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Verordnungsblatt der Kreishauptmanuschaft Bautzen als Konfistorialbehörde der Oberlausitz. AmLsötatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Hermhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichcn der Stadträtt zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise r Täglich abend« mit AuSaahmc der Som», und Feiertage. Schriftleitung und Geschäftsstelle t Bautze», Junerc Lauenstraß« 4. Fernsprecher: Nr. bl. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis pro Monat: Bei Abholung In der Geschäftsstelle —,i>0 bet freier gusteltnna In« Hans 1.— .F Anzeigenpreis: Die OgcspaUcnc Petitzeilc oder deren Raum lb Pfennige, in geeigneten Fäden Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Jgespaltene Petitzeilc 50 Pfennige. «r. 262. 129. Jahrgang Freitag, den 1k. November NUN, abeuds. Das Wichtigste vom Tage. * Der Dresdener Schuhmacher st reik, der zu einer allgemeinen Aussperrung in der deutschen Schuhindustrie zu führen drohte, ist infolge der Bamberger Vermittelung endlich beigelegt worden. * Der Bundesrat setzte das Gesamtkontingent der Bren nereien für das Vetriebsjahr 1910/11 auf 17577811,39 Hekto liter Alkohol herab, was eine entsprechende Kürzung des Kontingents der einzelnen Brennereien zur Folge haben wird. * Im 1. Moabiter Krawallprozetz hat das Gericht unter Westermanns Vorsitz beschlossen, daß es den gegen die 3. Strafkammer wegen Befangenheit gestellten Ableh n ung s- a n trage nicht st attgegeben habe. Die 3. Kammer, unter Vorsitz Liebers, trat daher gestern nachm. wieder in ihre Rechte ein, vertagte aber die Verhandlung wegen Erkrankung des Berichterstatters auf Sonnabend. * Die Londoner Konferenzen zwischen der liberalen Regierungspartei und der unionistischcn Opposition zur Lösung der konstitutionellen Frage in England sind gescheitert. Die Ungarische Delegation hat das Ordinarium und das Extraordinarium des Heeresbudgets sowie den außerordentlichen Kredit von 180 Millionen angenommen. Das Geschworenen-Gericht in Winchester hat beschlossen, die Anklage des Untersuchungsgerichts gegen den deutschen Leutnant Helm wegen des Vergehens, die Be festigungen von Portsmouth gezeichnet zu haben, aufrecht zu er halten und gegen ihn zu verfahren. * Die Franzosen sind in Wadai von dem neuen Sul tan angegriffen und mit Verlust von über 3 0 0 Toten in die Flucht geschlagen worden. * Aus Anlaß eines Lynchgerichts gegen einen Mexi kaner in Texas ist es in der Stadt Mexiko zu feindlichen Kundgebungen bezw. Gewalttätigkeiten gegen die Union und deren dortige Staatsangehörige gekommen. Die berittene Polizei mußte mit der Waffe eingreifen, sodaß es mehrere Tote und viele Verletzte gab. Beide Vorkommnisse gaben Veran lassung zu diplomatischen Vorstellungen bezw. Einsprüchen. * Wetteraussicht für Sonnabend: Bedeckt, Tem peratur wenig geändert, Regen und Schnee. * Ausführliches siehe an anderer Stelle. Reichstagswahlen und Mittelstand. Bon führenden Kreisen des Mittelstandes gehen uns folgende bemerkenswerte Darlegungen zu: In keiner Klasse unserer Bevölkerung ist wohl die Un zufriedenheit, ja man darf sagen, die Erbitterung über die F i n a n z r e f o r m, sowie über das verunglückte Experi ment zur Verbesserung des preußischen Wahl rechtes größer, als unter den Handwerkern und Gewerbe treibenden. Nicht mit Unrecht wird aus diesen Kreisen darauf hin gewiesen, daß fast sämtliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lage unserer Arbeiter und Beamten ganz erhebliche Lasten gerade für die Gewerbetreibenden im Gefolge gehabt haben, trotzdem sich Tausende und Abertausende von kleinen Handwerkern und Gewerbetreibenden in schlechteren Ver hältnissen befinden, als die von ihnen beschäftigten Ar beiter. Berücksichtigt man, daß letztere bei Krankheit, Alter und Invalidität, sowie bei Unfällen die weitgehendsten Unterstützungen genießen, und zieht man in Betracht, daß nach der höchstwahrscheinlich zu erwartenden Annahme der Reichsversicherungsordnung in ihrer neuen Gestalt jährlich etwa 850 Millionen für Wohlfahrts einrichtungen aufgewendet und rund 475 Millionen Mark von den Arbeitgebern aufgebracht werden, so begreift man den Unmut der kleinen Handwerker und Gewerbe treibenden, welche zwar die Opfer zu bringen haben, an den Wohlfahrtseinrichtungen selber aber nicht teilnehmen dürfen. Die Verhältnisse des Kleingewerbes sind leider so trauriger Art, daß der Mehrzahl der kleinen Arbeitgeber, obwohl sie fleißige und brave Leute sind, im Falle der Krankheit, des Alters oder Invalidität, sowie eines Un falles als letzter Hoffnungsstrahl nur die Unterstützung von Anverwandten oder — das Armenhaus winkt. Zieht man weiter in Betracht, daß es die Arbeiter dank ihrer vorzüglichen Organisation verstanden haben, die Be lastung durch die Finanzreform auf die Arbeitgeber abzu wälzen, indem sie auf der ganzen Linie Lohnforderung stellen, so wird es begreiflich, daß der Unmut der Klein gewerbetreibenden immer mehr wächst. Niemand in der Welt vermag eben diese Kreise zu überzeugen, daß dieVe - steuer ung von Bier, Tabak, Spiritus, Kaffee, Tee, Streichhölzern, Quittungen, Schecks, Umsatz der Grund stücke, sowie die Extrabesteuerung von Hypotheken eine mittelstandsfreundliche Maßnahme sei, und vergeblich wird man sich bemühen, dem schwer belasteten Mittelstände be greiflich zu machen, daß die Besteuerung des Erb au fall es den Familiensinn zerstört haben würde oder staatsgefährlich gewesen sei! Ganz ähnlich liegen die Dinge in Sachen des preußi schen Wahlrechtes, dessen Ausübung in seiner jetzigen Ge stalt sich als geradezu unmöglich für alle diejenigen Ge werbetreibenden erweist, die sich in einem Abhängigkeits verhältnis befinden, und das trifft ja leider bei der größ ten Zahl unserer Handwerker und Ladeninhaber zu. Es klingt gewiß sehr schön, von Mannesmut und Betätigung der persönlichen Ueberzeugung zu sprechen. Wer jedoch zwischen persönlicher Ueberzeugung und wirtschaftlicher Existenz zu wählen hat, wird zumeist dieser den Vorzug geben, hängt doch davon nicht nur das eigene, sondern auch das Wohl und Wehe der Familie ab. Der Mittelstand verlangt deshalb die geheime und direkte Wahl und, täuschen wir uns nicht, so wird „d i e Finanzreform und das Wahlrecht" die Parole dieser Kreise bei der nächsten Reichstagswahl sein, und wir werden eine Frontschwenkung des kleinen Gewerbes er leben, wie sie schon einmal zu Anfang der 70er Jahre statt fand, als die große liberale Partei über Lebensfragen der Gewerbetreibenden zur Tagesordnung überging. Damals wurde der Notschrei des Handwerks um Abstellung der Schäden, welche die Eewerbefreiheit gezeitigt hatte, mit der Antwort „freies Spiel der Kräfte" abgetan, und die Folge war, daß der fast durchgängig gut liberale Gewerbe stand nach der konservativen Seite abschwenkte. Heute stehen wir vor einem umgekehrten Prozeß und wer noch an dieser Tatsache gezweifelt haben sollte, der sehe sich die bisherigen Nachwahlen für den Reichstag des näheren an, und er wird die volle Bestätigung finden Zweifellos würde es im Sinne des Gemeinwohles tief bedauerlich sein, wenn der Unmut von Tausenden der klei nen Gewerbetreibenden über die ihnen zugefügte Unbill soweit gehen sollte, einem Sozialdemokraten die Stimme zu geben und sogar zu vergessen, daß sich die Sozialdemo kratie ganz offen als Totfeind der mittelständischen Schich ten bekennt. Wollen die bürgerlichen Parteien eine der artige Eventualität vermeiden, so werden sie gut daran tun, in der Auswahl ihrer Kandidaten recht vorsichtig zu sein und nicht immer nur Angehörige der oberen Zehn tausend, hohe Beamte und Akademiker zu präsentieren, denen der kleine Mann mit einem nicht fortzuleugnenden Mißtrauen gegenübersteht. Sind die Freikonservativen, Nationalliberalen und Freisinnigen diesmal klug, und stellen sie neben Angehöri gen von Besitz und Bildung auch Handwerker, Gewerbe treibende, kleine Kaufleute, Beamte und Vertreter der An gestellten als Kandidaten aus, dann, aber auch nur dann wird darauf zu rechnen sein, daß der Zulauf zur Sozial demokratie auf ein Minimum beschränkt bleibe, und auch die „Partei der Nichtwähler" dürfte sich auf ihren bis herigen Höhen halten. Diese beiden Faktoren aber beein flussen den Ausfall der Wahl in den allermeisten Wahl kreisen, und keiner einzigen bürgerlichen Partei kann es gleichgültig sein, ob ihrem Kandidaten die Stimmen des gewerblichen Mittelstandes zufallen oder nicht Freilich schöne Worte und Versprechungen werden sich nicht mehr als ausreichend erweisen, um die Stimmen der zweitstärksten Klasse der Wählerschaften zu gewinnen, son dern es wird weit mehr nötig sein, das so oft getäuschte Vertrauen dieser großen Wählerschicht zu erwerben; so manchem Mitschuldigen an der Finanzreform und der Ver hinderung einer zweckdienlichen Reform des Wahlrechtes wird der Ruf entgegenschallen: „Eewog en und zu leicht befunden!" Die großen Handwerkerkorporationen, Detaillisten verbände, Beamten- und Angestelltenvereinigungen usw. werden deshalb (wie am 3. Osterfeiertage des Jahres 1909, als es sich um eine gemeinsame Kundgebung gegen die Reichstagsmehrheit handelte und 8000 Delegierte im Na men von 1 250 000 Wählern gegen die alleinige Belastung der Minderbemittelten protestierten), eine Liga zu bilden haben, deren Empfehlung alle Kandidaten bedürfen, die auf die Stimme des Mittelstandes rechnen. Eine derartiges Vorgehen wird zwar hier und dort auch auf Widerspruch stoßen, aber es wird seine guten Früchte tragen. Die Losung des Mittelstandes zur nächsten Reichstags wahl wird daher lauten: 1. Einführung einer pro gressiven Erbschaftssteuer; 2. Einführung des geheimen und direkten Wahlrechtes für die Landtagswahl der Bundesstaaten und für die Kommunal wahlen und 3. Ermöglichung der Beteiligung desMittel- standesan den Arbeiten der Parlamente. Wer diese Hauptforderung nicht zu erfüllen vermag, der wird nicht auf die Stimmen der mittleren Schichten unseres Volkes zu rechnen haben. Politische Nachrichten. Teatichcs Reich. Ein sensationeller Bries. Der Zentrumsabge ordnete Müller-Fulda hat an den Vorsitzenden des Konservativen Vereins zu L ö b a u, Rittmeister von Nostitz in Sohland a. d. Spree, einen Brief gerichtet, der nach dem „Dresdner Anzeiger" folgenden Wortlaut hat: „Ich lese, daß unser früherer Abgeordneter Herr F ö r st e r im zweiten sächsischen Wahlkreise als Kandidat aufgestellt und von der liberalen Presse deshalb angegriffen wird. Ich kann aus persönlicher Erfahrung heraus sagen, daß diese Angriffe grundlos sind. Herr Förster war ein sehr gerecht denkendes Mitglied des Reichstages, er hat bei den Bera tungen des Zolltarifs in der Kommission durch seine Sach kenntnis und durch seinen Fleiß immer, und ich darf sagen, die Arbeiten jedenfalls besser geleistet als sein Nachfolger, der nur zerstörend gewirkt hat. — Als alter Freund der Konservativen und Berufsgenosse glaube ich, diese Erklärung schuldig zu sein. Hochachtungs voll R. Müller, Ak. d. R. Fulda, November 1910." Einige liberale Blätter schöpfen daraus den Beweis für das Vor handensein eines „schwarz-blauen Blocks" in Sachsen, was natürlich über den Strang gehauen ist. Von konservativer Seite in Dresden wird der reinprivate Charakter dieses Brieses betont. Es heißt in einer uns von dort zugehenden Auslassung: „Wir können auf Grund bester Informa tion mitteilen, daß die konservative Partei- leitung von dem Briefe des Abgeordneten Müller zuerst aus den liberalen Blättern Kenntnis erhalten hat. Bei genauem Hinsehen und bei gewissenhafter Prüfung der über alle Maßen aufgebauschten Angelegenheit wird auch nicht die geringste Tatsache übrig bleiben, die auf irgend welche Abmachungen zwischen Zentrum und Konservativer Partei schließen läßt. Das muß wohl noch jedem Einzelnen und auch einem Zentrumsmann gestattet sein, daß er über Kol legen, frühere und jetzige, einem dritten gegenüber offen s e i » e M e i » u n g s a a e n k a n n." Das Ergebnis der Zittauer Stadtverordnetcnwahle» be steht in dem Siege der Kandidatenliste desH ausbesitze r- verein s; es sind also die acht ausscheidenden Stadtver ordneten auf drei Jahre wiedergewählt worden und als Ersatzmann für den vor Ablauf seiner Mandatsdauer nach Leipzig versetzten Architekten Oberlehrer Schließer ist der vom Hausbesitzerverein ausgestellte Baumeister Fritsche neugewählt worden, dessen Mandat für ein Jahr gilt. Ge wählt sind demnach: Eymnasial-Professor Julius Neu- m a n n nnt 1990 Stimmen, Baumeister Richard Krause mit 1171, Gartenbesitzer Heinrich Berger mit 1154, Kaufmann Oskar Adler mit 1111, Fleischerobermeister Otto Z e st e r in a n n mit 1037, Baumeister Oswald Fritsche mit 989 Stimmen als Ansässige; Bürgerschul lehrer Bruno Prasse mit 1852 Stimmen, Privatier Al win Prenzel mit 1043 und Privatier Edmund Sussig mit 1025 Stimmen als Unansässige. Petition der Sächsischen Baugewerksmeister. Zur Sicherung der Vauforderungen bereitet der „Sächsische Jn- nungsverband der Baugewerksmeister" eine Petition an die Königliche Staatsregierung vor, die den Erlaß der lan desherrlichen Verordnung zur Einführung des zweiten Ab schnittes des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderun- gen sobald als möglich erstrebt. Nach Meinung der Pe tenten ist der in Kraft stehende erste Abschnitt des Gesetzes nicht weitgehend genug und bietet mit den Vorschriften wegen Führung eines Baubuches, wegen Anschlagens der Adresse des Bauunternehmers am Bau selbst, wegen Ver wendung der Baugelder usw. keinen wirksamen Schutz der Bauliefcranten. Die an sich erfreuliche aufsteigende Ten denz der Bautätigkeit in Dresden und Sachsen nach einer Periode bedenklichen Tiefstandes und enormer Verluste zeige leider auch wieder das bedenkliche Symtom des B a u- s ch w i n d e l s. Das solide Baugewerbe weise selbst auf diese Erscheinung hin und wünsche im eigenen und im In teresse der Lieferanten einen besseren Schutz gegenüber den Bauschwindlern und Vodenwucherern. Der Jnnungsver- band fordert deshalb den erwähnten Erlaß auf Inkraft treten des zweiten Teiles des Bausicherungsgesetzes, der den Lieferanten das sogenannte dringliche Recht nahezu ge währleistet und die bisherigen betrügerischen Manipulati onen der Bauschwindler und Bodenwucherer nahezu un möglich macht. Die Angelegenheit ist auch auf mehreren großen Kongressen neuerer Zeit behandelt worden. Dabei wurde u. a. festgestellt, daß schon heute in Dresden und Um gegend wieder Leute bauen, denen man nicht das Ver trauen schenken darf, daß sie bestrebt oder befähigt sind, die Forderungen der Bauhandwerker redlich zu decken. Die