll, wie weiter verlautet, be absichtigen, dem gegenüber mit der Begründung Einspruch zu erheben, daß die Entscheidung über diese Frage deS wich tigsten Verteidigungsmittcls unseres Vaterlandes nicht von Vereinbarungen über innerpolttische Verhältnisse abhängig gemacht werden dürfe. In diesen Fragen kann nur die eine Notwendig keit bestehen, dem Baterlande ohne Gegenleistung das zu geben, dessen es in der Stunde der Not bedarf. Die parlamentarische Konstellation läßt sich augenblicklich noch nicht genau überblicken. Es scheint aber sicher, daß eine Einigung über die Kriedensresolution unter der Voraussetzung zu er zielen sein werde, baß der Posten des Reichskanzlers neu be setzt wird. Auch wegen der Parlamentorisierung der Regierung scheint unter den Parteien, mit Aus nahme der Konservativen. Einigkeit z» herrschen. Auch hier jedoch macht sich bei der Mehrzahl der Abgeordnete» das Verlangen geltend, daß der Kanzler wechsle. Bleibt diese Mehrheit bestehen, so ist ein weiteres Verbleiben des Herrn v. Bcthmann so gut wie ausgeschlossen, während in diesen, Falle für einen neue» Kanzler eine sichere und ge schlossene und zu freudiger Mitarbeit bereite Majorität vor. Händen wäre. Aus nationalliberalen Kreisen wird der „Tägl. Rund schau" mitgctcilt: Unter den Anwerbern für die neue Be setzung eitrzelner StaatSsckretariatc wurde auch Ser Ab geordnete Dr. Strcsemann genannt. Diese Vermutung trifft nicht zu. denn Herr Dr. Stresemann würde unter keinen Umständen bereit sein, in dir Regierung einzu- tretey. Er ist nach wie vor Anhänger einer starken Kriegö- zielpolitik und würde in diesen Fragen nicht mit der Linken zusamrncngehen. Sodann ist er auch scharfer Gegner der gegenwärtigen Kanzlerpolitik und hat