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Bautzener Nachrichten : 09.07.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1887328319-191007091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1887328319-19100709
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1887328319-19100709
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Bautzener Nachrichten
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-07
- Tag 1910-07-09
-
Monat
1910-07
-
Jahr
1910
- Titel
- Bautzener Nachrichten : 09.07.1910
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durch den Fratz nicht eingetreten. Aber das Geld, was man hinterhergeworsen hat, für Leimen und sonstige Zwecke, wird sich günstigstenfalls sehr schlecht verzinsen, wenn man es nicht ganz verloren geben will. Inwieweit die Vorbildung und die Erfahrung anderer, die meine überragen, das hat mit meinem Aufsatz nichts zu tun. Aber ich beanspruche für mich das Recht, selbständig nachzudenlen und meine, mehr als 30jährige Erfahrung, in dem mir anvertrauten Revier, in erster Linie in Anwendung zu bringen,' da ich allein das zu vertreten habe. Die Nonnenfrage ist zur Zeit noch keineswegs gelöst,' sie wird auch nie gelöst werden, wenn sich nicht Männer der Praxis daran beteiligen. Zur Zeit sind mir die Herren, die, nach Ansicht des Herrn Müller, dank ihrer gründlichen Vorbildung und ihrer langjährigen Erfahrung berufen sind, in der Nonnenfrage als Führer zu dienen, nicht bekannt. Herr Müller würde sich grotze Verdienste erwerben, wenn er sie nennen wollte. Sogar Herr Oberforstmeister Krutsch dürfte diesen Vorzug für sich kaum in Anspruch nehmen wollen, denn er sagte zu mir wörtlich: „Als ich meinen ersten Artikel in der Nonnensache schrieb, hatte ich noch keine Nonne gesehen; ich tat es lediglich auf Veranlassung der Regierung und auf gut Glück!" Dah schlietzlich diejenigen, welche die ungeheuren Geldaus- tzabcn veranlassten, bestrebt sind, einen Erfolg zu konstruieren, kann ihnen niemand verdenken; sie sollen aber nicht verlangen, datz andere mit ihrer eigenen Meinung ins Mauseloch kriechen. Glücklicherweise sind wir die Nonnen los geworden, aber am glücklichsten dürften doch diejenigen sein, die es verstanden haben, nebenher ihr Geld im Beutel zu behalten. Revierförster E. Gretschel, Cunewalde. Aus der Lausitz «ud aus Sachsen. Kltinwtlka. Aus der Briidergemeine. Ferien! Welch ein zauberhafter Kiang liegt doch in diesem Worte! Birgt eö doch in sich das selige Gefühl, den Schulstaub ab- zuschtitteln, die Schularbeiten ruhen zu lassen und die schon dem Kindcrherzen so köstliche Freiheit mit ihren mancherlei Freuden zu genießen. Heute nahmen nun in den hiesigen Erziehnngöanstaltcn die Ferien ihren Anfang. Da nun der größte Teil der Zöglinge Kinder unserer Missionare sind, so wird es gewiß manchem interessant sein, zu erfahren, was da wohl mit den vielen weit über l 00 Missionskindern wird nnd wo sie ihre Ferien znbringen. Denn zu ihren Eltern können sie nicht reisen, die sind ja jenseits des Ozeans, in allen Erdzonen zerstreut: in Südafrika, Nord-, Mittel- nnd Südamerika, im Himalaya und in Australien. Doch auch sie sehnen sich darnach, einmal das Anstaltsleben mit dem Fa milienleben zu vertauschen. Und in der Tat wird ihr Wunsch erfüllt, keiner der Zöglinge bleibt in der Anstalt, und in Kleinwelka verbringen die Ferien auch nur die, deren Eltern hier zur Erholung weilen. Der größte Teil findet bei Ver wandten oder Freunden und Gönnern der Mission freundliche Aufnahme. Da geht's nun hinaus in die weite Welt: nach Neuwied am Rhein, nach Neusalz an der Oder, nach Gnaden frei und Gnadenberg in Schlesien, nach Nixdorf bei Berlin, nach Herrnhut und NieSky, nach Polen, Thüringen nsf. — Wünschen wir unseren lieben Zöglingen wie Lehrern und Lehrerinnen recht vergnügte, und von schönem Wetter be günstigte Ferien, daß sie sich nach Ablauf ihrer 4'/gwöchentlichen Ruhezeit, an Leib und Seele gestärkt, wieder hier bei uns zu- sammcnsindcn. — Möchte die nunmehr eintretende Stille un seres OrteS recht oft unterbrochen werden durch einen zahl reichen Besuch der Bewohner unserer lieben Nachbarstadt Bautzen und unserer Umgebung. Ein schöner Park mit Schwanen- und Anstaltsteich, Löhnerts und Sturms Garten restaurants mit guter Bewirtung und gemütlicher Gesellschaft dürften gewiß geeignet sein, allen Besuchern Genuß und Er quickung in reichem Maße zu gewähren. Bischdorf. Besitzwechsel. Das Rittergut Ober bischdorf ist aus dem Erbe in den Besitz des Fabrikbesitzers Lieder aus Wurzen für den Preis von rund 500000 Mark übergegangen. Das Rittergut umfaßt 233 Hektar (ca. 840 Scheffel). Großschönau. Ober lau sitz er Web schule. Am 4. Juli besuchten Vorstand, Lehrer und Schüler der Tuchmacher« fach schule zu Kamenz die hiesige Oberlausitzer Webschule, um die Einrichtungen, Unterrichtsmethoden und -Ziele zu studieren und die ihnen unbekannten Erzeugungsarten der leinenen und baumwollenen Ttschzcuge (Jacquard und Damast), sowie der Buntwarcn (besonders Frottierplüsch) kennen zu lernen. Während eines dreistündigen Aufenthaltes in der Schule wurde 1898 den Teilnehmern eingehende Unterweisung über die verschiedenen Spezialerzeugnisse deS I idustriebezirkes gegeben, von welchen die Fabrikation von Damast, Frottterplüsch, Velvet, Halbwoll zeuge (Orleans). Robhaargewebe und die baumwollenen Bunt- wa.en mit ihrer eigenartigen Ausmusterungstechnik das größte Interesse erregten. Durch praktisches Weben auf den Stühlen und durch eine Ausstellung von Lehrmitteln und Schulerzeug- nissm gewannen die Besucher Einblick in die unter Zuhilfe nahme der neuesten und besten Hilfsmittel hergcstellten Lehr- behelfe, wie sie nur einer, auf der Höhe modernen Anforde rungen stehenden Lehranstalt zu Gebote stehen können. Ein gemeinsames Mittagsmahl im Hotel zur Post brachte den seit l/<6 Uhr früh auf der Reise befindlichen Teilnehmern die ge wünschte Stärkung, nach welcher ein Besuch der Tischzeug- und Frotttcrwarenfabrik der Firma Richter L Goldberg, in Gemein schaft mit den Lehrern und Schülern der Obcrlausitzer Web schule, erfolgte. Nach Verlaffen dieses sehenswerten Stabilste- ments ging es nach dem Hutberg. Ein weiterer Besuch des nahen, als Sommerfrische in Aufnahme gekommenen sog. Neuschönau mit seinem „Bad" und Gondeltetch, gab Gelegen heit zu rudergeschickltchen Hebungen. Zittau. Gänzlich verwaist und verlassen sind nunmehr die beiden, jetzt 4 und 6 Jahre alten Kinder des beim Brande des Hotels „zur goldenen Sonne" tödlich verunglückten Feuer wehrmannes Wartenberger, dcr mit 27 Jahren 1907 den Kindern, die vorher schon die Mutter verloren hatten, ent- rissen wurde. Am Mittwoch ist nun auch die Großmutter der Kinder, Frau verw. Rechtsanwalt Marienberger, die sich der Kleinen liebevoll angenommen hatte, vcm Tode dahin- gcrafft worden. Vereinsamt stehen nun die Kleinen da. Dittclsdorf. Schwer verunglückt. Beim Arbeiten am Mast der hiesigen elektrischen Straßenbeleuchtung stürzte dcr Monteur Scholze, ein junger Mann aus der Leipziger Gegend, ab, brach einen Arm und trug auch so schwere innere Verletzungen davon, daß sich seine Neberführung ins Kranken haus notwendig erivicS. Das Unglück war dadurch herbei- gcführt worden, daß sich der Gurt löste, mit dem Scholze sich oben am Mastbaume angehakt nnd befestigt hatte. Ostritz. Ein eigenartiger Diebstahl wurde hier begangen. Zwei Landstreicher besuchten ein leer stehendes Klassenzimmer dcr katholischen Stadtschule nnd fanden an der im offenen Kasten liegenden Violine derartiges Gefallen, daß sie dieselbe Mitnahmen und in der benachbarten, bekannt lich sehr mnsikliebenden Kolonie für 5 Mk. versetzten. Durch Gespräch von Schulkindern kam die Lehrerschaft und mit ihr die Gendarmerie auf die Spur des verlorenen Jnventarstückes und dcr sofort herbeigezogcne Jutcarbeiter durfte sich nur kurze Zeit seines Wertobjektes erfreuen. Die Täter entkamen un erkannt und versuchen vielleicht nun anderswo dasselbe Manöver. Kamenz. Grabschändung. Von gemeiner Gesinnung zeugt eine auf dem St. Jnst-Friedhofe verübte Grab schändung. Fast alle blühenden Pflanzen wurden mit den Wurzeln aus einem der Hügel herausgczozen, zerschnitten und zerpflückt und hingeworfen. Da im vorigen Jahre das Grab in ähnlicher Weise verwüstet worden ist, wird angenommen, daß es sich um einen Racheakt handelt. Dresden. Aus dem Stadtverordneten- s i tz u u g s b e r i ch t. In der gestrigen Stadtverordnetensitzung interpellierte der sozialdemokratische Stadtverordnete Arbeitersckrctnr Buck den Nat bezüglich des Todes des Feuerwehrmannes Schneider bei dem Brande des Speichers im König Albert- Hasen. Nach der Meinung des Interpellanten sei in der Dres dener Einwohnerschaft eine gewisse Beunruhigung über die Ver unglückung des Feuerwehrmannes eingetreten, weshalb er den Rat um Auskunft über den bedauerlichen Fall ersuche. Stadt rat vr. Körner teilte mit, daß der Brand des Speichers im Keller ausgebrochen sei. Um den eigentlichen Brandherd fest stellen zu können, sollte ein älterer Feuerwehrmann mit Rauch maske, Luftschlauch, Sprechleitung und Leine, an welcher er sich zurücksinden kann, in den Keller hinein gehen. Schneider habe sich freiwillig erboten, dies zu übernehmen und wiederholt ge beten, ihn in den Keller zu lasten. (Lebhaftes Bravo!) Darauf hin sei er mit Rauchmaske usw. hineingelasten worden. Nach einiger Zeit habe er durch die Leitung gesprochen und gesagt, er befinde sich wohl. Kurze Zeit darauf habe er wieder gesprochen und gesagt, datz ihm schlecht werde, worauf er um Hilfe gerufen habe. Atan sei ihm auch sofort zu Hilfe geeilt, konnte aber in folge der Glut nicht mehr bis zu ihm Vordringen. Die Rauch maske Schneiders habe man nicht weit von der Tür gesunden. Zn dem Speicher hätten 700 Waggons mit je 200 Zentnern Baumwolle, Zucker usw. gelagert, wodurch die gewaltige Glut entstanden sei. Im Keller stehe jetzt noch 1^ Meter Wasser, wes halb derselbe ausgepumpt werd-.'. Die Leiche des Verunglückten sei noch nicht gefunden worden. Durch sein unerschrockenes Vor gehen habe Schneider ein Beispiel gegeben, das dankbare Aner kennung verdiene. (Lebhaftes Bravo!) Vorsteher Herr Justiz- rat I)r. Stöckel sprach den Wunsch aus, datz der Rat in aus reichender Weise für die Witwe und die Kinder sorgen möge. (Lebhaftes Bravo!) Der Nat teilte dem Kollegium ferner mit, datz Frau Johanne Friederike verw. Richter genannt Gottlos der Stadt Dresden ein Vermächtnis von 6000 zur Ver wendung für die Armen in Dresden-Neustadt ausgesetzt habe. Die Summe soll dem allgemeinen Verteilungsfonds beim Armen amt überwiesen werden. — Ueberfahren. In der Bautzener Straße wurde eine 70jährige Dame von einem Fleischergeschirr überfahren und so schwer verletzt, daß sie gestern in der Diakonissenanstalt verstarb. TöhltU. Ein schwerer Einbruch wurde in der Nacht zum Freitag in die hiesige Königl. Untersteuereinnahme verübt. Den Dieben gelang es, einen 1>/, Zentner schweren eisernen Kasten, in dem 2400 Mk. verwahrt wurden, aus dem Hause ins Freie zu bringen. Die heute vormittag auf genommene Verfolgung der Diebe war ergebnislos, doch ge lang cS mit Hilfe eines Polizeihundes, den schweren Kasten, der noch unberührt war, in einem nahen Gebüsch aufzufinden. Leipzig. Tod eines Soldaten beim Scharf« schießen. Am 3. Juni traf der Vizefeldwebel Otto Enke beim militärischen Schießen auf die Scheibe den hinter dieser befindlichen Gefreiten Wilhelm Lönnig in den Unterleib. Dec Schuß war auf 400 Meter Entfernung abgegeben, zerriß Leber und Zwergfcll des versehentlich Getroffenen und führte alsbald dessen Lod herbei. Vom Kriegsgericht in Leipzig wurde der Vizefeldwebel, der bis jetzt in Untersuchungshaft gesessen, gestern, Freitag, wegen schuldhafter Verursachung des Todes eines Menschen durch unvorsichtiges Umgehm mit der ! Waffe unter Anrechnung eines Monats der Untersuchungshaft zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Verhandlung ergab, daß der Soldat Lönnig, nm an dcr Scheibe noch etwas in Ordnung zu bringen, wider die Vorschrift aus der Deckung hinter die Scheibe getreten war, was vom Schützcnstandc aus nicht bemerkt wurde. Von dort aus wurde in dies.m Moment von Enke, nachdem er das Zeichen zum Feuern abgegeben, geschossen, ohne daß er die vorgeschriebene Antwort seitens der Anzeigermannschaft abgewartet hatte. Die Kugel durch schlug die Scheibe und das Unglück war geschehen. Der Ver- ic.diger, Rechtsanwalt Martin, hatte Freisprechung beantragt, da seiner Ansicht nach der Gefreite Lönnig an seinem Tode selbst schuld sei, denn er habe sich, entgegen dcr Schießvorschrift, in Gefahr begeben. Das Kriegsgericht gelangte jedoch zur Verurteilung. Es verkannte zwar nicht, daß verschiedene un glückliche Zufälle mitgespielt hätten, allein Enke habe es auch an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen. — Norwegische Turner in Leipzig. Am Donnerstag ist eine Anzahl norwegischer Turner, von Frankfurt am Main kommend, in Leipzig cinge- troffeu. Sie besuchen Deutschland hauptsächlich, um das deutsche Turnweseu kennen zu lernen. Sie wohnten des halb einem Schauturnen der Leipziger Turnerschaft in der Turnhalle des Allgemeinen Turnvereins bei, wo sie der Vorsitzende der deutschen Turnerschaft, Geh. Sanitäts rat vr. Ferd. Götz mit einer warmherzigen Ansprache be willkommnete. Auch die norwegischen Gäste zeigten ihr Können in Freiübungen und an den Turngeräten. Nach Beendigung des Turnens versammelten sich die Teilnehmer und Ehrengäste zu einem Kommers, bei welchem Konsul Petersen-Christiania für die kameradschaftliche Ausnahme dankte. Am Freitag nahmen die fremden Turner die Sehenswürdigkeiten Leipzigs in Augenschein. Nerchau. Beamtenschule. Am 3. d. M. veranstaltete die Vereinigung ehemal. Nerchauer Beamtenschüler (Sitz Leipzig) im „Stern" eine allgemeine Zusammen kunft, die sowohl von ehemaligen Schülern wie auch von der Bewohnerschaft unserer Stadt zahlreich besucht war. Ge sänge des Beamtenschülerchors, verschiedene Klaviervorträge und Deklamationen verschönten die Veranstaltung. Nach einem poetischen Willkommengruß eines BcamtenschülerS und der Begrüßungsansprache des zweiten Vereinsvorsitzenden, Gemcinde- Feuilleton. Kunst und Wissenschaft. Ausstellung der Künstlervereinigung Dresden 1910. Auf zahlreiche Anfragen wird darauf hingewiesen, daß in der I. Ausstellung der Künstlervereinigung Dresden, welche vom 1. September bis 1. Dezember in den Räu men des Sächs. Kunstvcreins stattfindet, auch solche Künst ler ihre Werke vorführen können, welche der Vereinigung nicht angehören. Besonderer Wert wird darauf gelegt, daß junge bisher unbekannte Künstler hier zu Worte kom men. Anfragen und Anmeldungen sind zu richten an Herrn Prof. W r b a, Nmmonstr. 9 (Atelier). Die 62 Mit glieder der Vereinigung werden sich ohne Ausnahme an der Ausstellung beteiligen, welche, nach den bisherigen An meldungen zu schließen, ein sehr interessantes Bild deutscher Kunst bieten wird. Festvorstellung für ein Richard Wagner-Denkmal. Das Komitee zur Errichtung eines Richard Wagner-Denk mals in Leipzig will am 2. Oktober d. I. eine Fest - vorstcllung des „Lohengrin" im Leipziger Neuen Stadttheater unter der Regie des Herrn vr. Loewenfeld geben. Zu diesem Zwecke sind bereits Verhandlungen mit auserwählten Sängern und Sängerinnen angeknüpft. Zur Zeppelin-Polarfahrt. In einer längeren Aus lassung in der „Tägl. Nundsch." nimmt Ingenieur de Gisbert, der seit 12 Jahren regelmäßig die arktischen Länder bereist, Stellung zu der geplanten Zeppelin-Polarfahrt. Er schreibt u. a.: Wird Zeppelin mittels eines nach starrem System gebauten Forscherlustschiffs den Nordpol entdecken können? Es sprechen sich heute viele gewichtige Stimmen wohl zustimmend aus. Aber dennoch mutz gegen diese Hoffnung gesprochen werden. Die Frage ist in zwei Teile zu zerlegen: Ob Polentdeckung oder ob arktischeForschung. Zuerst die Möglichkeiten der -Polentdeckung. Nehmen wir als Ausgangspunkt der Expedition Nordspitzbergen an. Von Hammerfcst bis zur Mossel-Bai würde vom Luftschiff zunächst eine Strecke in Luftlinie von etwa 600 Seemeilen, d. h. etwa 1100 Kilometer zu bewältigen sein. Auf dieser Strecke könnte als einzige Z w i s ch e n l a n d u n g s st c l l c nur die Vären-Jnsel in Betracht kommen. Nimmt man ferner an, datz das Luftschiff bis Spitzbergen ungefährdet käme, und datz es selbst die sehr berüchtigten Nebel der Vüren-Jnsel- Zonc vermiede. Auf der Fahrt über Spitzbergen wird das Luft schiff, wenn ihm nicht gerade glückliche Zufälle blühen, mit dem Austreten dcr plötzlichen Schncestürme zu rechnen haben. Von solchem Schneesturm macht sich der Nichtkenner der arktischen Zone stets ein falsches Bild. Sie treten mit unbcschreibbarer Plötzlichkeit und Heftigkeit auf, sodatz buchstäblich der Blick nicht drei Meter vorwärts frei ist. Die M enge des her- abkommcndcn Schnees ist ebenfalls autzerordentlich grotz, sodatz in kurzer Zeit sich eine derartige Belastung auf die gewaltige Fläche des Luftschiffes legen würde, datz sie die Auf- tricbkraft um das Vielfache übersteigen müsste. Es ist sodann zu beachten, datz wie Schneestürme, so auch Nebel plötzlich und mit stärkster Intensität austreten und datz alle Niederschläge in festen Formen sich auf das Luftschiff setzen. Nun kann aber Zeppelin nicht einfach von der Mossel-Bai in schlanken Flügen bis zum 90. Grade n. Vr. fliegen. Der Weg in Luftlinie von der Mossel-Bai bis zum Pol beträgt ebenfalls über 1100 Kilometer hin und 1100 Kilometer zurück. Im Falle, datz am Nordpol kein festes Land, demnach keine Landungsmöglichkeit sei, verdoppelt sich der Weg des Luftschiffs ans über 2200 Kilometer. So lange die Fahrt über Packeis geht, ist die Temperatur unter dem Luft schiff immer unter 0, während die auf das Luftschiff fallenden Sonnenstrahlen eine Erwärmung der Luftschisfoberfläche herbei führen müssen. Die dadurch hervorgerufene Feuchtigkeit der Luft wird sich naturgemäß als Nebel in fester Form auf das Luftschiff niederschlagen, und die Belastung des Luftschiffs wird, ohne datz noch Schneestürme hinzukommen, sich stets ver mehren. Es soll weiter angenommen werden, dah das Luft- schifs mit einer anhaltenden Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometer in der Stunde fährt, so würden unter aller gün stigsten Verhältnissen doch 34 Stunden nötig sein, ohne Lan dungsmöglichkeit. Der Zwang zu einer Landung würde gleich bedeutend sein mit völligem Untergang des Luftschiffes und der Mannschaft. Zur Probe sei eine schätzungsweise Berech nung der Belastung des Luftschiffs durch einen mittel starken Schneesturm hergesetzt. Es gehört nicht allzuviel dazu, um auf der Ballonfläche eine Schneeschicht von 10 Zenti meter Höhe zu schaffen. Bei einer Länge des Ballons von etwa 135 Nieter und 12 Meter Durchmesser würde die Schneeschicht von 10 Zentimeter eine Belastung von über 20 000 Kilogramm darstellen. Eine Schneeschicht von 10 Zentimetern ist aber gar nichts Ungewöhnliches. Und die Schicht bleibt sehr fest liegen, denn an ein Schmelzen und Abstichen des Schnees ist nicht zu denken. Dagegen halte man die höchstgesteigerte Auftriebskraft des Luftschiffes von 5-—6000 Kilogramm und man sieht sofort, datz heute die Erreichung des Nordpols mittels Luftschiffs nur eine Träumerei sein kann. Die Frage der Polfahrt mützte des halb nach de Gisberts Meinung ausscheiden. Es bliebe demnach für Zeppelin nur übrig, von der Mossel-Bai ostwärts nach Franz- Joseph-Land und westwärts bis Grant-Land und Prinz-Patrick- Jnsel Erforschungstouren zu unternehmen. Von Mossel- Bai bis Franz-Joseph-Land kommt eine Entfernung in Luftlinie von etwa 550 Kilometer in Frage. Mindestens die gleiche Ent fernung ist von der Mossel-Bai bis Hazen-Insel. Auf diesen Strecken ist eigentlich noch alles zu erkunden. Mittels geeigneter Schisse ließen sich auf F r a nz - I o s e p h - L a n d S t a t i o n e n für Zeppelin errichten. Wie sollen solche aber nordwestlich, etwa bis Hazen-Insel, gebracht werden? Das Lustschiff müßte selbst über eine Entfernung von 8-—900 Kilometer das Nötige hinschasfen. Von Grant-Land müßte sich die Erforschungstütig- keit dann nach Patrick-Insel erstrecken, ob hier Inseln vorhanden seien usw. Auf freien Eisflächen ist die Landungsmöglichkeit des Luftschiffes wohl gegeben. Aber das Eis triftet ununter brochen. Deshalb können keine Stationen auf dem Eise ange legt werden, sondern nur auf dem Festlande. Am Schluß seiner Auslassung sagt de Gisbert: Von einer Polfahrt wird kein ernster Forscher überhaupt sprechen. Sie wäre vielleicht einmal in absehbarer Zeit Zufallssachc. Wenn Zeppelin nur einiges Material sür die Wissenschaft über die Arktik erzielt, und dies eben durch Erforschungstouren nach Nordwest und Nordost von Nordspitzbcrgen aus, so tut er reichlich genug für die Wissenschaft. Denn diese Beobachtungen vom Luftschiffe aus würden um vieles genauer sein, als vom Bord oder einer Eisscholle aus, wo nicht nur der Blick begrenzt ist. Vor der Unmöglichkeit aber muß der höchstgesteigerte Ehrgeiz im Lande der Dichter und Denker halt machen. Schlietzlich würde die Fahrt zum Pol in jedem Falle auch mehr eine sportliche als wissenschaftliche Leistung sein.
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