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73 gegen einen Verräter und Verwandtenräuber alles erlaubt sei, besonders wenn man zur größeren Ehre Gottes ein Heidenvolk zum Christentum be kehren konnte. Zunächst wurde eine Gesandtschaft zum Jnca geschickt, um ihn in das spanische Lager einzuladen; sie bestand aus einem Reitertrupp, der im Heranreiten seine Reiterkünste zum Besten gab, um dem Jnca und seinem Volke durch diese ihnen ganz neue Erscheinung Furcht einzujagen. Ata- hualpa empfing den Abgeordneten auf einem Throne sitzend und ließ die Anrede eines jüngeren Bruders Pizarros, welche ein Dolmetsch ihm übertrug, über sich ergehen. Sie gipfelte darin, daß der Redner ein Ab gesandter des spanischen Königs und daß er bereit sei, die Peruaner zum Christentume zu bekehren. Der Jnca sagte darauf nichts. Was sollte er auch sagen? Es war ihm diesen Fremdlingen gegenüber vor allen Dingen Vorsicht geboten; eine sofortige Ablehnung war für ihn so gefahrvoll, wie eine Zusage. Es galt Zeit gewinnen, vor allem die Macht der Spanier kennen zu lernen. Er sagte daher vorläufig zu, die Fremdlinge am andern Tage in ihrem Lager zu besuchen. In der Fülle seiner Macht, umgeben von einem starken Heere, konnte ihm eine Ahnung von ihrem verwegenen Plane kaum kommen. Pizarro hatte unterdes die Rollen verteilt; die Mannschaft, welche den Überfall bewerkstelligen sollte, wurde verborgen; auch ein Priester war be reit, die Komödie mitzuspielen. Als Atahualpa erschien, gefolgt von 5000 Mann, wurde er eingeladcn, aus dem Hauptplatze der Stadt sich niederzulassen. Nun trat der Priester vor und begann sogleich das Werk der Bekehrung. Er erzählte langes und breites aus der biblischen Ge schichte, aus dem alten und neuen Testamente, kam auf Christus und dann aus den Papst, als den Nachfolger Christi, das Haupt der Christenheit. Auf eine Handvoll Unwahrheiten kam es nicht an; so stellte er den Papst auch als weltlichen Oberherrn der Christenheit dar, der den einzelnen Fürsten ihre Länder zugewiesen habe. Als der Jnca entgegnete, ihm sei von allen diesen Dingen nichts bekannt, überreichte der Priester ihm eine Bibel, darin sei alles enthalten. Nun hatte der König von einem Buche über haupt keine Vorstellung, denn die Peruaner waren nicht im Besitze einer Schrift, ihre brieflichen Mitteilungen machten sie sich durch eigentümliche geknotete und gefärbte Fäden. Er nahm daher das Buch in die Hand, vielleicht in der Erwartung, es werde zu ihm reden; als er aber nichts vernahm, äußerte er, es sage ja nichts und warf es auf die Erde. Nun hatten die Spanier einen triftigen Vorwand für ihren be schlossenen Verrat, das heilige Buch war geschändet. Auf ein von Pizarro gegebenes Zeichen brachen Bewaffnete hervor, stürzten auf den Jnca ein und bemächtigten sich seiner Person. Sein Gefolge drängte hinzu, um den König zu schützen, es entbrannte ein heftiger Kampf, endete aber dank den Feuerwaffen der Europäer, deu Musketen und den Kanonen, mit einer