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A auiiMr M M Mm. verorduungsblatt -er KreiShauptmaunschast Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlaufitz. Amtsötatt der AmtShauptmannschasten Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichcn der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- «nd Gewerbekammer zn Zittau. Erscheinungsweise: TSglttb abrud» mN Ausnahme der Son», und Felrrlag«. Schrifilettuug «nd Geschäftsstelle: Bauheu, Innere Lauenstraße 4. Fernsprecher: Nr. 81. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis pro Monat: Bei Abholung in der Geschäftsstelle - .90 bet freier Zustellung inS Hau? 1.— Anzeigenpreis r Die llgespaltene Petitzcile oder deren Raum 15 Pfennige, tu geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprech«» teurer. Reklamen: Die Igespaltene Petitzelle 50 Pfennige. 12S. Jahrgang Ur. 387 Montag, de« 18. Dezember 1SW, abends. Das Wichtigste vom Tage. * Die Konferenz im sächsischen Ministerium des Innern zur Linderung der Fleischteuerung findet am 17. Dezbr. statt. Die Demission des österreichischen Kabinetts V i e- nerth steht unmittelbar bevor. Die Stellung des Kabinetts war unhaltbar geworden, als die Polen drohten, bei der Abstim mung über das Budgetprovisorium aus der Arbeitsmajorität auszutreten. Das norwegische Storthing verlieh dem Internationalen Friedensbureau in Bern den Friedenspreis in Höhe von 183 36V Francs. Bon den 5 Nobelpreisen fielen 3 aus Deutsche. Die Parlamentswahlen in England ergaben bis her die Wahl von 183 Liberalen, 226 Unionisten, 32 Mitgliedern der Arbeiterpartei, 56 Anhängern Redmonds und 6 Anhängern O'Briens. Die liberalen Minister Asquith, Lloyd George und McKenna sind wiedergewählt. * Ein aufständisches Beduinen Heer hat die Festung Kerak angegriffen und belagert sie. (Nach an derer Meldung soll Kerak bereits erobert und die ganze Garnison mit den Kommandanten niedergemetzelt sein.) Auch viele Stationen der Hedschasbahn wurden überfallen. Man befürchtet die Verluste vieler Menschenleben, darunter zahlreiche Christen. * In Rio ist abermals eine Mari ne meuteret aus gebrochen. Es kam zu Geschützkämpfen zwischen den Land- battericn und den Meuterern der Kriegsschiffe. Der Senat be schloß die Verhängung des Belagerungszustandes auf 3V Tage. * Der deutsche Kronprinz wird im nächsten Jahre eine größere Afrikareise unternehmen. * Große Ueberschwemm ungen werden aus Frankreich, Spanien und Italien gemeldet. * Wetteraussicht für Dienstag: Heiter, kälter, trocken. * Ausführliches siehe an anderer Stelle. Die grotze Kauzlerrede. Eigentlich hätte Herr von Bethmann Hollweg schon am Freitag die gewohnte grotze Etatsrede halten sollen, aber der Besuch des österreichischen Thronfolgers und eine Hof jagd kamen dazwischen. Einige. Verstimmung wollte sich deshalb bei den Reichsboten breit machen; doch man hat ihm verziehen mit Ausnahme der Sozialdemokraten, und wenn man seine bekannten Anschauungen als Tatsache hinnimmt, so kann man auch sagen, datz die Rede nicht ohne Wirkung war. Die Rechte des Hauses hatte oft freilich Gelegenheit, „Sehr richtig" einzuwersen; aber wenn sie sich vorhält, was der Kanzler eigentlich in seinem Herzen beschlossen hat, dann wird ihr doch kaum recht froh zu Mute sein. Zunächst freilich sang er das Lob der Finanzreform in vollen Tönen, gleichwie es am Tage zuvor der Reichs schatzsekretär getan hatte; und er hatte nicht unrecht, wenn er den Pretznachrichten widersprach, datz Fürst Bülow wegen der Verweigerung der Erbanfallsteuer sein Amt nieder gelegt hätte. Da haben andere Dinge mitgespielt; die Fi nanzreform hat eine ganz nebensächliche Rolle dabei ge spielt und höchstens bei der Verabschiedung hinhaltend ge wirkt. Das ist jedem einigermaßen versierten Politiker bekannt. Doch bemerkenswerter als diese Reminiszenz waren des Kanzlers Erörterungen über den neuen Block. Schon vor einigen Tagen waren Nachrichten durch die Presse gegangen, datz der Kanzler sich keineswegs als der Beauftragte der Herren Heydebrand und Spahn betrach tete. Es scheint, als ob der Kanzler diese Nachrichten selbst veranlaßt hat; denn in seiner großen Reichstagsrede be stätigte er sie. Nun ist freilich damit nicht gesagt, daß er damit das Tischtuch zwischen sich und den Konservativen zerschneidet, aber er will eben überhaupt nicht als der Beauftragteirgend einerPartei oder Partei kombination gelten, sondern sich in allen Dingen freie Hand vorbehalten. Diese Aeußerungen des Reichskanzlers gelten natürlich in erster Linie den Nationallibe ralen, mit deren Führer er ja, wie bekannt, noch in jüngster Zeit vertrauliche politische Gespräche gehalten hat. Aber selbst die Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei sind dabei nicht von vornherein ausge schlossen, wie man das vielleicht auf mancher Seite anzu nehmen geneigt ist. Nur mit den Sozialdemokraten gibt es für den Kanzler kein Paktieren. Das ist eine erfreuliche Hal tung. Die heutige künstlich gemachte Stimmung einer viel seitigen Hinneigung zur Sozialdemokratie wirk sich über leben, sie wird sich überleben, sobald bei den nächsten Reichstagswahlen die Sozialdemokraten ihren vermutlichen starken Zuwachs erhalten haben. Denn das muß sich doch jeder denkende Mensch sagen, daß alsdann der Uebermut der Genossen keine Grenzen kennen wird. Ihre Niederlage bei den Blockwahlen hat sie keineswegs von den völlig zwecklosen Wahlrechtsdemonstrationen auf den Straßen abgehalten, und, wenn heutigen Tages von Moabit so sehr die Rede ist, so möge man doch vor allem auch jene Tage nicht vergessen, in denen es klar war, datz es Sozialdemo kraten waren, die damals die Tumulte herbeiführten. Moabit scheint der Kanzler für unerheblich zu halten, und wenn man den Verlauf des Prozeßes verfolgt — dazu ge hört allmählich allerdings eine Dosis Opfermut — so muß man sagen, daß wenigstens die ungeheure Maschinerie, die hier aufgeboten wird, völlig zwecklos ist. Im übrigen hat der Kanzler ja auch noch der Polizei besonderes Lob aus gesprochen und die Dekorationen, die jetzt gerade bekannt werden, bestätigen, daß das die offizielle Auffassung ist. Aber Herr von Bethmann Hollweg will wegen solcher Vor gänge noch nicht zu Ausnahmeregeln greifen. Hier ist der Punkt, wo er mit Herrn o. Heydebrand in Konflikt gerät; denn dieser rechtskonservative Parteiführer und seine Freunde wollen Ausnahmcmaßregeln. Damit hat man bislang immer noch das Gegenteil dessen bewirkt, was man erreichen wollte, und der Reichskanzler hat völlig recht, datz die bestehenden Gesetze, richtig angcwendet, völlig ge nügen, der Oeffentlichkeit den nötigen Schvtz zu gewähren. Es ist bezeichnend, datz der Kanzler anscheinend ob seiner Betrachtungen über die innere Reichstage es an scheinend vollkommen vergatz, der Beziehungen zu den auswärtigen Mächten zu gedenken, und es hätte das auffallen können, zumal bei unserm Bundes genossen in ganz kurzer Zeit diese Beziehungen erst in er freulichster Weise von Vertretern der Regierung erörtert wurden. Erst durch die Rede Bassermanns wurde der Kanzler auf diesen ksux pgg aufmerksam, den er nun schleunigst verbesserte. Da war bemerkenswert, datz er neue Schwierigkeiten in der Marokkofrage zugab, obgleich er wieder behauptete, daß durch die deutsch-österreichische Vermittlung der türkischen Anleihe die Beziehungen zu Frankreich keine Verschlechterung erlitten hätten. Be merkenswert waren seine Ausführungen über die Türkei, für die er ganz besonders freundliche Wünsche hatte, und in Bezug auf Rußland und die Entrevue in Potsdam waren am wichtigsten die Aeußerungen über die russischen An sprüche in Persien. Dem deutschen Handel sollen dadurch keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. In Bezug auf England und die Beschränkung unserer Seerüstung ist, nach des Kanzlers Worten, alles beim alten. Das be deutet wohl kaum ein besonders günstiges Omen. Doch man muß sich trösten. Vorläufig haben die Engländer ja genug im eigenen Lande zu tun, und wenn die Wahlen vorüber sind, dann gibt es auch noch Arbeit die Hülle und Fülle. Alles in allem darf man unter den gegebenen Ver hältnissen mit den Worten des Kanzlers zufrieden sein; mögen seine Taten dem entsprechen! Was wir in Deutschland von den englischen Wahlen lernen können. In England ist das Unterhaus am 28. November auf gelöst worden, und am 2. Dezember haben die Neuwahlen begonnen. In Deutschland ist ein gleicher Vorgang un möglich. Wird bei uns der Reichstag aufgelöst, so vergehen mindestens fünf Wochen, bis Neuwahlen erfolgen können, daran schließen sich dann die Stichwahlen, die zumeist erst die Entscheidung bringen. Ueber die Lehren, die sich für uns aus dem englischen Vorbilde ergeben, stellt der freikonservative Abgeordnete vr. Arendt, Mitglied des Reichstages und des Abge ordnetenhauses, in einem Aufsatz im „Tag" folgende Be trachtungen an: Der grotze Vorzug einer schnellen Wahl liegt auf der Hand. Die Wählerschaft gibt ihr Urteil nicht auf Grund langwieriger Beeinflussung durch die Preße und Agitation, sondern unter dem unmittelbaren frischen Eindruck des Er eignisses, das zur Auflösung führte. Die Einschränkung der Agitation hat überdies grotze praktische Vorzüge. Die An forderungen der Wahlagitation steigen in Deutschland der artig, daß sie von der Uebernahme der Mandate abschrecken. Es ist nicht nach jedermanns Geschmack, wochenlang den giftigsten persönlichen Angriffen und Beschimpfungen aus gesetzt zu sein und in vierzig oder sechzig Wählerversamm lungen zu sprechen. Ueberall heitze, tabakerfüllte Säle, überall die gleichen Fragen und Einwürfe, dann erhitzt hinaus in die Kälte, zur nächsten Versammlung. Ueberall Bittsteller, Interessenten, Eigenbrötler, bis in die macht hinein und vom frühen Morgen ab. Wer das ein paarmal erlebte, dem graut davor, und die Folge ist, datz viele der besten und geeignetsten Kandidaten das Mandat ablehnen. Das ist zweifellos auch einer der Gründe für die bedauer liche Tatsache, datz das geistige Niveau des Reichstages be denklich sinkt. Der Unterschied zwischen Deutschland und England be züglich der Wahlen beruht nur auf der Beschaffenheit der Wählerlisten. In England ist die Wählerliste eine stän dige Einrichtung, in Deutschland bleibt sie nur ein Jahr in Geltung, nach Jahresfrist mutz sie zu jeder Neu- oder Nachwahl neu hergestellt werden. Bei meiner Tätigkeit in der Wahlprüfungskommission des Reichstags hatte ich früher oft Gelegenheit, festzustellen, wie mangelhaft die Wählerlisten zuweilen hergestellt wer den. Ganze Häuser und Häuserreihen werden manchmal übersehen, längst Wahlfähige nicht aufgeführt, Verstorbene eingezeichnet, Namen verwechselt, Ausländer eingetragen und dergl. mehr. Ungleich praktischer und auch durchaus im Interesse der Wähler liegend ist die englische Einrichtung der stün digen Wählerliste. Sie würde zugleich die Möglichkeit bieten, betrügerische Wahlen zu verhindern, die heute da durch vorkommen, datz einer fälschlich für einen andern einen Stimmzettel abgibt. Die Eintragung in die Wähler liste müßte jedem Wähler /imtlich mitgeteilt werden, eben so seine Streichung in der Wählerliste, z. B. bei einem Woh- nungs- oder Ortswechsel. Diese Benachrichtigung würde als Wahllegitimation gelten können, natürlich soweit sich der Wühler ihrer im Interesse seiner schnellen Abfertigung bedienen will. Das umständliche, zeitraubende Einsehen der Wählerlisten durch die Wähler füllt fort, weil jeder Wähler, der seine Benachrichtigung hat, weiß, daß er in der Liste steht. Auch betrügerisches Doppelwählen, das jetzt nicht ganz selten vorkommt, würde aufhören. Entspricht die ständige Wählerliste den Interessen der Wähler, so ist sie auch für die Behörden erheblich einfacher als das jetzige System. Es ist nur nötig, daß die polizei lichen An- und Abmeldungen, soweit es sich um Wähler handelt, regelmäßig der zuständigen Stelle mitgeteilt werden, und daß diese die Benachrichtigungen an die Wähler erläßt bezw. deren Reklamationen erledigt. Dabei könnte die Wählerliste ständig öffentlich, d. h. zu jeder manns Einsicht ausliegen. Wenn wir einmal beim Lernen sind, können wir viel leicht noch einige andere Verbeßerungen von den praktischen Engländern gleich mit übernehmen. In England werden unbestrittene Kandidaten ohne Wahl für gewählt erklärt. Das ist durchaus praktisch und kann keiner Partei schaden, da jede Partei in der Lage ist, solchen unbestrittenen Kan- ditaten Gegenkandidaten zu stellen und dadurch eine Wahl herbeizuführen. Es ist möglich, daß in Deutschland diese Einrichtung wenig benutzt würde; aber mit der Zeit würde sich doch wohl die englische Sitte auch bei uns einbürgern, daß die Parteien sich verständigten, ihre Führer, die im Parlament unentbehrlich oder schwer entbehrlich sind, in sicheren Wahlkreisen miteinander auszutauschen, und da durch diesen Führern die Mühen und Opfer der Wahl agitation und den Wahlkreisen die Last des Wahlgeschäfts zu erleichtern. Auch die politischen Gegner müßten ein Interesse daran haben, Abgeordnete, die über das Durchschnittsmaß hinaus ragen, im Mandat zu erhalten. Die Einrichtungen der Engländer zur Vermeidung übertriebener Wahlkosten werden wir ebenfalls bald ernst in Erwägung ziehen müssen, wenn wir nicht wünschen, daß das Geld auch bei uns die Wahlen entscheidet. Als ich in das politische Leben trat, — vr. Arendt konnte, wie er innerlich, vor kurzem auf eine 25jährige Parlamentstätig keit zurückblicken — waren die Wahlen noch fast ohne Kosten, heute wendet jede Partei in jedem Wahlkreis viele Tausende auf. Wohin soll das führen? Ein Uebermaß von Drucksachen und Reden wird schließlich nicht zur Auf klärung, sondern zur Verwirrung der Wähler führen. Allerdings ist es sehr schwer, hier Grenzen zu ziehen, und ob das in England gelang, ist mir zweifelhaft. Ebenso würde sich die Beseitigung der Stichwahlen nach englischem Vorbild für uns nicht empfehlen. Unser Parieileben ist hierfür zu vielgestaltig, während in England ja immer noch, allerdings vielleicht nicht mehr lange, das Schaukel- ipiel zweier großer, sich ablösender Parteien aufrecht er halten wird. Auch in Deutschland stehen wir bald wieder vor Neu wahlen, möchten sie zum letzten Male mit unvollständigen, n der Eile notdürftig hergestellten Wählerlisten ausge- Lhrt werden. Die große Zahl der Nachwahlen macht die Herstellung ständiger Wählerlisten besonders dringend. Auch die Nachwahlen können schneller erfolgen, und die Wahlkreise können mit noch größerem Recht klagen, wenn sie längere Zeit unvertreten bleiben, sobald die Schwierig keit der Herstellung neuer Wählerlisten aus der Welt geschafft ist.