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Verordnungsblatt der Kreishauptmaunschaft Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlausitz. Amlsötatt der Amtshauptinannschaften Bautzen und Löbau, dcZ Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, inglcichcn der StadtMr zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeiuderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise: Täglich abends mit AuSaahme der Sonu- und Feinlagt. Schriftleitung und Geschäftsstelle: Bauden. Innere Lauenstraße 4. Fernsprecher: Nr. bl. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Baußeo. «r. 199. Bezugspreis: Monatlich 1 Marl. Einzelpreis: 10 Pfennige. Anzeigenpreis: Die 6qcspaUcnc Pelltzcile oder deren Raum lb Pfennige, tu geeigireten FSÜen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Igespaltene Petitzelle 80 Psennige. Montag, de« 89. August I9W, abends. 129. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. KönigFriedrichAugust von Sachsen ist Sonn tag früh in Wien eingetroffen und tritt heute, Montag abend, die Rückreise nach Dresden an. Der internationale Arbeiterkongreß in Kopenhagen will einen W e l t s e e m a n n s st r e i k ins Werk setz:::. * Eine umfangreiche Korruption in der Pa riser Stadtverwaltung hat zur Absetzung von 13 aktiven Beamten geführt. * Eine Gesetzesvorlage spricht die E l e i ch b e r e ch t i - gung der russischen Untertanen in Finnland mit den eingeborenen Bürgern aus. * Das russische Marineministerium plant eine Verstärkung der Schwarzmeerflotte um vier neue große Panzer. * In Cettinje haben am gestrigen Sonntag die Festlichkeiten zum goldenen Regierungs- und Ehe jubiläum begonnen. * InBelgrad haben anläßlich der Aufführung eines Stückes vom F ü r st e n von Montenegro im Theater und auf der Straße lärmende D e m o n st r a t i o n e n gegen diesen stattgefunden. * Die portugiesischen Wahlen haben für die Republikaner mehrere Gewinne gebracht, doch rechnet die Regierung auf eine Mehrheit von 35 bis 45 Stimmen in den Cortes. * Der Großindustrielle Geh. Kommerzienrat Prei bisch - Reichenau ist auf der Rückreise aus Bad Wildungen in Wien gestorben. * Das rumänische Kriegsministerium richtet eine Militär-Fliegerschule ein. * Wetteraussicht für Dienstag: Keine Wit terungsänderung. * Ausführliches siehe an anderer Stelle. Spitzbergen. Der Lloyddampfer „Mainz" ist mit der Nordpol-Vor expedition von seiner Forschungsreise zuriickgekehrt, und Prinz Heinrich, Graf Zeppelin, Prof. Hergesell und die übrigen Mitglieder der arktischen Studienreise sind in Kiel gelandet. Ueber die Erfolge der Reise wird berichtet, daß man bei den Untersuchungen von Landungsplätzen für Luft schiffe günstige Gelegenheiten gefunden habe, auch die Ver ankerungen der Luftschiffe im Polareise würden keine Schwierigkeiten bieten, sondern in kurzer Zeit von der Be satzung des Schiffes selbst ausgeführt werden können. Auch die meteorologischen und ökologischen Beobachtungen sollen zur vollsten Zufriedenheit ausgefallen sein, da unter 30 auf Spitzbergen und im Polareise verbrachten Tagen nur drei waren, an denen das Wetter für eine Fahrt mit Luft schiffen gefährlich gewesen wäre. Die genaueren Berichte über die Resultate sind noch in Vorbereitung und werden demnächst ein klares Bild über die weitere Verwirklichung der Pläne geben. Der Arbeitsausschuß ist von der Aus führbarkeit seines Vorhabens, mit „Zeppelin"-Luftschiffen in der Arktis wissenschaftliche Forschungsfahrten zu unter nehmen, überzeugt. Er erblickt deshalb seine nächste Auf gabe darin, für die Ausbildung von Luftschiffen in langen Fahrten über See von der nordischen Zentralstation Ham burg aus zu wirken; hier kommt in erster Linie in Betracht die Erzielung höchster Betriebssicherheit auf maschinellem Gebiet, sowie die Schulung eines besonderen Personals und die Ausbildung einer sicheren Navigation. Mit so ent wickelten Luftschiffen wird alsdann der Arbeitsausschuß mit aller Energie an die Verwirklichung wissenschaftlicher Luftschiffahrten in der Arktis herantreten, die sich aber nach einer Aeußerung des Prinzen Heinrich bei dem gegen wärtigen Zustand unserer Motors erst in 10 bis 15 Jahren wird durchführen lassen. Damit tritt Spitzbergen wieder einmal in den Vorder grund, und die Frage der Zugehörigkeit zu irgendeiner Macht wird wieder lebhaft ventiliert werden. In der heutigen Zeit, wo selbst im entferntesten Erdteil und im entlegentsten Weltmeere kaum ein Fleckchen Erde noch herrenlos zu finden ist, muß es umso mehr wundernehmen, daß in Europa selbst, dem Mutterschoße aller politischen, ideellen und materiellen Kultur, noch ein Stück Land, und zwar von Uber 70 000 Quadratkilometer Größe, ohne irgend welche Zugehörigkeit zu einem anderen Lande existiert. Vor kurzem sind nun die Verhandlungen einer Spitzbergen konferenz, die seit einigen Wochen in Christiania tagte, be endet worden, doch hat man von dem eigentlichen Ergebnis dieser Konferenz nichts Genaueres gehört, als daß man zu einem günstigen Schluß gekommen ist. Allerdings waren von den durch Norwegen eingeladenen Ländern nur Ruß land, Schweden und Norwegen vertreten, während z. B. Deutschland und England es vorgezogen hatten, zunächst den drei erwähnten Staaten die Ausarbeitung eines Vor schlags zu einer Konvention über Aufstellung einer Rechts ordnung für Spitzbergen zu überlassen. Dies ist nun ge schehen, und der Vorschlag geht jetzt den übrigen in teressierten Mächten zu. Aus diesem Grunde wird auch über das Ergebnis Stillschweigen beobachtet, aber aus den Abschiedsreden der russischen und schwedischen Delegierten ist zu schließen, daß man zu einem günstigen Ergebnis ge kommen ist — wenigstens von schwedischen und russischen Gesichtspunkten aus. Beide Länder sind der Ansicht, daß Spitzbergen nach wie vor von keinem Staate in Besitz genommen werden soll, sondern daß durch eine Kommission, in der alle inter essierten Länder vertreten sein solle», die Inselgruppe ver waltet wird. Norwegen dagegen, besonders die norwegische Presse, behauptet, daß es den meisten Anspruch auf Spitz bergen habe, schon aus dem Grunde, weil die norwegischen Fischer schon seit Jahrzehnten in den spitzbergischen Ge wässern ihre Tätigkeit ausgeiibt, sowie uneingeschränkt der Jagd auf Pelztiere und Geflügel abgelegen haben, während erst später von anderen Seiten große Gesellschaften, z. V. zur Ausbeutung der großen Kohlenlager, hinzugekommen seien. Für die übrigen Länder, so auch für Deutschland, das nur wenig an der ganzen Frage beteiligt ist, ist es immer hin sehr wesentlich, daß mit der Konferenz in Christiania, so gering auch wohl das Gesamtresultat der ganzen Be ratung gewesen sein mag, doch der erste Schritt zur Re gelung der rechtlichen Verhältnisse auf Spitzbergen getan ist. Gegenwärtig besteht auf Spitzbergen eine Art von Selbstverwaltung unter den Bewohnern der verschiedenen Nationalitäten, über die allerdings Schwede» (u»d nicht Norwegen) gelegentlich eine Art von Kontrolle ausübt. Die neue Politik Muley Hafids. Ein folgenschwerer Wechsel in den Einflüssen, die die Politik des Maghzcn bestimmen, hat sich seit der Ankunft El Mokris hier geltend gemacht. Muley Hafid, der nir gends einen Stützpunkt gegen Frankreich findet, scheint die Unmöglichkeit einzusehen, mit einer des nationalen Zu sammenhangs entbehrenden, der Autorität der Zentral regierung nur lyse unterworfenen, durch die französiscbe Okkupationspolitik gespaltenen Bevölkerung einer der ersten Militärmächte Europas entgegenzuarbeiten. Er hat, wie die Ernennung des durch wiederholten Aufenthalt in Paris zum Verständnis moderner Kultur gelangten El Mokri zum Minister des Auswärtigen und die neuerlichen Lobsprüche für ihn in der französischen Marokkopresse be kunden, die Annäherung an Frankreich vollzogen und ver zichtet auf die Politik der Obstruktion, über die die Diplo matie dieser Macht bisher sich beklagte. Schon seit geraumer Zeit stritten am Hofe Muley Hafids die Einflüße von Alt-Marokko und Jung-Marokko miteinander. Auch der Sultansvertreter in Tanger, Si Eebbas, zählt zur Partei der Jung-Marokkaner, d. h. zu denjenigen Eingeborenen, die im Gegensatz zu der altmarok kanischen Strenggläubigkeit und Exklusivität ihr Land dem modernen Fortschritt und der abendländischen Kultur ge öffnet sehen wollen. El Mokri und Si Gebbas, deren Söhne neuerdings ebenfalls auf hervorragende Beamtenposten berufen wurden, befürworten ein Arrangement mit Frank reich, über dessen politische und finanzielle Macht sie aus Erfahrung urteilen. Auf der anderen Seite steht unter Führung des Eroßvezirs El Glaui das der alten Regie rungsmethode anhängende Element, das nach wie vor an der Verkäuflichkeit der Aemter mit der Konsequenz der willkürlichen und oft ausbeuterischen Behandlung der Stämme wie an der Ausschließung abendländischer Ein flüsse festhält. Unter der Nachwirkung des französischen Anleihevertrages, der die Finanzgebarung des Sultans stark einschränkt, und unter der zunehmenden Unzufrieden heit, die durch seine Steuerpolitik hervorgerufen wird, :st der Sultan der reformfreunolichen Richtung genähert worden. Das Verhältnis zwischen El Mokri und dem Eroß- vezier ist bei dieser Lage der Dinge ein gespanntes gewor den. Bezeichnend für die Verdrossenheit El Elauis ist seine Ausstreuung, daß Si Kaddur Ben Ehabrit, der Dolmetscher der französischen Gesandtschaft in Tanger, der mit El Mokri nach Fes kam und hier das französische Konsulat proviso risch verwaltete, die Absicht habe, marokkanischer Minister oder gar Eroßvezier zu werden. Eine Meinungsverschiedenheit des Sultans mit seinem Vezier El Glaui entstand auch über die Mehalla, die Fes in diesen Tagen verlassen sollte, um sich zum Zweck der Steuereintreibung in das Gebiet der Beni Hassen zu be geben. Muley Hafid war der Meinung, daß man dem j widerspenstigen Stamme energisch entgegentreten »niste, ! während Glaui eine milde Behandlung empfahl. Die Me halla hat Marschorder erhalten. El Mokri brachte von seiner Pariser Reise dem Sultan ein eigenartiges Geschenk mit, nämlich Acetylenschein- ' werfer für militärische Zwecke. Die auf Maulesel» leicht zu transportierenden Instrumente sind für die scherifischen Truppen in: Felde bestimmt. Zu den in Gegenwart des Sultans und zahlreicher Würdenträger augestellten Ver suchen war eine große Volksmenge herbeigeströmt, die den nie zuvor gesehenen großen Lichtspendcr echt marokkanisch als „Auge des Sultans" bezeichnete. Was dem Geschenk seine besondere Bedeutung gibt, ist, daß es eine Art Schein werfer der Zivilisation in Marokko darstellt. El Mokri ist mit Ben Ehabrit, dec seine franzosen freundliche Politik bestens unterstützt, heute nach Tanger abgereist. Bei ihrer Ankunft wird auch der französische Ge sandte Regnault von Paris wieder dort eingetroffen sein. Ob sich El Mokri aufs neue nach Paris begeben wird, er scheint zweifelhaft. Jedoch verdient die Nachricht Glauben, daß El Mokri vom Sultan zu neuen Verhandlungen mit dem Vertreter Frankreichs in Tanger ermächtigt sei. Der Abschluß des neuen Vertrages wird ohne Zweifel einen weiteren Erfolg der sogenannten Penetration pacilique be deuten. Begibt sich der Sultan, wie gerüchtweise verlautet, nach Rabat, wie es seinerzeit Abdul Asis tat, so würde diese Reise seine endgültige Entente mit Frankreich auf Kosten seines Verhältnisses zum eigene» Volke bedeute». Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Herr Staatsminister 0r. von Rüger ist soweit wieder hergestellt, daß er täglich von Wachwitz wieder in das F i n a n z m i n i st e r i u m kommt, um hier seine Arbeiten zu erledigen. Die neuerdings wieder aufgetauchten Nach richten über einen bevorstehenden Rücktritt des Herrn Ministers entbehren jeder Begründung. Zum Rücktritt des Herrn Geh. Rat Apelt. In: An schluß an unsere Mitteilung über das bevorstehende Aus scheiden des Herrn Ministerialdirektor Geh. Rates Or. Apelt aus dem sächsischen Staatsdienste, bemerken wir heute »och, daß der Herr Ministerialdirektor voraussicht lich bereits mit Ende dieses Jahres in den Ruhestand tritt und zwar infolge seiner leider etwas erschütterten Ge sundheit. Ueber die Person seines Nachfolgers verlautet bis jetzt »och nichts Bestimmtes. Marschall Hermes da Fonseca, der zukünftige Prä sident von Brasilien, wird, wie bereits ge meldet, in den ersten Tagen des September auch in Dres den zu kurzem Aufenthalte erwartet. Er gedenkt hier ver schiedene öffentliche Einrichtungen zu besichtigen. Trägt auch seine Anwesenheit keinen offiziellen Charakter, so wird doch von amtlicher Seite alles geschehen, un: ihn hierbei zu unterstützen. Der Minister des Aeußeren, Graf Vitzthum, wird zu Ehren des Marschalls ein Frühstück geben. Das neue sächsische Pfandleihgesetz. An: 1. September tritt in Sachsen ein neues Gesetz über das Pfandleih gewerbe in Kraft. Zum Schutze des Publikums gegen die Ausbeutung gewerbsmäßiger Pfandleiher ist in diesem Gesetze für den Darlehnsvertrag eine g e s e tz l i ch e Z i n s- beschränkung festgesetzt. Für Darlehnsbeträge bis zu 40 dürfen höchstens 2 Proz. monatlich, für den überstei genden Betrag höchstens 1 Proz. monatlich ausbedungen werden. Eine weitere Vergütung für das Darlehen, ins besondere für die Aufbewahrung oder Erhaltung des Pfandes, darf der Pfandleiher nicht erheben. Auch das Vorausnehmen der Zinsen ist verboten. Der Pfandleiher darf das Pfand resp. das Darlehen nicht vor Ablauf von sechs Monaten kündigen. Die Versteigerung des Pfandes geschieht öffentlich. Sie ist frühestens nach Ablauf von vier Wochen nach der Fälligkeit des Darlehens zulässig. Vorher hat der Pfandleiher den bevorstehenden Verkauf des Pfandes in dem von der Polizeibehörde bestimmten Blatte öffentlich bekannt zu machen. Der etwaige bei dem Ver steigern erzielte Ueberschuß gebührt dem Schuldner. Der Pfandleiher hat wegen Unterganges oder Verschlechterung der Pfandsachen zu haften. Der Pfandleiher darf das Pfand nicht ohne Zustimmung des Verpfänders benutzen oder weiter verpfänden, sonst macht er sich strafbar. Auf Pfand leihanstalten der Gemeinden finden die Vorschriften des Pfandleihgesetzes keine Anwendung, da für diese die vom Ministerium des Innern genehmigten Bestimmungen maß gebend sind.