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68 ging aber zu diesem über, so daß er wieder gegen 600 Mann zählte. Das Hilfsheer der Eingeborenen, welche die mexikanische Oberherrschaft durch seine Hülfe abzuwälzen hofften, mochte sich auf 100 000 Mann belaufen. Cortez hatte die Unmöglichkeit gesehen, der Stadt Herr zu werden, wenn er nicht die Boote aus seiner Flanke verjagen konnte. Er beschloß daher, Schiffe zu bauen, und durch ihre Mitwirkung wieder zum Angriffe vorzugehen. Das Holz wurde in Tlascala zurecht gezimmert und dann aus den Schultern der Tlascalaner an den See getragen, um dort zu sammengefügt zu werden; Eisen, Taue, Leinwand kam von der Küste her. Die Schiffe wurden durch einen eigens zu diesem Zwecke hergestellten Graben in den See gelassen, und nun unterwarf Cortez erst die um den selben liegenden Ortschaften. Bei dieser Gelegenheit wäre er beinahe in die Hände des Feindes gefallen; doch rettete ihn die Geistesgegenwart eines Dieners und der rechtzeitige Beistand eines Tlascalaners. Auch eine Verschwörung im eigenen Lager bedrohte sein Leben. Aber mit be wundernswerter Umsicht und unbeugsamem Mute wußte der heldenmütige Mann allen diesen Gefahren zu begegnen und sie zu überwinden. Nachdem die Flotte den See erreicht hatte, war es ihr ein leichtes, die Kähne der Mexikaner fortzufegen. Sie wurden von den schweren Fahrzeugen der Europäer übersegelt oder durch Kanonenkugeln in den Grund gebohrt; durch Zerstörung der Leitungsröhren schnitt man der Stadt das Trinkwasser ab. Dann schritt Cortez wieder zum Angriffe; in drei Abteilungen gingen die Spanier auf den Dämmen vor, deren Lücken sic zuschütteten, flankiert von den Schiffen, welche die Boote fern hielten. Die Mexikaner zeigten unter der Anführung eines neuen Königs, eines Neffen Montezumas, große Entschlossenheit; sie rissen neue Lücken in die Dämme und widersehtcn sich auch sonst dem Vordringen der Feinde mit großer Tapferkeit. Ihr wütendes Kriegsgeschrei tönte drohend den Spaniern in die Ohren. So schwankte der Kampf lange unentschieden hin und her; die Spanier drangen zwar in die Stadt, wurden aber wieder hinausgedrängt, umzingelt und so in große Bedrängnis gebracht; aber die Reiterei stellte das Gefecht wieder her. Endlich gelangten die Spanier kämpfend zu dem großen Tempel, und zertrümmerten seine Götzenbilder. Aber noch wagten sie nicht, in der Stadt zu bleiben, sondern zogen sich abends zurück, um den Angriff am nächsten Morgen zu erneuern. Wäre Mexiko eine festgefügte Monarchie gewesen, wer weiß, ob der kleine spanische Heerkörper sich doch nicht an den sich immer wieder ergänzenden Massen der Mexikaner verblutet hätte. So aber gingen während des Kampfes Fürsten, welche des Königs Oberherrschaft unwillig getragen hatten, zu Cortez über. Der Widerstand der Stadtbewohner blieb ein verzweifelter. Wo die Spanier in die Stadt eindrangen, brannten sie die Gebäude nieder, schossen mit Kanonen die Straßen entlang, ließen keine Lebensmittel herein; den-