Volltext Seite (XML)
KauhenerM Nachrichten. Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlanfitz. Amtsblatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweiset Täglich abends mti Ausnahme der Sonn- und Feienage. Gchriftleitung und Geschäftsstelle: Bauyen, Innere Lauensttah« 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahmachnchl: Amtsblatt, Bautzen Bezugspreis: Monatlich 1 Mark. Einzelpreis: 10 Psenntge. Anzeigenpreis: Die ggespaliene PeülMe oder deren Raum 15 Psenntge, in geeigneten Fällen Ermässigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Zgespaltene Petitzeile 50 Psennige. Nr. 13« Donnerstag, den 16. Juni 1910, abends. Jahrgang Das Wichtigste vom Tage. Das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium und die Studentenschaft der Kgl. Technischen Hochschule haben dem König Dankschreiben für feine Kundgebung gegen die Enzyklika übermittelt. In der gestrigen Eesamtsitzung des Leipziger Rates gedachte Bürgermeister vr. Roth mit Worten lebhaften Dankes der Kundgebung des Königs gegen die päpstliche Enzyklika. * Der Kaiser hat sich jedenfalls durch das Reiten einen Erguß am rechten Kniegelenk zugezogen. * Das preußische Herrenhaus hat die Erhöhung der Zivilliste des Königs von Preußen einstimmig ange nommen. * Infolge des Rücktritts Dernburgs wird ein vollständiger Sy st ein wechsel in der Kolonialverwaltung und der Rücktritt der Gouverneure Freiherr v. Rechenberg und vr. Solf erwartet. * Das Vorgehen der katholischen Monarchen von Sachsen, Bayern und Oesterreich-Ungarn gegen die Enzyklika haben im Vatikan äußerste Bestürzung hervorgerufen. Der vatikanische Beichtvater, ein spanischer Kardinal, welcher der Verfasser des Rundschreibens ist, soll entfernt werden. Auf den bosnischen Landeschef General Varczanin feuerte ein Sozialdemokrat, ein junger Jurist aus der Herze gowina, auf der Straße 5 R e v o l v e r s ch ü s s e ab, ohne ihn zu treffen. Der Attentäter tötete sich darauf selbst. Auf einer Kretakonferenz sollen die Einzelheiten der Autonomie Kretas unter der Suzeränität der Türkei besprochen werden. Der Prinzregent von China ist bereit, eine neue Bittschrift wegen sofortigerEinberufungdes chinesischen Reichs tags entgegen zu nehmen. * Wetteraussicht für Freitag: Wolkig, aufheiternd, wärmer, weniger Niederschläge. * Ausführlich:- siehe an anderer SleLes Umsatzsteuer oder Wertzuwachssteuer k Unter diesem Titel veröffentlicht der freikonservative Reichstagsabgeordnete vr. Arendt eine Betrachtung, aus der wir folgendes entnehmen: In der Reichstagskommission ist von dem Vertreter des Reichsschatzamts der Ertrag der Reichswertzuwachs steuer nach den Beschlüssen der Kommission auf jährlich sage und schreibe sieben Millionen Mark geschätzt worden. Diese Ziffer ist vernichtend für die Wertzuwachssteuer, denn um einen solchen minimalen Ertrag zu erzielen, darf man wohl , einen Erhebungsapparat in Bewegung setzen, der an Kosten erheblich mehr ausmacht und den Grundbesitz des ganzen Reichs nicht durch die Steuerzahlung, sondern durch die Steuerberechnung unsagbar belastet. Es unterliegt aber für mich keinem Zweifel, daß die Kommission in dritter Lesung und das Plenum noch weitere Ermäßigungen be schließen müssen, wenn das Gesetz auch nur einige Aussicht auf eine Mehrheit gewinnen soll — dann aber wird das Mißverhältnis zwischen dem Ertrag und den Erhebungs arbeiten so augenfällig, daß die Unmöglichkeit der reichs gesetzlichen Regelung immer allseitig anerkannt werden wird. Wie ich schon lange vor Erscheinen des Reichsgesetzes im „Tag" ausführte, ist die Wertzuwachssteuer nur als Gemeinde-, nicht aber als Staats- und Reichssteuer möglich, sie muß deshalb örtlich nach den besonderen Verhältnissen geregelt werden. Der Versuch, das ganze Reich einheitlich zusammenzufassen, war von vornherein verfehlt. Die Groß stadt, die Kleinstadt, das platte Land bieten durchaus ver schiedene wirtschaftliche Verhältnisse. Ein Jndustriebezirk und ein rein bäuerlicher Kreis lassen sich nicht gleichmäßig behandeln. Will man den Bauspekulanten genügend heranziehen, so belastet man den Bürger und Bauern ganz ungebührlich hart. Trifft man diese angemessen, so kommt der Spekulant viel zu gut fort. Was man wollte, das war, von dem mühelosen, unverdienten Gewinn, der durch die Ausdehnung der Großstädte und Jndustrieorte entsteht, eine möglichst hohe Steuer zu nehmen. Das ist sicher be rechtigt und erwünscht, der Gesetzentwurf, der gegenwärtig dem Reichstag vorliegt, macht aber daraus eine Be steuerung jedes Wertzuwachses, jedes Grundbesitzes, des verdienten wie des unverdienten. Eine solche Besteuerung mag erwünscht sein, sie ist aber so lange nicht berechtigt, als nicht jeder Wertzuwachs, nicht nur der des Grundbe sitzes, sondern auch der des mobilen Kapitals versteuert wird. Beim mobilen Kapital aber ist jeder Wertzuwachs, der verdiente wie der unverdiente, steuerfrei und übrigens auch steuerlich nicht zu fassen. So stellt die allgemeine Wert zuwachssteuer eine Sonderbelastung des Grundbesitzes dar, und es ist eine Ironie des Schicksals, daß diejenigen direkt hierfür wirkten, die die Erbschaftssteuer zu Fall brachten, weil sie m ihr eine Mehrbelastung des Grundbesitzes sahen. Jetzt hat der Grundbesitz an das Reich zwei Drittel vom Hundert Umsatzsteuer zu zahlen, wahrscheinlich mehr, als er an Erbschaftssteuer zu zahlen gehabt hätte. Der Er trag hiervon wurde bei der Reichsfinanzreform auf 40 Mil lionen Mark angenommen, er dürfte reichlich 50 Millionen Mark ergeben, und der Reichsschatzsekretür erwartet weiter und ständig steigende Erträgnisse. Ich bin allerdings anderer Meinung. Ich glaube, daß die Angst vor der be stehenden Wertzuwachssteuer größere Umsätze im Grund stücksverkehr herbeifllhrte. Würde aber die Reichswert zuwachssteuer wirklich durchgeführt, so müßte sie den Ver kauf von Grundstücken so erschweren, daß die Umsatzsteuer zurückgeht — vielleicht um mehr, als die Wertzuwachssteuer überhaupt einbringt. Dann aber ist der Zweck verfehlt, der den Reichstag dahinführte, sich bei der Reichsfinanz reform für die Wertzuwachssteuer auszusprechen. Diese sollte an die Stelle der Umsatzsteuer treten. Zunächst war das zweite Drittel der Umsatzsteuer nur provisorisch be willigt, bis die Reichswertzuwachssteuer kam, dann aber sollte aus deren Mehrertrage auch das erste Drittel er mäßigt und eventuell ganz beseitigt werden, sodaß, wenn die Reichswertzuwachssteuer mehr als 40 Millionen Mark brachte — und die Enthusiasten erwarteten noch viel größere Einnahmen — die Reichsumsatzsteuer wieder ver schwinden müßte. Heer und Volksvertretung in Frankreich. Der Einfluß der parlamentarischen Zivilherrschaft auf das Heer tritt nirgends in so drastischer Anschaulichkeit zu Tage wie in der Republik Frankreich. Eine Reihe von Vorgängen, die von dort in neuester Zeit berichtet werden, beleuchten die Wirkungen des streng parlamentarischen Regierungssystems, wie es sich jenseits der Vogesen zu vollster Blüte entfaltet hat, auf den militärischen Geist. In Rimes meuterten Reservisten, die zu einer l7tägigen Hebung eingezogen waren, weil ihnen der gesetz lich vorgeschriebene Aufenthalt im Lager von Marsillan, das unter Unbilden der Witterung zu leiden gehabt hatte, nicht behagte. Wie vermutet wird, spielten dabei auch die Interessen der Wirte und Geschäftsleute in Rimes eine Rolle, wie das in Toulon der Fall gewesen ist, wo sich die Schankwirte mit der Forderung an den Marineminister wendeten, daß sich die Flotte nicht allzulange zu Manöver zwecken aus den Touloner Gewässern entferne und die Tou- lvner Streitkräfte nicht durch eine andere Geschwaderein teilung verringert werden. In Rimes trat der sozialdemo kratische Bürgermeister für die meuternden Reservisten ein. In seiner Eigenschaft als Volksvertreter nahm er beim Kriegsminister deren Partei und setzte sich an die Spitze der Unbotmäßigen, als diese in Rimes einzogen. Ein ähnlicher Vorgang ereignete sich in Tours. Auch hier hatten die eingezogenen Reservisten keine Lust, in dem in der Nähe gelegenen Lager von Ruchard zu üben. In einer gemeinschaftlichen Eingabe, die verboten ist, ersuchten sie den Kriegsminister unter Hinweis auf die ungünstigen Witterungsoerhältnisse um Verlegung der Uebung aus dem unbequemen Lager in die angenehmere Stadt. In einem anderen Falle sind die Helden Landwehrmänner, die in Evreuse zu einer Uebung einberufen waren. Sie forderten von dem Obersten die Freigabe des ganzen Sonntags. Dieser weigerte sich. Das empörte die Landwehrmänner, die im Bewußtsein, als Wähler Teilhaber der souveränen Volksvertretung zu sein, den Vizepräsidenten der Kammer und Börsenagenten Berteaux anriefen, der ihnen als früherer bürgerlicher Kriegsminister berufen schien, ihre Sache ihrem ungehorsamen Obersten gegenüber zu ver treten. Und in der Tat bewirkte der Exkriegsminister, daß der gegenwärtige Kriegsminister den Landwehrmännern Recht gab und die Anordnung des Obersten aufhob. Das sind Folgen des schrankenlosen demokratisch-par lamentarischen Regiments, dem die Leitung und V-.-r- waltung des Heeres untersteht, und zwar in dem Maße, daß sich Abgeordnete als Vertreter ihrer Wähler, zu denen die eingezogenen Reservisten und Landwehrmänner zählen, in Fragen der militärischen Mannszucht einmischen können. Die staatsrechtliche Stellung des Heeres in der Republik Frankreich kennzeichnet die grundsätzliche Einrichtung, die es ermöglicht, daß Zivilisten Kriegsminister werden. Die Kriegsmacht ist der Volksvertretung untergeordnet unt steht somit nicht jenseits, wie es sein sollte, der wechselvollen Einflüsse des politischen Lebens. So kann es schließlich dazu kommen, daß Reservisten und Landwehrmänner unter der Fahne nicht mehr unbedingt dem Willen ihrer mili tärischen Vorgesetzten ungeordnet bleiben, sondern ihren eigenen Willen haben und mit Hilfe der bürgerlichen par lamentarischen Machtfaktoren, die den Ausschlag geben, auch durchsetzen. Die angeführten Vorgänge geben einen Vorgescknnnck, wie in dem sozialdemokratischen Staate die Kriegsmacht beschaffen sein müßte, und Frankreich hat aus dem Wege dahin schon eine Strecke zurückgelegt. Vom Standpunkte der deutschen Interessen kann man sich solcher Entwicklung freuen. Nur darf man die Gefahren, die der französischen Republik aus der Politik der Mannszucht erwachsen. Nicht überschätzen, weil sie durch die Größe der französischen Vaterlandsliebe, die selbst die militürfeindlichen Wüh lereien der Umstürzler nicht wesentlich geschwächt haben, und die Stärke des Revanchebedürfnisses noch immer ausge wogen werden. Politische Nachrichten. Tentsche? Reich. Der katholische Oberhirte beim König. Se. Majestät König Friedrich August empfing am Mittwoch den Bischof v. Schaeferin einstündiger Audienz. Die päpst liche Bulle soll Gegenstand eingehender Erörterungen ge wesen sein. Geheimrat Prof. vr Sohm-Leipzig über das Vorgehen unseres Königs. Aus Leipzig wird uns folgende Aus lastung des berühmten Rechtslehrers übermittelt: „Ein Königswort zur rechten Zeit! Ein Zornesgrollen ging durch den Protestantismus ob der unerhörten, alle geschicht liche Wahrheit in unglaublicher Weise verleugnenden Be schimpfung durch den Vatikan. In dem Zornesgrollen war ein stilles Warten, ein Warten auf das lösende Wort, auf das Wort, in welchem wie in einem Blitzstrahl die schwüle Spannung sich entlade mit nachfolgendem Donnerschlag des nationalen herzbefreienden Beifallssturmes. Dies lösende Wort ist nun gekommen. Das Große ist, daß ein katholi scher König das Wort gesprochen hat, ein König, der nicht bloß äußerlich, sondern aufrichtig seinem katholischen Glau ben zugetan ist. Der katholische König beschirmt getreu den Traditionen seines Hauses seine protestantischen Unter tanen gegen ungerechte römische Beschimpfung! Ein glän zendes Beispiel, wie man am besten den konfessionellen Frieden wahrt. Nicht bloß der Protestantismus, sondern auch der Katholizismus war schwer be troffen. Unsere katholischen Bildungskreise wissen sehr wohl von den starken religiös-sittlichen Kräften, die in der reformatorischen Bewegung wirksam waren, und katholische Historiker und Theologen haben sich gerade in letzter Zeit öffentlich in diesem Sinne ausgesprochen. Der deutsche Katholizismus denkt nicht daran, sich das Urteil der Borro mäus-Enzyklika anzueignen. Er empfindet die schwere Ge fährdung des konfessionellen Friedens und die Bloßstellung des Katholizismus durch die Worte seines Oberhauptes. Die Protestanten rührten sich. Natürlich! Auf allen Sei ten hallt es von Protesten. Aber die protestantischen Kundgebungen sind die Stimme nur eines Teiles der Nation. Der Katholizismus fehlte. Das ist es, was jetzt anders geworden ist. Ein katholischer König hat zum Schutz seiner protestantischen Untertanen das Wort ergriffen. Sein Wort gilt der Erhaltung des konfessionellen Friedens. Hinter diesem Worte stehen wir alle, Protestanten und Katholiken ohne Unterschied. König Friedrich August von Sachsen ist zum Sprecher des ganzendeutschen Volks geworden. Das gibt seiner Stimme den mächtigen nationalen Widerhall. Das gibt dem Vatikan die rechte Antwort. Der Donnerschlag ist da. Die Luft ist rein." Weitere Pregstimmen zur Königstat. Die „Allge - m e i n e Z e i t u n g" in Chemnitz schreibt unter der Spitz marke: „Ein erlösendes Wort" u. a.: „Mit den Ministern dankt das sächsische, ja man darf sagen das ganze deutsche Volk ohne Unterschied der religiösen Bekenntnisse dem Könige Friedrich August für seine hochherzige Ent schließung, entsprang sie doch nach seinen eigenen Worten dem dringenden Wunsche, den konfessionellen Frieden auf recht zu erhalten, an dessen Wahrung unsern Mitbürgern katholischen Glaubens ebensoviel liegen muß wie den Pro testanten. Der Monarch hat damit ein erlösendes Wort gesprochen, das seinen Eindruck in Rom nicht verfehlen kann und darum mehr als eine diplomatische Aktion geeignet ist, die große Gefahr zu beschwören, die dem inneren Frie den des Reiches drohte. Daß ein katholischer Fürst seine mahnende Stimme erhebt, muß den Herren im Vatikan die Zunge lösen, muß ihnen zum Bewußsein bringen, welchen großen Fehler sie mit ihrer unklugen Veröffent lichung der Enzyklika begangen haben. Nun darf man hoffen, daß sie endlich zur Einsicht gelangen und das A rechte Mittel zur Beseitigung der von ihnen verursachtest^ Schäden finden werden. Dann wird man es vor allest