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Bautzener Nachrichten : 22.07.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1887328319-191007222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1887328319-19100722
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1887328319-19100722
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Bautzener Nachrichten
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-07
- Tag 1910-07-22
-
Monat
1910-07
-
Jahr
1910
- Titel
- Bautzener Nachrichten : 22.07.1910
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2014 um das in letzter Zeit unter den Parteien so heftig ge stritten wurde, ist im Verfaßungsentwurf abgesehen. Eine allgemeine Befriedigung wird eine derartige Lösung der Verfassungsfrage im Lande nicht Hervorrufen, nicht ein mal die Empfindung, das; es wenigstens ein Schritt vor wärts ist auf dem Wege der Entwickelung. Der Grund liegt dabei weniger im Ungenügenden, was die Verfassung für die wirklichen Bedürfnisse bietet, als darin, daß die Parteien zum größten Teil gewohnt sind, ihre Wähler gegen die Regierung zu orientieren. Wenn man von rein persönlichen Wünschen absieht, die die einzelnen durch die Parteien zu erreichen hoffen, so fehlt den reichsländischen Parteien meist das große sachliche Programm, und wo es vorhanden ist, trägt es zum guten Teil konfessionelle oder antikonfessionelle Züge. Mit reinen wirt schaftlichen Forderungen ist bei den jetzigen politischen Parteien im Reichslande nur wenig zu machen, viel mehr Werbekraft hat hier immer noch der Ruf: Gegen dieSchwoben! Es war mehr als eine Unze Wahr heit darin, als der Staatssekretär v. Bulach dem Abge ordneten Wetterle, der sich wegwerfend über die Ver fassungsreform aussprach, die er nicht kannte, entgegen hielt, er und seine Partei wollen überhaupt keine Reform, trotzdem sie dieselbe ständig forderten. Von zuständiger Seite erfährt jetzt der Korrespondent der „B. Z." über die Hauptgesichtspunkte der Verfassungs reform folgendes: Die Stellung Elsaß-Lothringens zum Reich bleibt die selbe wie bisher^ es wird den Namen Reichslande weiter führen und im Bundesrat keine Stimme in Reichsange legenheiten erhalten, wohl aber 3 beratende Stimmen in Landesangelegenheiten. Der Kaiser wird auch fernerhin die Regierung als „Delegatar des Reichs" ausllben und sich durch einen von ihm ernannten Statthalter vertreten lassen. Der Landtag besteht aus zwei Kammern. In der Ersten Kammer mit 24 Sitzen wird die Hälfte der Mit glieder vom Kaiser ernannt werden, die zweite Hälfte wird aus Vertretern der großen Städte, der Universität, der Re ligionen und Konfessionen, der Handels- und Handwerks kammern bestehen. Für die Zweite Kammer, den Landtag, gilt das allgemeine, geheime, direkte Wahlrecht mit Alters mehrstimmen. Wahlberechtigt ist jeder in Elsaß-Loth- ringen seit drei Jahren ansässige 25jährige Mann. Vom 35. Lebensjahr ab erhält jeder Wähler 2, vom 45. Lebens jahr 3 Stimmen. Die badischen Sozialdemokraten lassen durch den Ab- geordneten Kolo ihre von Berlin aus angegriffene Taktik verteidigen. Er schreibt im „Karlsruher Volksfreund": „Anstatt die Taktik, der süddeutschen Genossen zu kritisieren, sollte sich der „Vorwärts" doch erst einmal die Frage vorlegen, warum es so schwer fällt, in Preußen in diesen Dingen auch nur den kleinsten Schritt vorwärts zu kommen. Wir hatten an der Taktik der preußischen Genossen im Wahlrechtskampf auch manches auszusetzen und wir würden dabei aus Erfahrung spre chen können, wir haben es aber nicht getan, weil wir der Mei nung waren, daß das ureigenste Sache der preußischen Genoßen selbst ist Es bleiben nur drei Wege offen: Entweder läßt man die Reaktion am Ruder, oder aber der Liberalismus ergreift es mit der Unterstützung der Sozialdemokratie, oder aber Liberalismus und Sozialdemokratie teilen sich in diese ebenso schwierige wie komplizierte Aufgabe. Soviel steht zweifelsfrei fest, daß in absehbarer Zeit weder der Liberalismus noch die Sozialdemokratie aus eigenen Kräften die Reaktion so abtun können, daß sie ohnmächtig beiseite stehen muß. Dies Ziel aber zu erreichen, ist und muß die nächste politische Aufgabe sein. Es bleibt also dabei — da mag der „Vorwärts" schreiben, was er will —, daß ohne die positive Mitwirkung der Sozialdemokratie an eine auch nur Halbwegs grundlegende politische Umgestaltung im Reich schlechterdings nicht zu denken ist. Ebenso liegen die Dinge aber auch in den Einzclstaaten, nur mit dem Unterschied, daß hier das Problem schon weiter fortgeschritten ist, als im Reich. Zumal in Baden steht die Sache so, daß es heute und morgen von der Taktik der Sozialdemokratie abhängt, ob wir einer Aera des politischen Fortschritts oder einer solchen der kle rikal-konservativen Reaktion entgcgcngehen. Die badische So zialdemokratie mußte, ob sie wollte oder nicht, sich entschließen, ob sie selbst mit Hand ans Werk legen oder der Reaktion das Feld überlaßen wollte." Die Elektrisierung der bayerischen Eisenbahnen. Die bayerische Abgeordnetenkammer hat gestern, Donnerstag, für die Einführung des elektrischen Betriebes aufdenbayerischen Staatsbahnen eine zweite Rate von 6 Millionen Mark genehmigt. Die elektrische Kraft wird durch Ausbau eines Walchenseekraftwerkes ge wonnen werden. Die ganze Einführung des geplanten elektrischen Betriebes auf den bayerischen Staatseisen bahnen kommt nach der Aeußerung des Ministers auf rund 31 Millionen 700 000 Mark zu stehen. Die Zusammenkunft v. Kiderlen-Wächters mit Aehren- thal wird in einigen Tagen in Marienbad stattfinden. Graf Aehrenthal hat sich gestern, Donnerstag, nach Marienbad begeben, wo Staatssekretär v. Kiderlen- Wächter den österreichischen Minister besuchen wird. lieber die Ermordung eines Deutschen bei Haisfa, die wir bereits gestern kurz verzeichneten, liegt jetzt folgende amtliche Meldung vor: Auf dem Weinberg der 8 Kilometer südlich von Haiffa ge legenen deutschen Ansiedlung Neuharthof war ein Einwohner des Dorfes Tireh erschoßen aufgefunden worden. Der Staats anwalt von Haiffa ersuchte den dortigen deutschen Vizekonsul, an der Inaugenscheinnahme der Leiche teilzunehmen. Der Konsul begab sich mit dem Dragoman und einem angesehenen Mitglied der deutschen Kolonie, dem Württemberger Fritz Unger, der als Sachverständiger dienen sollte, nach Neuharthof. Dort trafen sie zusammen mit dem Staatsanwalt, dem Gerichtsarzt und zwei Gendarmen ein. Sie wurden von etwa 150 Männern und Frauen aus dem benachbarten Tireh mit Geschrei und mit dem Rufe empfangen, die Deutschen hätten den Mann getötet. Wäh rend sich der Konsul zu der Leiche begab, fielen mehrere Tirioten über den beim Wagen zurückgebliebenen Herrn Unger her, schlu gen ihn hinterrücks und schoßen ihn unter den Augen des Konsuls und der türkischen Gerichtsbehörden mit sieben Kugeln tot. Die Tirioten ergriffen darauf sämtlich die Flucht. Die Namen einiger Täter konnten jedoch sestgestellt werden. Der Konsul hat von den türkischen Behörden sofortige Verfolgung und Bestrafung der Täter und die Entsendung von Soldaten zum Schutz des ein samen Neuharthof verlangt. 42 Soldaten wurden noch im Laufe des Tages dorthin gelegt. Von Beirut ist der türkische Stationär mit einer Kompagnie nach Haisfa abgegangen. Der Wali von Beirut trifft die umfaßendsten Maßregeln, um die Mörder zur Rechenschaft zu ziehen, und wird sich, wenn notwendig, selbst nach Haiffa begeben. einem mit Spanien befreundeten Lande eingekerkert bleiben. Was die Erhöhung der Armeelasten betreffe, so müße Keine Australien, Wahlen. Der deutsche Geschäftsträger in Konstantinopel hat sich am Mittwoch zu dem Minister des Aeußern begeben und um Bestrafung der Schuldigen und Schutz für die deutschen Kolonisten ersucht. Der Minister versprach, die nötigen Maßregeln sofort zu veranlaßen. Aufsaßung Rechnung tragen, welche üble Folgen von einer zu ausgedehnten Wahlreform befürchte. Man müße jetzt einen größeren Schritt machen, da man versäumt habe, von Stufe zu Stufe sortzuschreiten. Er hoffe, daß die Lösung der Wahlreform durch Ausgleichung der einander entgegenstehenden Ansichten er folgen werde. Zu den Beschwerden über Wahlmißbräuche be merkte der Ministerpräsident, die geschlagene Partei sollte Ein kehr halten und zugeben, daß die öffentliche Meinung sich von ihr abgewendet habe, so wie er selbst bescheiden eingestehe, daß der Sieg der Regierungspartei nicht so sehr der Begeisterung für sein Programm zu danken, sondern auf die große Unzufrieden heit und Enttäuschung zurückzuführen sei, die das Koalitions- reginie erweckt habe. (Stürmischer Beifall.) Dem Ministerprä sidenten wurden nach dem Verlassen des Sitzungssaales auch in den Wandelgängen Beifallskundgebungen von der Regierungs partei bereitet. Oesterreich-Ungarn. „Bieheinkaufsstreik." In Oesterreich hatten sich die Hausfrauen einzelner, durch besonders hohe Fleischpreise ausgezeichneter Orte zusammengetan und waren den ört lichen Fleischern mit einem Fleischeinkaufsstreik entgegen getreten, d. h. sie kauften überhaupt kein Fleisch mehr am Orte. Durch Beschränkung des Fleischgenusses und Fleischbezug von außerhalb war es auf diese Weise bald gelungen, die Fleischer in kurzer Zeit zur Herab setzung der vorher erhöhten Fleischpreise zu nötigen. Da die Fleischer fürchten, daß dieses Beispiel in zahlreichen anderen Städten Oesterreichs Nachahmung finden könnte, möchten- sie solcher Gefahr durch Eegenmaß- regeln vorbeugen. Nach Mitteilung der in Prag erschei nenden „Bohemia" hat die Wiener „Zentralstelle für die Fleisch verarbeitenden Gewerbe" von der Regierung die Sperrung jeder Viehausfuhr gefordert und ge droht, im Weigerungsfälle zum Herbst einen V i e h e i n - kaufsstreik" inszenieren zu wollen. Die Fleischer organisation gibt sich dabei allerdings den Anschein, im Interesse der Konsumenten zu handeln, und fordert diese zur Unterstützung auf, aber sie dürfte damit keinen Glau ben in diesen Kreisen finden. Die Viehproduzenten an dererseits würden, wie die „Bohemia" meint, einem sol chen Streik (Enthaltung vom Vieheinkauf), der doch nie lange dauern könnte, leicht überstehen. Sie sind namentlich bei der reichen Futterernte dieses Jahres keines wegs genötigt, ihr Vieh schnell und zu jedem Preise zu ver kaufen. Außerdem sei ihre genossenschaftliche Organisation auf dem Gebiete der Viehverwertung so weit vorgeschritten (ist das auch bei uns schon der Fall?), daß die Landwirte ohne weiteres auf dieser Basis eine teil weise Versorgung des Konsums mit Fleisch in die Hand nehmen und so trotz des Vieheinkaufsstreiks befriedigenden Absatz für ihr Schlachtvieh erreichen könnten. Die „Bo hemia" glaubt deshalb, daß das Fleischgewerbe selber am schwersten durch einen solchen Streik geschädigt werden würde. — Dieser Ansicht sind auch wir und glauben deshalb auch, daß cs sich nur um einen „Schreckschuß" der Fleischer gegen die Fortsetzung der Fleischeinkaufs-Streikbewegung handeln könne. Die Herren werden sich die Sache sicher noch überlegen, denn sie würden durch den von ihnen in Aussicht genommenen Streik ihremEesamtgewerbe wohl nach zwei Seiten hin dauernden Schaden zufügen. Einmal würden die Konsumenten vielfach lernen, sich mit weniger Fleisch einzurichten und mehr nach vegetarischen Prinzipien zu leben, andererseits würden die Viehprodu zenten gerade gezwungen werden, ihre Viehverwertungs organisation schnell weiter auszubauen, um dem direkten Absatz an die Fleischkonsumenten die Wege zu ebnen. Ist das einmal geschehen, dann werden solche Einrichtungen und direkten Beziehungen auch mit Beendigung des Ein kaufsstreiks nicht wieder aufgehoben, sondern weiter be stehen bleiben. Ungarisches Abgeordnetenhaus. Ministerpräsident Graf Khuen-Hedervary hielt gestern, Donnerstag, am Schlüße der Adreßdebatte eine Rede, in der er die Adreße gegen die Angriffe der Opposition verteidigte. Der Ministerpräsident bemerkte gegenüber dem Vorwurf, eine Politik der Entsagung zu betreiben und ein Einvernehmen zwischen Krone und Nation durch Verzicht auf alle nationalen Bestrebungen herzustellen, daß die Grundlage dieses Einvernehmens die aufrichtige und rückhalt lose Anerkennung des Ausgleichsgesetzes sei, wäh rend die Koßuthpartei, als sie an der Spitze der Regierung ge wesen sei, sich nur mit allerlei Vorbehalten zum Dualismus be quemt habe. Die Regierungspartei habe niemals den Wählern eine Zusicherung bezüglich irgendwelcher nationaler Errungen schaften gemacht. Auf eine Bemerkung, daß die gegenwärtige Regierungspartei nur die wiedererstandene frühere liberale Par tei sei, erwiderte der Ministerpräsident, dies sei eher ein Lob als ein Tadel. Die Regelung der Bankfrage, erklärte der Ministerpräsident weiter, verfolge den Zweck, dem öffentlichen Kredit zu dienen. Die gemeinsame Notenbank habe sich in schwie rigen Zeiten sehr bewährt. Es sei ein charakteristischer Finger zeig, daß das Ausland, als die Fortdauer der Bankgemeinschaft zweifelhaft gewesen sei, gegen Ungarn mißtrauisch geworden sei und dessen beste Papiere zurückgeschickt habe; das Vertrauen in den Kredit Ungarns habe sich aber merklich erhöht, als die Un sicherheit bezüglich der Bankgemeinsamkeit aufhörte. Da habe das Ausland die früher zu billigem Kurse zurückgesandten Pa piere zu höherem Kurse zurückerworben. (Lebhafter Beifall.) Grotzbritanute«. Die Königskrönung. Vor dem St. James-Palast und an verschiedenen Punkten der Londoner City wurde der Oeffentlichkeit gestern Donnerstag unter dem üblichen Zere moniell bekanntgegeben, daß die K r ö n u n g des K ö n i g s und der Königin imIuni 1911 stattfinden werde. Zum englischen Eisenbahnerstreik. An der englischen Nordostbahn streiken 34 000 Angestellte, in Kanada haben die Arbeiter der Grand Trunk Railway ihre Arbeit nieder gelegt, in Frankreich kann man in jedem Augenblick einen furchtbaren Eisenbahnerausstand erwarten. Es ist kaum denkbar, daß diese Streiks in irgend einem organischen Zu sammenhang miteinander stehen, das Zusammentreffen dieser wirtschaftlichen Ereigniße macht sie aber natürlich um so gefährlicher. Besonders schlimm sehen die Dinge vorläufig in England aus. Die Nordostbahn versorgt vor allem die Jndustriebezirke mit Kohle. Jetzt, wo der ganze Verkehr lahmgelegt ist, können die Fabriken aus Koh^n- mangel nicht mehr arbeiten laßen. In den Bergwerken aber häuft sich die Kohle, sodaß dort Platzmangel ein getreten ist, infolgedessen arbeiten die Bergwerke nur noch mit halben Schichten. Die Zufuhr der Lebensmittel hört auf, infolgedessen steigen die Preise ins Unermeßliche. Keine Arbeit und teures Brot, das ist die Folge dieses Streiks. Gerade die arbeitenden Klaßen leiden immer nm meisten unter Streiks. Sie leben von der Hand in den Mund, und sie können nicht hohe Preise für die notwendig sten Lebensmittel bezahlen. Wenn die sozialdemokratischen Führer sich das vor Augen hielten, dann würden sie auch nicht anders handeln, denn ihnen kommt es doch nor ollem auf die V e r h e tz u n g d e r Klassen an. Die Vorzugstarife mit den Kolonien. Im Verlauf der all gemeinen Debatte über das Budget im englischen llnterhause berührte Balfour die Frage der Vorzugstarife mit den Kolonien. Er kritisierte die Fiskal-Politik der Regie rung und wies auf das selbständige Vorgehen der Kolonien hin, welche über Verträge mit fremden Ländern verhandelten. Eng land könne sich nicht außerhalb des Netzwerkes der Verträge hal ten, welche eine Minderung der Vorteile aus den Vorzugszöllen veranlaßten, die England in den Handelsverkehr mit seinen Ko lonien genieße. Asquith wies in seiner Erwiderung darauf hin, daß Deutschland dem höchsten canadischen Zolltarif unterworfen sei und daß die den Vereinigten Staaten seitens Canadas gewährten Zugeständniße den britischen Handelsverkehr mit Canada nicht ernsthaft berührten. England genieße den Vorzugstarif mit Canada. Die Folgen der Ausübung der fis kalischen Freiheit seitens Canadas, welche Canada seiner Ansicht nach besitzen müße, hätten den englischen Handelsverkehr in keiner Weise nachteilig beeinflußt. Ein Freihandelssystem innerhalb des Reichs sei unmöglich. Spanien. Ferrer-Rummel und kein Ende. Schon seit einigen Tagen beschäftigen sich die spanischen Cortes intensiv mit der Ferrer-Affäre, ohne daß etwas Praktisches dabei herausgekommen wäre. Die Republikaner sind der Ansicht, daß an dem Gründer der modernen Schule ein Justizmord begangen wurde, die Anhänger des Kabinetts Maura da gegen bleiben dabei, daß alles seine Richtigkeit habe und daß das Urteil legal im Sinne des spanischen Gesetzes ge sprochen wurde. Während man nun in der Kammer de battiert, kommt von Buenos-Ayres eine seltsame Nachricht. Ein Mitarbeiter der Zeitung „Prensa", dem be deutendsten Organ von Argentinien, hat in einem Zucht haus von Buenos-Ayres mit einem inhaftierten Spanien Manuel Pino eine Unterredung gehabt, deren Inhalt zwar märchenhaft klingt, die aber in Spanien und nament lich in Katalonien Sensation machen wird. Dieser Manuel Pino soll nämlich dem Journalisten mitgeteilt haben, er sei in Wirklichkeit Joss Ferrer und seine Anwesenheit in der argentinischen Strafanstalt sei die Folge einer höchst seltsamen Wendung, die sich in seinem Prozeß vollzogen habe. Der angebliche Ferrer erzählte etwa folgendes: „Nachdem mir am 12. Oktober 1909 das von König Alfons unterzeichnete Todesurteil verlesen worden war, blieb ich allein in meiner Zelle. Man teilte mir dann mit, daß meine Hinrich tung am folgenden Morgen vollzogen werden solle. Es war ge rade 10 Uhr abends und ich schickte mich an, mich zum letzten Schlaf auf meinem Lager auszustrecken, als auf dem Gange in Montjuich die Schlüße! klirrten. Zu meinem Erstaunen machte man vor meiner Kerkertür halt und öffnete sie. Im Rahmen der Tür wurden mehrere Herren sichtbar, der Befehlshaber der Festung, mein vortrefflicher Anwalt Hauptmann Galceran, der Präsident des Kriegsgerichts, das mich abgeurteilt hatte, und der Generalkapitän der Provinz Barcelona. Nachdem man mich mit Namen angerufen hatte, blieb nur der Generalkapitän bei mir zurück und seine Begleiter begaben sich auf den Korridor hinaus. Der Eeneralkapitän musterte mich einige Minuten stumm und sagte dann in schroffer Weise zu mir: Sie sind dem Schafott entgangen, der König hat soeben den Befehl erteilt, daß wir mit ihnen eine Art Komödie spielen sollen, wenn sie das Versprechen absoluter Verschwiegenheit geben. Man will Ihnen das Leben schenken, obwohl Sie nach unser aller Ueberzeugung den Tod verdient haben. Die Königin hat Erbarmen gefühlt mit Ihnen und deshalb den König veranlaßt, Ihnen das Leben, zu schenken, unter der Bedingung, daß Sie lebenslänglich in Ungarn seine Wehrmacht im Verhältnis zu der der anderen Groß- In dem Zuchthaus, in dem Sie Ihre Strafe abbüßen werden, Mächte entwickeln. Das ganze Land, das ganze Abgeordneten-! darf niemand wißen, wer Sie sind. Wir schicken Sie weit weg, Haus und die Presse blickten mit Stolz und Befriedigung auf. außerhalb von Europa, weil hier Ihre Persönlichkeit zu bekannt jene ernste Stunde zurück, in der Ungarn durch die Schlagfertig- ist. Morgen vormittag veranstalten wir die Komödie Ihrer Er- keit seiner Armee zuverlässig dem Kampf hätte entgegengehen schießung, denn selbst unsere Behörden dürfen die Wahrheit nicht können, mit dem es die Verwickelung anläßlich der Annexion be- erfahren; deshalb wird auch Ihre „Lerche beerdigt, während droht habe. Ueber die Wahlresorm sagte der Ministerprä- Sie selbst noch einige Tage erngekerkert bleiben, bis man Sie sident, er selbst vertrete eine sehr liberale Aufsaßung und halte nach Ihrem neuen Bestimmungsort überführen wird. eine weitergehende Lösung für das Land nicht für gefährlich? Ferrer soll dann in diesen Plan eingewilligt haben; Andererseits müße man auch jener gutgläubigen pessimistischen man habe seine Erschießung mit Platzpatronen vor» ferner keine bestimmten Notizen von den letzten spanischen (Der einzig« spanische Sozialdemokrat, der gewählt wurde, Iglesias, erhielt über 40000 Stimmen in Madrid.) In Serbien wurden von den Sozialdemokraten bei den letzten Wahlen 30000 Stimmen, in Bulgarien 3000, in Argentinien 5000 gezählt. Auch in Japan macht sich eine sozialistische Bewegung geltend; aber Steuerbestimmungen und andere (Wahlrechts-) Einschränkungen hindern vorläufig die Entwicklung; dasselbe ir.ffl für Rumänien und noch verschiedene andere Länder zu. Die rote Flut. Das „Internationale sozialistische Bureau" in Brüssel verössenutcht soeben eine Statistik der sozialistischen Stimmenzahlen unter den Stimmberechtigten der einzelnen Länder. Danach verfügt die Sozialdemokratie in Deutschland über Frankreich „ Oesterreich Ver. Staaten England Belgien Italien Finnland Schweiz Dänemark „ Norwegen „ Holland „ Schweden „ 3>/. Mill . bei einer Gesamteinwohnerzahl von 60 Mill. 1,1 „ ,, 42 1,0 „ ,, ,, 46 0,6 „ ,, 84 0,5 ,, ,, ,, 34 0,5 „ 7 339000 34 337000 2'« 100000 3',. 99000 2V« 90000 27, 82000 ,, 57. 75000 5/. !te hat das Bureau erhallen von Rußland und
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