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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bauten als Konsistorialbehörde der Oberlaufitz. Amtsblatt der Amtshauptmannschasten Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichen der Stadttäte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gcwerbekammer zn Zittau. Erscheinungsweise t Täglich abend« in» Ausnahme der Sona- aad Feiertage. Gchriftleitung und Geschäftsstelle: Bauyen, Innere Lauensiraße 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahmachuchl: AmlsblaN, Bauyen. Bezugspreis r Monatlich 1 Mark. Einzelpreis: 10 Pfennige. Anzeigenpreis: Die ggespallene Peliizeile oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Say entsprechend teurer. Reklamen: Dle ^gespaltene Petitzeile 50 Pfennige. 129. Jahrgang. Sonnabend, den 9. Juli 19l0, abends. Nr. 156. Tas Wichtigste bom Tage. * Für die Reichstagsersatzwahl im 20. Wahlkreise Zschopau-Marienberg wird der fortschrittliche Landtagsabgeordnete Landgerichtsrat Brodaus-Chemnitz kandidieren. * Die Tarisver Handlungen im LeipzigerBau- ge werbe sind vorläufig gescheitert. * Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg hat sein Amt als zweiter Vizepräsident des Reichstags nicdergelegt. * Auf den Höhen des Schwarzwaldes herrscht seit gestern Schneefall. * Infolge der heftigen Regengüsse der letzten Tage sind der Neckar, die Mose! und der Rhein schnell gestiegen. Auch aus Oberbayern und Vorarlberg lausen wieder Meldungen von gefahrdrohendem Hochwasser ein. * Die kretische Frage scheint infolge des Nachgebens der Opposition nunmehr ihrer Lösung entgegenzugchen. * Wetteraussicht für Sonntag: Temperatur noch wenig geändert, Nachlassen der Niederschläge, später völlige Auf heiterung nicht ausgeschlossen. * Ausführliches siehe au anderer Stelle. Eine parlamentarische KrisiS. Ernst Erbprinz zu Hohenlohe-Langen bürg hat bas 2. Vizepräsidium des Reichstages nieder gelegt. Wie er in einem Schreiben an den Präsidenten- Eraf Schwerin mitteilt, soll die Borromäus-En- fzyklika bei diesem seinem Entschluß eine entscheidende Rolle gespielt haben: es wird einem allerdings nicht leicht, hier einen Zusammenhang der Dinge zu erkennen. Aber das ist wohl auch nicht ganz der wahre Grund. Dieser liegt wohl tiefer: Der Rücktritt ist auf Rechnung der politi schen Annäherung der Nationalliberalen an die Rechte zu setzen, die in den letzten Tagen so bezeich nenden Ausdruck fand. Diese läßt es möglich erscheinen, daß die N a t i o n a l l i b er a l e n sich wieder nach einem Platz im Präsidium sehnen. So wäre es denkbar, daß Erb prinz Hohenlohe aus diesem Grunde sein Vorstandsamt niedergelegt hätte. Mit Rücksicht aus die Zeit der Nie derlegung würde wenigstens eine solche Erklärung viel wahrscheinlicher klingen, als die mit der Borromüus-En- gyklika, die doch schon nachgerade zu den „Ollen Kamellen" gehört. Es fragt sich nun, wer sein Nachfolger wird. Sind die Nationalliberalen bereit, dann wahrscheinlich Paasche, sonst aber würde wohl ein Vertreter der wirtschaftliche »Vereinigung in Frage kommen. Das Schreiben des Erbprinzen an den Reichstags- Präsidenten lautet folgendermaßen: „Als bei der Neuwahl des Reichstagsprüsidiums im Jahre 1900 die n a t i o n a l l i b e ra l e F r a k t i o n a b l e h n t e, aus ihrer Mitte einen Kandidaten für das Amt des zweiten Vize präsidenten zu bezeichnen, bestand an beachtenswerten Stellen die Ausfassung, daß die Wiederannäherung derjenigen Parteien, die bis zur Entscheidung über die Finanzreform in wichtigen po litischen Fragen zusammengewirkt halten, durch die Bildung eines parteipolitisch einseitigen Präsidiums beim Neubeginn der parlamentarischen Arbeiten von vornherein ernstlich ge fährdet sein würde. Um solche Gefahr zu mildern und dem Ge danken einer Wiederannäherung zu dienen, entsprach ich einem damals von verschiedenen Seiten an mich gerichteten Wunsche, indem ich die Kandidatur für das Amt des zweiten Vizepräsi denten annahm. Der Entschluß wurde mir dadurch erleichtert, daß die Fraktion, deren Hospitant ich bin, während der ooran- gegangenen parlamentarischen Kämpfe stets eine vermittelnde Stellung eingenommen hatte. Inzwischen haben die Vorgänge bei einer Reihe von Ersatzwahlen zum Reichstage und die jüngst veröffentlichte Erklärung des offiziellen Organes der national liberalen Partei eine erhebliche Vertiefung der Gegensätzlichkeit zwischen den einstigen Blockparteien gezeigt. Der beim Beginn der Tagung gerechtfertigte Versuch, durch den die Möglichkeit einer Wiederannäherung offengehalten werden sollte, ist gegen standslos geworden und damit der innere Grund für meinen da maligen Eintritt in das Präsidium fortgefallen. Glaubte ich in dieser Entwickelung der Dinge an und für sich noch keinen zwin genden Grund zur Niederlegung des einmal übernommenen Amtes erblicken zu müßen, so erhob sich dagegen angesichts des Inhalts und der Wirkungen der Borromäus-Enzyklika für mich die Frage, ob in der nun entstandenen Lage die Fort dauer meiner Zugehörigkeit zu einem Präsidium, wie es sich durch die parteipolitische Verbindung seiner Bestandteile dar stellt, mit den Grundsätzen vereinbar ist, die mich bisher im öffentlichen Leben geleitet haben. Ich muß diese Frage nach ge wissenhafter Prüfung der erwähnten Tatsachen verneinen und beehre mich deshalb ergebenst zu erklären, daß ich hiermit das A m t eines zweiten Vizepräsidenten des Deutschen Reichstages niederleg e." Die meisten heutigen Berliner Morgenblätter besprechen die durch den Austritt des Erbprinzen Hohenlohe-Langenburg aus dem Präsidium des Reichstages geschaffene Krisis. Mehrere "Blätter deuten den Rücktritt Hohenlohes übereinstimmend da ¬ hin, daß der Erbprinz, der von seiner Uebernahme des Vizeprä sidiums eine Milderung der Gegensätze zwischen rechts und links erwartet hatte, eingesehen habe, daß diese Hoffnung eitel gewesen sei. Das „Berl. Tg b." erwartet von dem Rücktritt eine Klä rung der Zustände und eine Beschleunigung des Umschwunges, der mit Naturnotwendigkeit kommen müsse. Die „Voss. Zt g." nennt den Entschluß des Erbprinzen eine mannhafte Tat, unver meidlich wollte sich der Erbprinz nicht politisch kompromittieren. Die „Post", das Organ der Reichspartei, deren Hospitant der Erbprinz ist, schreibt: „Obwohl man diesen Schritt verstehen kann, wird man ihm im Interesse einer Gesundung unserer inner politischen Verhältnisse, die nur durch eine Annäherung veralten Kartellparteien herbeigesührt werden kann, lebhaft bedauern müßen." Der „Vorwärts" meint, der Erbprinz scheine die Zeichen der Zeit nicht ganz richtig zu deuten. Die Wiederan näherung sei im besten Zuge, da die Nationalliberalen ins Lager der Reaktion «drückten. — Die „T ä g l. Rundschau" sagt: „Entschlüße, wie sie der Erbprinz Hohenlohe, ein gewiß konier- vativ gerichteter Mann, soeben gefaßt hat, werden der Regie rung und Herrn v. Heydebrandt eindringlicher als selbst manche Wahlergebnisse vor Augen führen, daß die weitere Verfolgung der Heydebrandtschen Politik mit ihrer Begünstigung der Zen trumsherrschaft die besten konservativen Elemente zum zähen Widerstande herausfordern werde." - Die „D eutscheTage s- zeitung" meint: „Die vom Erbprinzen Hohenlohe gewünschte Wiederannäherung der Rechten und der Nationalliberalen könne durch seinen gegen die anderen Präsidialparteien gerichteten Schritt nur weiter erschwert werden. Nach allem müsse man fast bezweifeln, ob dieser Schritt schon als ein endgültiger bezeichnet werden könne. Die „Kreuzztg." nimmt in ihrem Morgen blatte von dem Rücktritt des Erbprinzen Hohenlohe noch keine Notiz. Politische Wochenschau. Die Gemüter wollen sich noch immer nicht über das letzte Ministerreoirement beruhigen. Von einer Seite, die dem früheren Finanzminister und jetzigen Oberpräsidenten in der Rheinprovinz nahe steht, wird es allerdings bestä tigt, daß zwischen ihm und Bethmann Hollweg tiefgehende Gegensätze vorhanden waren. Neuerdings tritt dabei nun die Polenfrage mehr in den Hintergrund, sie macht der Verfass» ngsfrage in Elsaß-Lothrin- gen Platz. Bethmann Hollweg soll hier liberalen Ge danken zugänglich sein, während Rheinbaben auf den Standpunkt sich stellte, daß man das, was man Preußen verweigerte, nicht den Reichslanden zugestehen könne. Die größere Logik läge allerdings dann in der Rheinbaben- schen Auffassung, es fragt sich nur, ob die Grundlage für die Logik die richtige ist. Es ist auch weiter davon die Rede, daß in absehbarer Zeit eine neueWahlreform- vorlage für Preuße» beabsichtigt ist. Der frei konservative Führer Herr v. Zedlitz hat mit Himmels- und Engelszungen gefleht, daß man damit wenigstens bis nach den Reichstagswahlen warten möge. Der alte Partei taktiker weiß nur zu gur, was für ungeheure Schäden der Rechten aus einer früheren Einbringung der Vorlage er wachsen würden. So malt sich immerhin von diesem Stand punkte aus das Bild für den Liberalismus günstig, wenn auch die allzu Hoffnungsfrohen sehr enttäuscht sind, die in dem neuen Finanzminister Lentze eine Stütze des Libera lismus vermuteten. Lentze war schon vor längerer Zeit bereit, unter Rheinbaben als Unterstaatssekretär ins Fi nanzministerium einzutreten. Daß er Finanzminister wurde, lag an dem plötzlichen Rücktritt Rheinbabens und, weil man eine andere passende Kraft zur Zeit nicht zur Verfügung hatte. Aber der Liberalismus sorgt bekanntlich immer selber dafür, daß seine Bäume nicht in den Himmel wachsen. Diesmal sind es die Nationalliberalen, die den Kohl ver derben. Sie wollen mit der fortschrittlichen Volkspartei nicht mehr an einem Strange ziehen, weil diese ihnen zu sozialdemokratenfreundlich ist. Ihre Taktik in Baden ver geßen sie allerdings dabei. In Schleswig-Holstein aber gehen sie unter dem Beifall der Führer mit dem Bunde der Landwirte. Daß es unter solchen Verhältnissen Herrn Bassermann aus Mannheim an der Spitze der Partei nicht mehr recht geheuer ist, läßt sich denken. Er befindet sich schon wieder auf der Mandatssuche, denn länger als eine Session hindurch hat es noch kein Wahlkreis mit ihm aus gehalten. Jetzt heißt cs, daß er bei der nächsten Reichs tagswahl überhaupt kein Mandat mehr annehmen wolle. Es fragt sich, wer dann sein Nachfolger werden soll. Gerade die nationalliberale Partei ist an führenden Geistern in der letzten Zeit recht arm geworden. So wenig also die innere Politik zur Ruhe kommen will — und die Nachwahlen tun das Ihre dazu — ebenso wenig herrscht Stille auf dem Gebiet der äußeren Politik. Von allen Seiten kommen Meldungen über Verschie bungen in den Beziehungen der Weltmächte zu einander. Ihren Angelpunkt bildet die A b k e h r z w e i e r M ü ch t e von England: der Türkei und Japans. Dem Jungtürkentum hat die Beharrlichkeit, mit der England auf dem Balkan Zersplitterungspolitik treibt, die Augen geöffnet. Das Ideal des Jungtürkentums von einer kraft voll geeinten und innerlich verjüngten Türkei ist mit den britischen Wünschen von ihrer Zerschlagung in immer zahl reichere, von einander unabhängige Einzelstaaten unver einbar. Das Deutsche Reich dagegen wünscht eine starke Türkei und Oesterreich-Ungarn hat erst recht alle Ur sache, seine eigene Umklammerung durch ihn feindselige südslawische Staaten zu verhindern. So darf man in den großen Wafsenaufträgen der Türkei bei deuts ch e n Fir men wohl mehr als ein bloßes Rechtsgeschäft, vielmehr eine bewußte politische Hinneigung an Deutschland er blicken. Und drüben im Osten? Auch dort eine offen bare Verschiebung der Lage zu Ungunsten Englands. Das Bündnis Japans mit Großbritannien hat den Söhnen Mutsuhitos kein besonderes Glück gebracht, wenn man die dadurch veränderte Stellung Japans zu China und Indien ins Auge faßt: Indiens Völkerschaften, die unter der schweren Hand Englands seufzen, haben immer die An näherung Japans an England als einen Verrat an den gesamtasiatischen Interessen betrachtet. Und nun das russisch-japanische Bündnis, das mit einem Schlage Japan von der Sorge um einen neuen Tatzenschlag des russischen Büren freimacht. Wie wird sich Deutschland all dem gegenüber ver halten. Die Umstünde haben ihm Trümpfe in die Hand gespielt, die aus seiner eingekreisten Stellung plötzlich eine umworbene geschaffen haben. Was würde wohl jetzt Onkel Eduard sagen, wenn er das hätte erleben müssen? Wich tiger aber als dies ist für uns die Frage, ob unsere Diplo matie es verstehen wird, Vorteil aus dieser Lage zu ziehen. Die nächste Zukunft wird für unsere politische Stellung vielleicht auf Jahre hinaus von Bedeutung sein. In Oesterreich ist es gekommen, wie es kommen mußte. Das österreichische Abgeordnetenhaus ist nach Hause geschickt worden. „Vertagung" liest man, aber „Zusammenbruch" ist es. Die Regierung hat mit der Ver tagung eben nur so lange gezögert, dis es für alle Welt offenkundig wurde, daß es überhaupt nicht so weitergehen konnte. Akan denke sich ein Parlament, in welchem wegen der Obstruktion ein besonderer Schlafsaal mit l>0 Schlaf stellen für die Nacht hergerichtet werden mußte, um die für die Vollzähligkeit des Hauses unentbehrlichen Abge ordneten dauernd im Hause zu halten. Man denke sich ferner ein Parlament, in welchem der Obmann des Budget ausschusses seine Stelle mederlegen muß, weil er Verhand lungen nicht länger leiten konnte, in welchen sich die Redner und Antragsteller der verschiedenen ihm unver ständlichen Sprachen bedienten, um in frivoler Weise durch Anrichtung einer babylonischen Verwirrung den „Sieg" der Obstruktion zu erzwingen. Die Slowenen, die dies mal die Rolle des Vorspannes der slawischen Union über nommen haben, haben diesen sogenannten Sieg denn auch errungen, und zwar unter mittelbarer, wenn auch passiver Mitwirkung der Polen. Langsam, aber dafür um so sicherer rückt Frank reich in Marokko vor. Die neuesten militärischen Operationen der Franzosen beiUdschda und in der wei teren Umgebung derSchauja sind in aller Stille vor sich gegangen. Man erfuhr von ihnen erst, als die Verlust listen aus den stattgehabten Kämpfen vorlagen. Welche Tragweite das Vordringen der Franzosen in Ostmarokko hat, läßt sich nicht näher beurteilen, da die Fäden der journalistischen ^Berichterstattung nicht bis in jene Gegen den reichen und daher über die Art und Ausdehnung der dortigen militärischen Operationen nichts Zuverlässiges be kannt wird. Jedenfalls gehen auch dort die französischen Kolonnen planmäßig und nachhaltig vor. Von größter Bedeutung jedoch sind die Züge der französischen Truppen, worunter ein starkes Kontingent von Negertruppen, über die Grenzen der Schauja hinaus nach Süden, SUdosten und Südwesten tief in das Innere des „souveränen" Sultanats Marokko hinein. In Algeciras wurde bekanntlich kraft deutscher Initiative die Integrität und Souveränität Ma rokkos verbürgt. Aber es klingt ja bereits fad und ab geschmackt, sich auf die Akte von Algeciras zu berufen. Vor allen Dingen ist es die Besetzung der Landschaft Tadla, die einen Stoß in das Herz des unabhängigen Marokko be deutet, soweit von dieser Unabhängikeit überhaupt noch ge sprochen werden darf. Mit der Besetzung Tadlas, das von der Grenze der Schauja bis an den Fuß des Atlas reicht, haben die Franzosen einen richtigen Keil durch Marokko getrieben, der die Verbindung zwischen Nordmarokko und Südmarokko in ihre Hand gibt. Will der Sultan von Ma-