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Verordnungsblatt der Krcishauptmannschast Bautzen als Konfistorialbehörde der Oberlansitz. Am 1 sötat 1 der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, inglcichcn der Stadttäte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgcmeindcräte zu Schirgiswalde und Weissenberg. Orkan der Haudels- und Gew erbe la mm er zu Zittau. Erscheinungsweise» Täglich abend» mit Ausnahme der Sonn- und Feieltage. Schriftleitung und Gc,chäftSstelle» Baupen, Innere Lauenstraße 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahlnachrichl: Amtsblatt, Baupen. Bezugspreis pro Monat Bei Abholung in der Geschäftsstelle - .90 » bet freier Zustellung in» Huu» l.— Anzeigenpreis» Die Oqcspallcne Peliizeile oder deren Raum 15 Pfennige, in geeiguclen Fällen Ennäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen! Die ^gespaltene Petitzeile 50 Pfennige. Nr. 2S7. Freitag, den 28. Dezember ISlv, abends 1ÄY. Jahrgang. Tas Wichtigste vom Tage. * Vom Reichsgericht in Leipzig wurden die beiden eng lischen Seeoffiziere Kapitän Trench und Leutnant Brandon wegen Spionage zu je 4 Jahren Festung unter Anrechnung von je 2 Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Der Oberreichs anwalt hatte 6 Jahre Festung beantragt. Die Verurteilten er kennen die Loyalität Uyd Gerechtigkeit des Urteils an. * Prinz Max von Sachsen hat in seiner Angelegen heit einen Privatbrief an den Papst gerichtet, worin er das Geschehnis bedauert. Der Vatikan verlangt aber eine offi zielle Unterwerfung. Der Prinz erklärt die „Perseveranza"- Unterredung für erfunden. Die kontinentalen Verbände der Seeleute haben beschlossen, mit dem englischen Verbände in den Ausstand zu treten. Der internationale Streik soll im April oder Mai 1912 beginnen. Der frühere König Manuel von Portugal wird von seiner Villa in Richmond aus die Universität Oxford besuchen. Später will er eine Reise um die Welt machen und hierauf wieder nach England zurückkehren. Drei der Richter des Lissaboner Appellgerichtshoses, die in deni Prozeß gegen den Expremierminister Franco den Angeklagten freigesprochen hatten, sind nach Goa in Indien versetzt worden. Der Chef des mexikanischen Eeneralstabs erklärt, die In surgenten hätten bei Malpaso, wo sie den Zug mit Re gierungstruppen (500 Mann) überfielen, gesiegt; die Regie rungstruppen hätten unter Zurücklassung von 19 Toten und 25 Verwundeten die Flucht ergriffen. Nach anderer Quelle sind 212 Mann gefallen und 42 verletzt. Der Zug wurde durch Geschütz feuer zerstört. * Wetter aussicht für Sonnabend: Teils heiter, teils nebelig Temperatur wenig geändert, kein erheblicher Niederschlag. * Ausststuliw^i sll'üe an !d e Ziclle Sonntag, Montag und Dienstag volle drei Tage liegt die Weihnachtsmimmer auf und sind Juscraie in dieser Nummer von besonderer Wirkung. Wir erbitten die Aufgabe von Inseraten recht frühzeitig, um eine sorg fältige Ausführung vornehmen zu können Die KrschästssttUr der „SautztlM üa-richtkn". Deutschland «ud die englischen Wahlen. Die Neuwahlen in England sind nunmehr zum Ab- schluß gelangt, und das Ergebnis ist wieder eine Majorität der liberalen Partei, aber, und das ist der wichtige Nachsatz, nur einschließlich der Iren und wie stets der Arbeiterpartei. Bereits Monate vor den Wahlen, als es sich noch um vorläufige Erwägungen und um Verhandlungen der Parteien untereinander handelte, hatten wir Gelegenheit, die Ansichten eines hervorragenden englischen Politikers über den voraussichtlichen Ausgang der Wahlen zu hören. Unser Gewährsmann erklärte ohne Bedenken: diese Wahlen würden die Unionisten eben sowenig ans Ruder bringen wie die voraufgegangenen, aber die Liberalen würden nur mit geschwächter Autorität siegen und mehr denn je in die irische Abhängigkeit ge raten. So ist es gekommen. Nur eins hatte unser Gewährsmann nicht vorausge sehen, oder wenn doch, es nicht gut befunden zu sagen, nämlich daß auch die Autorität eine: uuiourstischrn Partei und vor allem ihres Führers durch einen dreimal vergebens unternommenen Anlauf wahrhaftig nicht gewinnen konnte. Andererseits war innerhalb des unionistischen Lagers die Stimmung gegen den Führer Balfour schon lange eine sehr gereizte, und in Privatgesprächen hörte man die un passendsten Ausdrücke über ihn, die gewöhnlich in der Be zeichnung gipfelten, er besitze nicht die Eigenschaften eines Staatsmannes, sondern — um uns einer diplomatischen Wendung zu bedienen — die einer ältlichen Angehörigen des weiblichen Geschlechtes. Die Spaltung unter den Konservativen scheint ja nunmehr begonnen zu haben. Was und ob etwas darauf folgt, wird lediglich davon abhängen, ob sich ein Mann findet, der ein wirk licher Führer ist und seine Führerschaft durch Taten be weist. In Deutschland herrscht, wie man wohl als ganz allgemein seststellen kann, Befriedigung über de» Ausgang der Wahlen, und das Gefühl, es sei im Interesse der deutsch-englischen Beziehungen und letzten Endes der Erhaltung des Friedens, wenn das liberale Regiment so lange wie möglich am Ruder bliebe. Diese Aussicht hat auf den ersten Blick alles für sich; aber wir möchten doch bezweifeln, ob sie im vollen Umfange zutreffend ist. Was zunächst die auswärtige Politik anlangt, so ist es eine fest stehende Tatsache, daß der Sekretär des Auswärtigen, Sir Edward Grey, bisher eine Politik leitete, die beinahe ohne Ausnahme den Beifall auch der unionistischen Partei gefunden hat. Der permanente Sekretär des Königs ferner, der den Parteiwechsel überdauert und auf den Gang der aus wärtigen Politik einen ganz außerordentlichen Einfluß ausübt, jedenfalls ausgeübt hat, war bis vor kurzem der bekannte Begleiter Eduards VII., Sir Charles Har dinge, ein Imperialist vom reinsten Wasser, der aber inzwischen den verantwortungsvollen Posten eines Vize- lönigs von Indien angenommen hat. Sein Nachfolger ist der bisherige Botschafter in Petersburg, Sir Artur N i - c o I s o n, ein durchaus deutschfeindlicher Staats mann, der als Vertreter Englands in Algeciras eine füh rende Nolle spielte und dessen Hauptverdienst das Zustande kommen der englisch-russischen Annäherung ist. Deshalb würde eine u n i o n i st i s ch e Regierung keine besonderen Erschwerungen für Deutschland im Hin blick auf die auswärtige Politik Englands gebracht haben. Vor allem aber würde der ganze Abrüstungs- und Rüstungsbeschränkungsschwindel, der 1907 von dem da maligen liberalen Premierminister, Sir Cumpbell-Banner- man, auf der Haager Konferenz angeregt wurde und seit dem jeden Augenblick als Veunrnhigungsmittel der inter nationalen Beziehungen in Szene gesetzt wird, nicht seine heutige Bedeutung erlangt haben. Die Unionisten haben die Abrüstungsidee immer mißbilligt und zweifellos wären die englisch-deutschen Beziehungen in einer ruhigeren und Rareren Linie verlaufen, wenn jenes Gerede nicht immer '-'jeder Beunruhigung und Unklarheit geschaffen hätte. Schließlich sind die sogenannten F l o t t e n p a n i k e n in England, besonders die letzte, mit voller Absicht von der liberalen Regierung hervorgerufen worden, um ihre Stel lung zu stärken. Wäre die unionistische Partei bis jetzt am Ruder gewesen, so würde das deutsch-englische Verhält nis sich wahrscheinlich durch eine gleichmäßige Kühle aus gezeichnet haben, die öffentliche Meinung in Deutschland hätte immer gewußt, woran sie ist und alles ebenso unbe stimmte wie gefährliche Hin und Her wäre uns erspart ge blieben. Jedenfalls hätte uns ein Regierungswechsel nicht von besonderem Schaden sein können. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Zu der Angelegenheit des Prinzen Max von Sachsen wird dem „B. T." aus Rom gemeldet: Nach einer Mel dung des vatikanischen Blattes „Corriere d'Italia" hat Prinz Max einen P r i v a t b r i e f an eine hohepäpst- liche Persönlichkeit gerichtet, in dem er seine Ge fühle erklärt und seine Bereitwilligkeit zur absoluten Unter werfung zu erkennen gibt. Hierzu verlautet in informier ten vatikanischen Kreisen folgendes: Das dem Vatikan angelündigte formelle Unterwerfungsschreiben sei noch nicht eingetroffen, werde aber täglich erwartet. Irgendeiner Strafe, etwa dem Verlust des Freiburger Lehrstuhls, werde der Prinz kaum entgehen, es hänge jedoch alles von dem weiteren Verhalten des Prinzen ab. Das Urteil der In dexkongregation dürfte übrigens, wie gewöhnlich, erst nach einigen Monaten gesprochen werden. In Ler Angelegenheit des Prinzen bringt jetzt Vie vom vatikanischen Staatssekretariat herausgegebene „Cor- respondance Nome" einen Artikel gegen den Prin- z e n, in dem es u. a. heißt: Prinz Max habe sich zweifel los an dem Buche des berüchtigten Münchener Abbs Pichler „Die historische Trennung zwischen Orient und Occident" inspiriert. Es sei einfach unbegreiflich, wohin ein frommer Priester geraten könne, sobald er sich in ein intellektuelle^ Milieu hineinbegebe. Wo Ortho doxie und katholischer Sinn an den Klippen einer falschen Wissenschaft gescheitert, die sich katholisch nenne und nicht einmal christlich sei, handle es sich nicht um den Prinzen Max, sondern um irgend einen modernistisch-leichtsinnigen jungen Abbs. So könnte man sagen, daß die Verirrung seines Gehirns und seines Gewissens würdig war. In diesem Falle aber handle es sich um einen der Askese er gebenen frommen Priester. „Wie gefährlich ist doch", so schließt das Blatt, „der verhängnisvolle Einfluß des Modernismus, wenn er sogar gläubige Gemüter so tief ansteckt, daß sie jenen „sensu» cutbolicus" verlieren, der den Prinzen Max vor einer Ungeheuerlichkeit hätte be wahren müßen." Die Lektion dieses Falles ist also viel höher und umfassender als der Zwischenfall selbst. Der römische Korrespondent der „Tgl. Rdsch." erfährt aus offiziöser vatikanischer Quelle, daß dem Papste ein Privatbrief des Prinzen vorgelegt wurde, in dem dieser das Vorkommnis bedauert. Die Kurie werde sich damit jedoch nicht begnügen, sondern verlange von dem Prinzen die ausdrückliche offizielle Unterwer- f u n g. Eine Antwort auf dieses Verlangen war bis zum Mittwoch noch nicht eingetroffen. Die Fälschungen des Pseudo-Isidors. In Nr. 294 der „Bautzener Nachr." ist ein Stück aus einem Artikel der „Sächs. Volkszeitung" angeführt; darin heißt es: „Die IsidorischenDelretalen wurden nach der all gemeinen Annahme zwischen 847 und 857 verfaßt, also im neunten, nicht im achten Jahrhundert. Die früher allge mein verbreitete Ansicht, daß die Erhöhung und Befesti gung der päpstlichen Machtfvlle der Hauptzweck des unbe kannten Fälschers gewesen sei, ist durch wissenschaftliche Forschung widerlegt, und allgemein, selbst von Protestan ten, aufgegeben." Es dii sce vielen Lesern erwünscht sein, außer dieser Belehrung durch ein ultramontanes Blatt auch etwas Zuverlässiges von wissenschaft lichhervorragender Seite über die vom Prinzen M a x angeregte Frage zu erfahren. Es möge daher nach stehend folgen, was der berühmte Nechtsgelehrte Rudolf Sohm in Leipzig in seiner Kirchengeschichte, 7. Auf lage, Seite 76 ff, über den Pseudo-Isidor sagt. „Unter Ludwig dem Frommen zerbröckelte das große Reich (Karls des Großen). Das Papsttum selber trat in der Person Gregors VI. (83;!) in Bündnis mit den Söhnen Ludwigs des Frommen, um an der Zerstörung des Reiches arbeiten zu Helsen, des Reiches, welches doch die Herstellung des Papsttums zur Herrschaft über das Abendland ermöglicht hatte. Aber mit der Einheit des Reiches fiel zugleich das dem Papsttum überlegene Eroßkaisertum, wie es Kurl der Kroße aufgerichtet hatte, und es blieb der Kirche des Abendlandes, wenn sie ihre Einheit erhalten wollte, nunmehr nichts anderes übrig, als sich lediglich auf die Papstgemalt zu gründen. Aus dieser Erkenntnis ist um die Mitte des 9. Jahrhunderts der Pseudo-Isidor hervorgegangen, das Werk eines fränkischen Geistlichen die unverschämteste und zugleich erfolgreichste Fälschung des ganzen Mittelalters. Eine alte Sammlung von Konzilienbeschlüssen und päpstlicher Dekre- talen war hier um eine ganze Menge von gefälschten Dekretalen vermehrt worden, welche der Urheber der Sammlung unter dem Namen der alten römischen Bischöfe, insbesondere des 2. und 3. Jahrhunderts, hergestellt hatte. Der stets wiederkehrende Ge danke der falschen Stücke ist einerseits die Befreiung der Bischöfe von der weltlichen Gewalt, ja, wenn möglich, überhaupt von jeder Anklage (kein Laie oder niederer Geistlicher darf Ankläger oder Zeuge gegen einen Bischof sein), andererseits die Unterwer fung der Kirche unter den Papst. Auch dieser zweiter Gedanke tritt breit in den Vordergrund; nicht nur, daß jeder (von der Provinzialsynode) abgesetzte Bi schof unbedingtes Appellationsrecht nach Rom hat; es gilt nach Pseudo-Isidor ganz allgemein der Grundsatz, daß alle wichtigeren Sachen an den Papst zu bringen sind und daß kein Schluß einer Provinzialsynode gültig ist ohne päpstliche Bestätigung. Welch unerhörte Neuerung des in zweifelloser Geltung stehenden Kirchenrechts! Es war das Programm der fränkischen Reform partei, welches hier in Gesetzessorm gebracht war: das Schicksal der Kirche sollte losgelöst werden von dem Schicksal des ausein anderfallenden Reiches, um die Verfassung der Kirche auf den von allen örtlichen Mächten befreiten Episkopal einerseits, auf das Papsttum andererseits zu gründen. Die Einheit der Kirche sollte gerettet werden trotz der Auslösung des Reiches. Daher der ungeheuere Erfolg der Fälschung. Im Jahre 864 trat Papst Nikolaus I. für die pseudo-isidorischen Grundsätze offen ein. Ja er wagte, wenngleich in gewundenen Ausdrücken, amtlich zu ver sichern, daß die gefälschten Dekretalen (doch hütete er sich, die selben namentlich zu bezeichnen) in den Archiven der römischen Kirche ausbewahrt würden, und machte dadurch das Papsttum miischuivig an dem Betrug. Mit den falschen Dekretalen schlug er die Metropolitangewalt des bedeutendsten, gelehrtesten und ehrgeizigsten Frankenbischofs, Hinkmar von Rheims, zu Boden (den Bischof Nothad von Soissons, welchen Hinkmar abgesetzt hatte, setzte er, gestützt auf die falschen Dekretalen, wieder ein, 865). Schon gegen Ende des 9. Jahrhunderts war jeder Wider spruch gegen die Echtheit der pseudo-isidorischen Dekretalen ver stummt. Durch das ganze Mittelalter hindurch haben sie für echt gegolten. Zahlreich haben sie Ausnahme in das Oorpu» juri» canonici gesunden. Erst im 15. Jahrhundert sprach der Kardinal Nikolaus von Cusa Zweifel an der Echtheit aus, welche dann von der protestantischen Forschung (den Magdeburger Tenturiatoren u. a.) zur Gewißheit erhoben wurden."