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JauheMMMchnchte^ Verordnungsblatt der AreiShauptmannschast Bautzen als Konfistorialbehörde der Overlaufitz. Amlsölalt der Amtshauptmannschasten Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des HauptzoUamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer z« Zittau. Erscheinungsweise» Täglich abend» mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Gchristleitung und Geschäftsstelle: Bauyen, Innere Lauenstras,« 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bauyen Bezugspreis» Monatlich 1 Marl. Einzelpreis: 10 Psennige. Anzeigenpreis: Die Oaespaltene PeMzetle oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklame«: Die 3gespaltene Petitzeile 50 Pfennige. Nr. 140 Dienstag, de« 21. Juni 191V, abends. 12tt. Jahrgang Das Wichtigste vom Tage. KönigFriedrichAugust von Sachsen ist Mon tag abend, von Essen kommend, in K ö l n eingetroffen und hat im Domhotel Wohnung genommen. Als Kandidaten für den freigewordenen Ober- präsidentenposten in Breslau werden in Regie rungskreisen Für st Lichnowsky und der Regierungs präsident von Oppeln, v. Schwerin, genannt. Im ganzen Frankfurter (Main) Bezirk haben die Bauarbeiter die Arbeit wieder ausgenommen. In Leipzig dagegen ist ein B a u a r b e i t e r st r e i k aus gebrochen. Der BernerNationalrathat den Beschluß des Ständerats, einen Kredit von 24 Millionen für die Tieferlegung des Hauensteintunnels zur Verbesserung der Eotthardtzufahrt zu bewilligen, zuge stimmt. Die englische Arbeiterpartei nahm eine Resolution an, in der sie dagegen protestiert, daß sich Vertreter der beiden Parteileitungen (Liberale und Kon servative) die Autorität anmaßen, um die Entschei- dungimUnterhause zu umgehen, wie sie in den Vetoresolutionen zum Ausdruck gelangt war. * Der Plan, Rom durch eine Kanalverbindung mit Ostia zu einem Seehafen auszugestalten, ist ge scheitert. * Heute Dienstag früh sind die letzten Leichen aus dem Unterseeboot „Pluviöse" geborgen worden. *Wettervoraussichtfür Mittwoch: Etwas wärmer, kein erheblicher Niederschlag. ' Ausführliche» flehe an anderer Stelle. Stichwahlen-Politik! In den letzten Jahren trat vielfach die Ansicht auf, man solle bei den Reichstagswahlen gegenüber den Sozialdemokraten überhaupt nur einen ein zigen Gegenkandidaten aufstellen, also entweder einen Freisinnigen oder einen Nationalliberalen oder einen Konservativen. Namentlich die Blockzeit führte in einzel nen ideal veranlagten Gemütern zu solchen Gedanken. Nichts war falscher als dieser Gedanke. Gerade die vorauf gehenden „Einigungsverhandlungen" hätten zur größten Uneinigkeit geführt. Das wird jeder bestätigen, der die Psyche des Parteilebens kennt. Eine jede Partei muß, um lebensfähig zu bleiben, zeigen, daß sie eine weit ver breitete Anhängerschaft besitzt. Wenn den Wählern nicht einmal die Gelegenheit gegeben wird, alle fünf Jahre für ihre Partei ihre Stimme abzugeben, dann erlahmt ihr Interesse an der Partei nur zu leicht. Das ist auch der Grund, warum die Sozialdemokratie überall wenigstens Zählkandidaten aufstellt, zumal so erst der Nebenvorteil herauskam, von der dreiundeinhalbe Millionen-Partei re nommieren zu können. Die bürgerlichen Parteien pflegen im Gegensatz zu den Sozialisten nur den Kandi daten aufzustellen, wo sie einige Aussicht auf Erfolg ver muten. Wenn sie aus lauter Selbstlosigkeit noch weiter gehen wollten, so würden sie sich zumeist selber den Lebens faden unterbinden oder vielfach nur für die Kompromiß parteien arbeiten. In Kompromißparteien aber findet man zuerst auch die Kompromißnaturen, und diese sind zum politischen Kampf, der einmal heutigen Tages not wendig ist, selten geeignet. Gewiß, man kann ja sagen: Was sind denn überhaupt Parteien? Die Haupsache ist der Mann, der gewählt wird. Das stimmte bis zu einem gewissen Grade. Aber bei dem heutigen Wahlbetriebe lernt man eben den Kan didaten kaum als „Mann" kennen, auch wenn man drei oder vier Wahlreden von ihm zu hören bekommt. Gerade die geschicktesten Wahlredner sind leider zu oft nur Rou tiniers und keine Charaktere; auf die aber kommt es an, und die will das Volk haben. Die Kreise unseres städtischen Mittel st andes und unserer landwirtschaftlichen Bevölker ung durchzieht aber vor allem ein tief begründeter Ab scheu vor der Sozialdemokratie. Auf dem Lande ist das zumeist die Scheu vor dem Ungewohnten, dem Fremden, ebensosehr wie die Angst, bei der Herrschaft des Sozialis mus von der heimischen Scholle gerissen und einem unge wissen Schicksal entgegengeführt zu werden. Der städtische Mittelstand aber hat die Last der Sozialdemokratie zur Genüge am eigenen Leibe erfahren müssen. Diese Leute können ein Wörtlein darüber reden, was Wahlzwang ist. Sie haben zu dem oft genug durch Streiks Schaden erlitten, direkt durch die Streiks ihrer durch sozialdemokratische Ee- - werkschaften aufgehetzten Arbeitnehmer, indirekt durch die bei den Streiks schwindende Konsumkraft des Kunden. Es ist daher unglaublich kurzsichtig, wenn vor läufig — allerdings nur die Parteiblätter — bei Stich wahlen die Sozialdemokraten den bürgerlichen Gegen kandidaten gegenüber bevorzugen. Auf die Dauer wird dadurch die betreffende Partei sich selber am meisten schä digen; denn wie es in den Wald hineinhallt, so schallt es auch heraus. Wenn bei den nächsten Reichstagswahlen alle bürgerlichen Parteien grundsätzlich nur ihre Partei genossen oder den Sozialdemokraten wühlen, dann wäre die sozialistische Mehrheit im Reichstage sicher. Was dann folgen würde, das ließe sich nicht ausmalen. Es wäre das eine Politik der Verärgerung; eine solche Politik ist aber immer falsch. Es ist ja in man cher Beziehung bedauerlich, daß die Blockpolitik in die Brüche ging, vielleicht aber war das der Hauptgrund ihres Scheiterns, daß sie von Anfang an z u s e h r a n g e - spannt wurde, daß man von allen Seiten übermäßige Ueberzeugungsopfer forderte, bevor eine innere Festigung eingetreten war. Eine solche konnte naturgemäß erst mit der Zeit kommen. Wenn aber nun der prinzipielle Haß gepredigt wird, so ist es eine Frage, ob nicht auch hierin der Bogen überspannt wird, ob nicht ein Umschlag ein treten muß. Den Vorteil aber haben dann die Parteien, die bei den Stichwahlen vorher die meiste Mäßigung gegen über dem bürgerlichen Gegner zeigten. Politische Nachrichten. —— i Deutsches Reich. Zur Landtagsersatzwahl im fünften Leipziger Land tagswahlkreise. Der deutsche Reformverein gedenkt bei der Ersatzwahl für den bisherigen Abgeordneten, den verstorb. Amtsrichter vr. Rudolph den Stadtv. Justiz rat Schnauß als Kandidaten aufzustellen. Der Verein wird in den nächsten Tagen eine Vertrauensmänner-Ver sammlung des Kreises veranstalten, in der diese Frage ent schieden werden soll. Justizrat Schnauß hat schon bei der letzten Landtagswahl im fünften Leipziger Wahlkreise kan didiert. Die Fortschrittler aus dem Kriegspsade. Der Verein der fortschrittlichen Volkspart ei Dresden hat beschlossen, sofort nach der Sommerpause in eine energische und umfassende A g i t a t i o n s- und Organi - sation Stätigkeit einzutreten. Es sollen unter an deren regelmäßige Diskussionsabende veranstaltet werden. Abgeordneter Bürgermeister Roth wird über Beamten recht und Landtag, Professor Or. Rahn über die Reform des Arbeitsvertrags, Frau Salinger über Frauen stimmrecht, Rechtsanwalt Klöppel über Reform der Eidesformel, Stadtverordneter Beck über die Dresdener Steuerpolitik und Ingenieur und Verbands-Sekretär Gramm über Privatbeamtenfragen referieren. Außer dem ist eine große öffentliche Versammlung mit einem Vor trage des Reichstagsabgeordneten IN-. Friedrich Nau mann geplant. Ferner beabsichtigt die fortschrittliche Volkspartei für den Reichstagswahlkreis Dres den - N e u st a d t einen eigenen Kandidaten aufzustellen. * * * Ueber den Löffel barbiert. Das „Ergebnis" der diplomatischen Aktion Preußens gegen die Kurie macht auf die Zentrumspresse genau den entgegengesetzten Eindruck, als die offiziöse Darstellung der nichtkatholischen öffentlichen Meinung in Deutschland ein flößen möchte. So schrieb bekanntlich die „S ä ch s. V o l k s- zeitun g" von „bitteren Pille n", die der Vatikan der preußischen Regierung „in Schokoladenpulver ein gewickelt" habe zuteil werden lassen. Noch deutlicher höhnt die „N ürnberger Volkszeitun g", daß „der Papst und sein Staatssekretär Merry del Val die „entrüsteten" protestantischen Schreier großartig über den Löffel barbiert habe". Das Blatt schreibt wörtlich: „Angenommen die Nachricht sei richtig, (und sie ist, wie jetzt feststeht, richtig! — D. Schriftltg.) so hätte der Papst und sein bestgehaßter Staatssekretär Merry del Val die „entrüsteten" Schreier großartig über den Löffel barbiert. Denn unseres Wissens wäre das die erste päpstliche Enzyklika, die auf den Kanzeln verkündet würde. Also man protestiert, man parlamentiert, man kündigt in der Schule an: „Der deutsche Kaiser wird es dem Papst schon besorgen!" und das Ende vom Lied ist: Die Enzyklika wird nicht auf den Kanzeln verkündet, weil von Anfang an kein Mensch, auch der Papst nicht, die En zyklika von den Kanzeln verkünden lassen wollte. Wir gratulieren zu dem Erfolge." — Mit Recht schreibt der bauernbündlerisch-konservative „Bayrische Volks freund" dazu: „Wie niedrig schätzen doch römische Priester und Blätter die Ehrlichkeit der römischen Kurie und des Papstes ein! Stellt sich die Behauptung des katholischen Blattes als richtig heraus, so wird die deutsche Negierung nicht umhin können, energisch gegen solche Spiegelfechtereien Roms aufzutreten." Was bleibt nun von der „Genugtuung" übrig, die die Kurie, nach der „Nordd. Allgem. Zeitung", geleistet haben soll? Die „Ent schuldigungsnote" des päpstlichen Staatssekretärs, in der die ausdrückliche Erwähnung jenes „Befehls" übrigens fehlt? Aber auch die „Köln. Volksztg." bestätigt, daß diese Note nur das „tiefe Bedauern des heiligen Vaters über die falsche Auslegung der beanstgndetey Stellen in der Enzyklika und die dadurch hervorgerufene Erregung unter den Nichtkatholiken zum Ausdruck gebracht habe." Das führende bayr. Zentrumsbl., der „Bayr. Cou r.", schreibt gar: „Es ist so unrichtig als möglich, wenn behauptet wird, der Papst habe revoziert und depreziert. Er hat le diglich die Enzyklika authentisch interpretiert, wie schon im „Osservatore" geschehen, aber nichts zurückgenommen und zugleich bedauert, daß es darüber zu einer Erregung gekommen ist. Damit aber ist nicht ausgesprochen, daß diese Erregung auch berechtigt war." — Das ist der Ein druck im „deutschen" Zentrum, und dieses Zeugnis der der Kurie blind ergebenen deutschen Ultramontanen, in dem zum Schimpf der Spott gefügt wird, entscheidet zugleich über die Bedeutung der Vatikanischen Note. Wenn es der Kurie wirklich um Beilegung des Streites und Wiederherstellung des konfessionellen Friedens zu tun ge-, wesen wäre, hätte der Eindruck des diplomatischen „Ergeb nisses" auf die Zentrumskatholiken nimmermehr so aus- fallen dürfen. Was nun noch übrig bleibt, ist, sofern die Zentrumsblätter tatsächlich recht haben, ein großer päpst licher Bluff, auf den die Protestanten Hineinsallen sollten. Die preußische Regierung kann aber unmöglich an diesen Dinge» vorübergehen, zumal der »Ministerpräsident nach dem „Osservatore" seinen herzlichen Dank für das „Ent gegenkommen" des Vatikan ausgesprochen hat. Ein wei teres Schweigen läßt das eigenste Interesse der Regierung, die berechtigte, neuwachsende Erregung des protestantischen Volkes und unser Ansehen im Ausland nicht mehr zu. Ein „liebliches" politisches Zukunftsbild entwirft der Leitartikler der „Leipziger Neuesten Nachrichten" im Hin blick auf den Ausfall der Reichstagswahl in Use dom und Wollin, wo dank der fortschrittlichen Wahl parole der Kreis von den Konservativen an die Sozial demokratie verloren ging, nachdem unmittelbar vorher die Konservativen dem Fortschrittler Geheimrat Bllchtemann gegen den Roten in Schlesien auf die Strümpfe geholfen hatte. Der scharfe politische Beobachter an der Pleiße schreibt: „Und nun das Zukunftsbild! Man kann es auch ohne eine allzu ausschweifende Phantasie zeichnen. Voraus gesetzt natürlich, daß nicht unerwartet irgendwoher ein Stein in den Entenpfuhl geschleudert wird, sondern daß sich die Dinge in gleicher Weise und in gleichem Tempo ent wickeln, wie bisher. Dann können wir getrost auf hun dert Sozialdemokraten im nächsten Reichs- t a g rechnen, und da das Zentrum in Gemeinschaft mit Polen und Welfen und dem Häuflein des Herrn Wetterle sicher keine Mandate einbüßen wird, so wer den wir als Resultat der Bülowschen Leichtfertigkeit, der Unbewußtheit des fünften Kanzlers und der bürgerlichen Verfeindung einen Reichstag erhalten, den man in Spiri tus setzen sollte, damit noch Kinder und Kindeskinder die erleuchtete Weisheit seiner Schöpfer bewundern können. Und dieser Reichstag wird dann die Handelspolitik des Deutschen Reiches feststellen, und auf der Regierungs- tribüne wird die Melancholie als Erundstimmung bleiben. Bald wird das Zentrum mit den Genossen sich zu schöner Tat vereinen und dem Racker von Staat den Daumen auf das Auge drücken, bald wird es sich mit der Rechten, wenn anders sich für sie die Ereignisse von Usedom und Wollin nicht bis zum Weißbluten wiederholen, fröhlich zusammen schließen, der Freiheit keine Gasse zu bahnen, und in den spezifisch nationalen Fragen wird die Regierung dauernd das Gefühl des Mannes haben, der unter dem Galgen steht und um Begnadigung weint. Es wird eine schöne Musik und eine segensreiche Arbeit werden in Gemeinschaft mit einem Reichstage, in dem die Herren Ledebour, Kor fanty und Erzberger den Takt stock schlagen. Aber wie die Wetterzeichen auch drohen mögen, so bleibt die Regierung doch zufriedenen und ruhigen Gemütes, und aus den Spalten der Offiziösen vernehmen wir nur die sanften Schnarchtöne behaglicher Sattheit. Der Bureau- krat tut seine Pflicht, von zehn bis zwölf, mehr tut er nicht. Und auch die bürgerlichen Parteien, die geschätzten Ur wähler, lehnen es ab, etwas zu lernen: Was schert mich Weib, was schert mich Kind! Sie raufen sich um den Kno chen, und Kater Murr trägt ihn weg. So geschehen in